Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Eight easy pieces"

Pia Reiser

Filmflimmern

11. 10. 2016 - 14:06

Eight easy pieces

Auch wenn man's leicht hat, hat man's schwer. Joe Swanberg entwirft mit der Serie "Easy" einen Mittelklasse-Reigen zwischen Selbstzweifel und Familienplanung. Trotz Orlando Bloom sehenswert.

Ein Paar lässt sich auf Sex mit der besten Freundin der Frau ein, doch immer wieder schlägt das Babyphon Alarm und unterbricht das beschwipste Herumgeschmuse im Hobbykeller. Wer geht nun zum Baby? Und machen die Anderen inzwischen Pause? Willkommen in Episode 5 der Serie "Easy", die Joe Swanberg für Netflix produziert hat. Der 35jährige Swanberg, der seit 2009 14 Filme gemacht hat, quasi ein Anti-Malick, tempo-mäßig, hatte immer schon große Freude daran, Liebesszenen mit Naturalismus zu inszenieren und mit der bestimmten Ungelenkheit, für die es im Englischen die schöne Bezeichnung „awkward“ gibt, zu brechen.

Malin Akerman und Orlando Bloom in "Easy"

netflix

"Easy" ist voll solcher Momente. Doch Swanberg geht es nicht um Pointen oder ums Bloßstellen seiner Figuren. Ein Hauch Satire weht den Bewohnern der Windy City hier um die Nase, doch meilenweit entfernt von Zynismus. Am bissigsten agiert hier noch Comedian und Journalist Marc Maron als Graphic Novel Autor, der sich bei der Ausstellung einer jungen Frau auf einem Foto wiederfindet, das sie nach der gemeinsamen Nacht gemacht hat. Der Autor im Schnürlsamt-Sakko rastet aus, die ironiegetränkte Kunststudenten-Schickeria zuckt das Smartphone und filmt mit. Älterer Intellektueller, der mit junger Frau anbandelt und zu neurotisch angehauchten Monologen neigt, das klingt nach Woody Allen. Bloß, dass bei Allen die Sympathiegewichtung wohl eine Andere gewesen wäre. Swanberg wertet weniger, als er bloß zusieht. Und selbst die junge Frau, die sich als Selfie Artist bezeichnet und stets mit Selfiestange und Schmolllippen posiert, ist hier keine Witzfigur.

Marc Maron in "Easy"

netflix

Swanberg hat mit "Easy" einen urbanen Mittelklasse-Reigen erschaffen - zwischen Selbstverwirklichung, Selbstzweifel und Familienplanung. Außerdem interessant im aktuellen Aufmerksamkeitskampf der Serien: "Easy" ist eine Serie, die das serielle Erzählen verweigert. Die acht Episoden stehen im Grunde für sich, manchmal leicht aneinander gehakt durch wiederkehrende Figuren. Im Grunde habe er acht Filme gemacht und es Serie genannt, so Regisseur Swanberg.

netflix

Und so hat er auch auf die Improvisation - essentiell für Swanbergs Filme - bei "Easy" nicht verzichtet, die einzelnen Episoden wurden mit den Schauspielern ausgearbeitet. Und Swanberg ist einer der wenigen Regisseure, der bei mir, wenn das Wort "improv-driven" auftaucht, keinen Weglauf-Impuls auslöst. Aber apropos Weglauf-Impuls, Orlando Bloom spielt den Ehemann im eingangs erwähnten Herumschmus-Szenario. Und dank "Easy" wissen wir jetzt, dass der ohnehin nur sehr limitiert begabte Schauspieler Bloom tatsächlich noch unaushaltbar hölzener wird, wenn er improvisieren darf. Andere - wie Dave Franco - blühen dabei auf. Franco spielt Teil eines Brüderpaars, das illegal Bier in einer Garage braut. Tatsächliche Bierbrau Lokalmatadore wie Half Acre spielen sich in einer Szene selbst, ebenso taucht Jesse Diaz, Gründer von "Dark Matter Coffee" kurz auf - so nebenbei zeichnet Swanberg auch ein Bild von seinem Chicago.

netflix

FM4 In Serie

fm4.orf.at/serien

Die Figuren aus "Easy" könnten befreundet sein mit den Figuren aus "Togetherness" der Duplass-Brüder oder auch mit Hannah aus Lena Dunhams "Girls". Dunham, die Duplass-Brüder und Swanberg wurden Anfang der 00er Jahre dem Nischen-Genre "Mumblecore" zugeordnet, mit Filmen, die sich dem Naturalismus verschrieben haben, in denen eine wackelige Kamera dauerplaudernde Menschen eingefangen hat. Mumblecore ist längst vorbei, doch es ist wunderschön anzusehen, wie Dunham, die Duplass Brüder und Swanberg die Indie-Attitüde nun in Serienform erblühen lassen. "Easy" ist außerdem auch Entschleunigungs-Balsam für Cliffhanger-gestresste Dauerserienschauer, die vor lauter intriganten Präsidenten oder Cowboyrobotern (Robotercowboys?) nicht mehr wissen, wo ihnen der Kopf steht.