Erstellt am: 7. 3. 2016 - 12:35 Uhr
Gemeinsam peinsam
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Beim Nachdenken über die Duplass-Brüder hab ich auf die Croissants im Rohr vergessen, bis mich ein süßlicher Geruch daran erinnert, dass ich eigentlich frühstücken wollte. Ich springe auf, lande mit einem Fuß auf einem Holzkrokodil, mit dem anderen zerstöre ich Godzilla-gleich F.s Legostadt, renne fluchend weiter, im Ofen zwei pechschwarze Klumpen, ich verbrenn mir die Finger. Hab Brandblasen, kein Frühstück, aber eine ziemlich gute Idee davon, wie man sich als Figur in der Welt von Jay und Mark Duplass fühlt. Und einen Anfang für diesen Text. Die Duplass Brüder suchen seit jeher das Drama im Banalen, sie sind Chronisten des Scheiterns im Alltag, ohne jemals ihre Figuren völlig hoffnunslos den eisigen Händchen Welt auszuliefern. Ihr Kurzfilm "This is John" aus dem Jahr 2003 zeigt wie ein Mann beim Versuch, seinen Anrufbeantworter zu besprechen, einen Nervenzusammenbruch erleidet. Eine wahre Geschichte, es sei ziemlich genauso Jay Duplass passiert, erzählen die beiden hier.
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So ein Zusammenbruch angesichts einer nicht vollbringbaren banalen Handlung, das könnte auch Brett in "Togetherness" passieren. Der wird gespielt von Mark Duplass und ebenjener beschreibt ihn als Pain in the Ass Vegan. Brett ist eine der vier Hauptfiguren der HBO-Serie "Togetherness", für die die Duplass Brüder gemeinsam mit ihrem alten Freund Steve Zissis verantwortlich zeichnen. Zissis spielt eine weitere Hauptrolle und Melanie Lynskey und Amanda Peet komplettierten das Quartett der erwachsenen Malaise in Los Angeles.
Den unfokussierten Ballast des Mumblecore, das ewige improvisierte Dialogführen auf der Suche danach, endlich in Worte fassen zu können was man fühlt, haben die Duplass Brüder längst hinter sich gelassen. Weitaus pointierter, aber immer noch ohne Hast, lassen sie ihre Figuren in "Togetherness" straucheln. Wenn Brett seine Frau Michelle (Lynskey) mit Wäscheklammern an den Brustwarzen dabei erwischt, wie sie zu "50 Shades of Grey" masturbiert, dann ist das nur eines von vielen Beispielen für social discomfort, wie ihn Jay und Mark Duplass so gerne inszenieren.
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Es ist nur gar keine Zeit für große Diskussionen, denn da ertönt ein Schrei aus dem Badezimmer: Tina (Peet) hat eine Schlussmach-SMS von ihrem Freund erhalten und mit ihrem gellenden Schrei die Kinder von Brett und Michelle wieder aufgeweckt. Tina will nicht nach Houston zurückkehren, sondern in LA bleiben und wird der zweite temporäre Hausgast. Am Sofa im Wohnzimmer schläft nämlich schon Bretts Freund Alex (Steve Zissis), der Schauspieler werden wollte und einer von den vielen wurde, den die Traumfabrik mit Freude wie eine Seewolf-Kartoffel zerdrückt hat.
Geplatzte Träume und eine allumfassende Unzufriedenheit pflastern den Weg der Figuren in "Togetherness". Routine hat sich in der Ehe von Michelle und Brett breit gemacht, während Tinas Mascara sich mittels Tränenstrom über ihre Wangen verteilt, weil sie 40 und Single ist und Alex Herz wohl früher oder später brechen wird, weil er in Tina verliebt ist.
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Weiße heterosexuelle Erwachsene, die mit den eigenen Erwartungen an sich selbst zu kämpfen haben, die ihrer Jugend nachtrauern und Angst vor dem Alter haben, gibt es im Fernsehen genug. Doch die Tonalität von Mark und Jay Duplass ist eine eigene. Wenn Michelle Brett als Domina überraschen will, der aber eigentlich hungrig ist, dann rückt "Togetherness" fast in die Nähe von Larry Davids "Curb your Enthusiasm". Eine grelle Ausleuchtung von peinsamen Momenten. Die eigenwillige Mischung aus Komik, Verletzlichkeit und Peinlichkeit, die geerdete Sichtweise macht "Togehterness" so sehenswert.
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Wie "Girl" verweigert auch "Togetherness" die übliche Schönfärberei von Körpern. Falten, Schweiß und schwabbelige Bäuche sind hier zu finden - und das ausgerechnet in Los Angeles. "Togetherness" lässt einen auch erneut wundern, warum Melanie Lynsey noch kein Weltstar ist. Die Schauspielerin verfügt wie wenig andere über eine unweinerliche Verletzlichkeit in der einen Sekunde und sture Willenskraft in der nächsten. Schon alleine für eine nur kleine Sequenz in "Away we go", in der sie zu "Sweet Nuthin" an einer Polestange den traurigsten Tanz der Welt tanzt, hätte man sie mit Preisen (und Hauptrollen-Angeboten) überhäufen müssen. Stattdessen ist sie jahre- und staffellang die einzige Entschuldigung bei "Two and a Half Men" doch nicht sofort wegzuschalten. Würde man die miesen Witze und Lachkonserven rausschneiden, so könnte ein Jingleschreiber mit Alkoholproblem wie in "Two and a Half Men" auch eine Figur in "Togetherness" sein.
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Statt in Malibu befindet man sich hier allerdings in Eagle Rock, im Nordosten von Los Angeles. Das typische (Film- und Serien-) Los Angeles wird von Peter Gallagher verkörpert. Der spielt einen Hollywood-Produzenten, der stets einen kleinen weißen Hund unter dem Arm trägt, abends spielt er Poker mit Tom Hanks. Untertags lässt er sich auch zu einer Kickball-Partie im Park überreden. Das war Michelles Idee nach einem desaströsem Besuch beim Paartherapeuten. That was World War III, emotional bombing, so Brett. Was genau dort passiert ist, sehen wir nicht, auch das ist eine der Stärken von "Togetherness". Wie die Duplass-Brüder dann Erwachsene beim "Kick The Can"-Spielen gegen eine Runde nervtötender Hipster mit all ihrem emotionalen Ballast inszeniert, zählt zu den schönsten Momenten der Serie.
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Die Serie ist eine Chronik wunder Punkte, die Duplass Brüder verorten Komik in der Tragik und umgekehrt, man lacht und man leidet mit und manchmal kann man fast gar nicht hinsehen. Sollte man aber. Wer nach all den russischen Spionen, koksenden Labelchefs, Mafiabossen, Zeitreisenden und Superhelden wieder mal eine Serie sehen will, die das Drama - aber auch die Schönheit - des Normalen auslotet, dem sei "Togetherness" ans Herz gelegt.