Erstellt am: 9. 9. 2016 - 09:30 Uhr
Die letzte Sommerrevolution
Zwischen klaustrophobischer Dystopie und melancholischem Herzschmerz, zwischen Fitness hinter dem Fernseher und psychedelischem Farbenspiel. Der Herbst hat es in sich. Zumindest was die neuesten Musikvideos aus Österreich betrifft.
Gudrun von Laxenburg - "Revolution"
Sie haben sich nicht nur durch ihre trancige, tief pulsierende und unglaublich tanzwütige Musik einen Namen gemacht. Die Wiener Techno-Punks Gudrun von Laxenburg brillieren auch auf der Bühne durch ihr außergewöhnliches Lichter-Outfit. Nicht zuletzt eine liebevoll gestaltete "Pyramide" als Promo hat ihnen Zugang zu Fatboy Slims Label Skint Records verschafft. Schließlich kann man auf eine Pyramide, die am Schreibtisch des Musikverantwortlichen landet, nicht irgendetwas anderes drauflegen. Und auch das geheimnisvolle Auge als einzige Information dürfte Wirkung gezeigt haben.
Der Album-Vorbote "Revolution" ist ähnlich gewagt und effektvoll. Oder schlicht und ergreifend ein absoluter Wahnsinn! Das siebenminütige Video, das beim Cannes Short Film Festival 2015 einen Preis abstauben konnte, ist ein Sci-Fi-Kurzfilm der Extraklasse. Es erzählt mit stylischen Bildern von einer totalitären Zukunftswelt, in der Unterdrückung und Gewalt Teil des Alltags sind. Eine brutale Szene bringt jedoch das ganze soziale System zum Kippen. Ein meisterhaft gemachter Film mit starker Atmosphäre und - wie kann es anders sein - tollem Soundtrack.
Black Palms Orchestra - "Last Summer Forever"
Der musikalische Tausendsassa und House-Of-Pain-Chef Christian Fuchs hat sich mit seinem neuesten Monster-Projekt Black Palms Orchestra seine Produktionsträume erfüllt. Dunkle Popgeschichten aus einer melancholischen Indie-Welt, die mit jedem hellen Glockenschlag einem tiefer ins Herz gehen. Bei der aktuellen Single "Last Summer Forever" begleitet den traurigen Musikbarden die Stimme von Anna Attar alias Monsterheart. Das Duett windet sich durch einsame Trompetenmelodien, verhallten Westerngitarren, Spannung erzeugenden Streichersätzen und macht klar, dass es hier um nichts Geringeres geht als die Liebe, das Leben und den Tod.
Filmisch umgesetzt hat den Song Regisseur Daniel Geronimo Prochaska mit wunderschönen Bildern von Felsenstrand und Meeresbrandung. Immer wieder zwischengeschnitten mit Detailaufnahmen, die verstören und eine unterschwellige Spannung erzeugen. Teilweise sind die weitläufigen Bilder derart eng miteinander verwoben, dass man sich das Video einige Male ansehen muss, um all die schönen Details und herrlichen Aufnahmen auch wahrzunehmen. Ein beeindruckendes Werk. Da kann sich die liebe Lana trotz Spätsommersonne auf alle Fälle schon mal warm anziehen.
Granada - "Palmen am Balkon"
Nach all der Düsternis entspannen wir uns jetzt mal mit Urlaub in Balkonien. Vor ungefähr einem Monat haben Granada uns schon gezeigt, wie man mit Pina Colada eine super Lo-Fi-Party schmeißen kann. Diesmal schmeißt die Pop-Punk-Dialekt-Fusion-Band den Hut auf alle Ferienorte der Adria. Denn zuhaus ist es doch immer am schönsten, obwohl - oder gerade weil - man eh total am sond is.
Zu kratzigen Strokes-Gitarren und gerade dahin zischendem Schlagzeugbeat wird die ganze Energie von Granada in ein knapp dreiminütiges Fitnessprogramm gepackt, inklusive Tanz, Karate, Aerobic, Radfahren, Laufen und einfach nur nackt Dastehen und Reden. Das alles kann man übrigens in den eigenen vier Wohnzimmerwänden machen, wobei sich alte Röhrenfernseher nicht ganz so gut dafür eignen.
Mynth - "Vain"
Es ist schon ein halbes Jahr her, dass das Zwillings-Elektro-Duo Mynth ihr dunkel-glitzerndes, berührend-melancholisches Debüt "Plaat II" veröffentlicht haben und noch immer klingt der dicht verwobene Sound frisch und märchenhaft. Auch die neueste Single "Vain" macht da keine Ausnahme, ist es doch die wahrscheinlich poppigste Nummer des Albums mit atmosphärischen Klängen, treibenden Beats und einem extrem eingängigen Refrain.
Visuell hat Anna Fischbacher dem Song zu einem bewegten Gesicht verholfen. Wie auch bei ihren Live-Visuals mischt sie das Cover-Artwork mit Strichgrafiken, lässt das Spot-Light über farbige Flächen gleiten und verwebt die Konturen der musikalischen Zwillinge in den trancigen Farbenrausch.
Baguette - "Leszek"
Zum Abschluss lassen wir es nochmal so richtig krachen. Und das können Grazer Bands bekannlich sehr gut. Eine davon ist Baguette, die auf ihrem Album "oh!deu!vre!" metallene Gitarrenklänge mit heiß treibenden Schlagzeugrhythmen schmieden. Klirrend und krachend werden Takte verdreht und gewechselt, mit dem Tempo gespielt und ausgefuchst mit Hörgewohnheiten gebrochen. Ein großer Spaß, nicht nur für Freunde der härteren Gangart.
Auch wenn das Album schon im November letzten Jahres erschienen ist, so haben Philip Prugger (Gesang, Gitarre) und Manuel Finster (Schlagzeug) sich für das instrumentale Stück "Leszek" nochmal gehörig ins Zeug geworfen. Zu flimmernden Visuals wird auf Gitarre und Schlagzeug eingedroschen, ein paar Lockerungsübungen zwischendurch dürfen da natürlich nicht fehlen. Eine wüste und psychedelische Live-Show für die eigenen Synapsen. Nicht umsonst ist der Titel dieses Rockmonsters gleichlautend mit dem Namen ihres Visual Artists.