Erstellt am: 29. 6. 2016 - 16:18 Uhr
"Das ist ein Management-Job"
Seit der Regierungsumbildung im Mai ist Sonja Hammerschmid die neue designierte Bildungsministerin für Österreich. Hammerschmid ist zuvor an der Spitze der Veterinärmedizinischen Uni Wien gestanden und wurde als erste Frau Rektorenchefin. Sie übernimmt mit dem Bildungsministerium ein Ressort, in dem seit Jahren nur gestritten wird: Über Gesamtschule und Ganztagsschule, über Zentralmatura und Ländermitspracherecht.
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Wie geht sie ihren Job jetzt an? Irmi Wutscher und Lukas Lottersberger haben die neue Bildungsministerin zum Interview ins FM4 Studio gebeten.
Wie gefällt Ihnen der neue Job bisher?
Mein neuer Job ist ein sehr herausfordernder mit vielen Gestaltungsmöglichkeiten. Dadurch entspricht er meinem Naturell, ich bin froh dieses Thema betreuen und in der Regierung vertreten zu dürfen.
Sie kommen ja vom tertiären Bildungssektor, also von der Uni. Was qualifiziert sie da für den Bildungsbereich?
Auch auf der Universität muss man das Thema Bildung immer mitbetrachten. Wann immer man darüber diskutiert, mehr Mädchen für naturwissenschaftliche Fächer zu begeistern oder das Thema soziale Durchmischung an den Universitäten zu adressieren, dann sind wir ganz ganz schnell im Schulsystem. Und der Job, den ich jetzt mache, das ist ein Management-Job. Ich habe viele Experten, die in ihren einzelnen Themen ganz genau wissen, was zu tun ist. Mein Job ist Wissen zusammen zu tragen, auch aus dem Bildungsbericht und der OECD-Studie, aber auch draußen zu sein bei SchülerInnen, Eltern, PädagogInnnen, mit den Gewerkschaften zu reden und das alles in ein Strategiekonzept zu gießen. Das ist ein Management-Job. Und Management-Erfahrung habe ich viel gesammelt in den unterschiedlichen Stationen meines Lebenslaufes.
Zur eben abgelaufenen Zentralmatura: Wir haben uns auf der Straße umgehört, da sprechen Menschen von Angst vor der Matura, vor allem im Fach Mathematik. Was sagen Sie dazu?
Ich glaube die Mathe-Matura war immer ein Angstfach. Aber das hat nichts mit der Zentralmatura zu tun. Die Ungewissheit bei der Matura ist immer da, weil man die Antworten nie weiß. So gesehen hat sich da nicht viel geändert.
![© FM4 / Alex Wagner Bildungsministerin Sonja Hammerschmid](../../v2static/storyimages/site/fm4/20160626/hammerschmid1_body.jpg)
FM4 / Alex Wagner
Es gab bei den Ergebnissen einen sogenannten Gender Gap – vor allem in den AHS waren Mädchen viel schlechter in Mathematik als die Jungs. Viele konnten sich dann aber mündlich überdurchschnittlich gut verbessern. Wie kann man sich das erklären?
Zum einen muss man sagen, dass sich manche mündlich einfach leichter tun als schriftlich, egal ob Bub oder Mädchen. Zu den Mädchen: Wie wissen, dass es gerade in Mathematik diesen Gender Gap gibt – aber das ist auch kein Phänomen der Zentralmatura sondern kommt schon vorher vor. Wir müssen daran arbeiten, dass mit Genderunterschieden sensibel umgegangen wird in der Pädagogik. Dass das geht wissen wir, denn in den skandinavischen Ländern passiert das nicht in dem Ausmaß. In Island sind die Mädchen sogar besonders gut in Mathematik! Die Frage ist also, wie können wir das pädagogische System verbessern, um Mädchen zu fördern in Mathematik.
Die Zentralmatura soll auch dazu dienen, Problemschulen herauszufinden. Haben sich welche herauskristallisiert? Es gab ja viele Klassen mit mehr aks der Hälfte Fünfern in der schriftlichen Klausur. Ist das ein Indiz für schlechte LehrerInnen oder schlechte SchülerInnen?
Die Zentralmatura wurde eingeführt, um Vergleichbarkeit herzustellen und faire Bedingungen. Alle Maturanten haben idente Bedingungen wenn sie ihre Maturaarbeit schreiben. Das ist ganz wichtig. Außerdem lassen uns die Ergebnisse der Zentralmatura das Bildungssystem analysieren: Wo sind Stärken und Schwächen? Insbesondere wenn wie die unterschiedlichen Schultypen vergleichen und die Schulstandorte. Wir haben heuer z.B. 112 Klassen, wo es kein einziges Nichtgenügend gab. Es gab aber auch 107 Klassen, wo die Quote an Mathematik-Nichtgenügend sehr hoch war. Das zeigt die Breite der Streuung, deshalb müssen wir in die Tiefe gehen und bis auf die Klassenebene analysieren: Wo ist das Problem? Man kann nicht sagen, das sind die Schüler oder die Lehrer, das ist vielschichtiger. Das hängt zusammen mit Schulstandorten, mit der Durchmischung dort – zum Beispiel gibt es in den BORGs besonders viele Mädchen, da sind wir wieder beim Gender Gap. Hier müssen wir analysieren: Wie können wir die Pädagogik verbessern? Das kann aber auch bis zu Fördermaßnahmen für SchülerInnen reichen. Die Kompetenzen schon unterm Schuljahr zu testen wäre auch eine Variante. Da heißt es Hinschauen, analysieren und punktgenau fördern und unterstützen.
![© FM4 / Alex Wagner Bildungsministerin Sonja Hammerschmid](../../v2static/storyimages/site/fm4/20160626/hammerschmid2_body.jpg)
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Eine Lehrerin fragt: „Warum haben LehrerInnen so einen schlechten Ruf in der Gesellschaft?“ was meinen Sie?
Ich finde PädagogInnen haben einen der wichtigsten Jobs in diesem Land, sie haben meine höchste Wertschätzung.
Aber zum schlechten Ruf: Könnte das an der fehlenden Feedbackkultur liegen? Via Whatsapp fragt ein Hörer: Wie kann man die Qualität von LehrerInnen überprüfen? Könnte man nicht den LehrerInnen Noten geben?
(lacht) Feedbackkultur ist immer etwas Positives, jeder kann im eigenen Handeln lernen. Feedbackkultur ist schon etabliert, über die Qualitätsmanagementsysteme an den Schulen.
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Wie sieht das aus, wer gibt da wem Feedback?
Durchaus die Schülerinnen und Schüler dem Lehrer!
Und ist das dann nur für ihn/sie persönlich oder wird das erfasst und man kann feststellen: Aha, in dieser Schule hat beispielsweise der Lehrer für Rechnungswesen durchgehend schlechtes Feedback?
Da bin ich überfragt, aber ich gehe davon aus, dass es in erster Linie ein persönliches Feedback ist. Das ist ja auch ein Datenschutzproblem.
Bleiben wir beim Lehrerbild. Ein Hörer sagt: „In Österreich ist der Lehrer als Sachverständiger definiert. Modernere Lehrerbilder sehen ihn eher als Coach oder Lernbegleiter der Kinder“. Wie sieht Ihrer Meinung nach ein modernes Berufsbild Lehrer/Lehrerin aus?
Das moderne Berufsbild eines Lehrers/ einer Lehrerin ist sicher vielfältig. Die MentorInnenrolle wurde schon angesprochen, das ist sicher ein wesentlicher Punkt. Wir sind immer stärker gefordert, SchülerInnen zur Selbstorganisation zu erziehen, Projektarbeiten zu unterstützen, die die Schüler miteinander machen, wo der Lehrer dann wirklich der Coach und Mentor ist und nicht der Vortragende. Das ist eine andere Art des Lernens und des Lehrens, natürlich in Kombination mit tradierteren Methoden des Unterrichts.
Das gibt es schon oder das soll umgesetzt werden?
Das gibt es schon! Ich hatte das Vergnügen, viele solcher Schulen besuchen zu dürfen. Da habe ich die Begeisterung der PädagogInnen erlebt, so unterrichten zu können – auch sehr stark autonom zu arbeiten. Es ist wirklich schön zu sehen, dass man ohne Weiteres vier Jahrgänge in einem Klassenzimmer unterrichten kann und alle entsprechend ihrer Talente auch noch fördern kann. Und zum Glück gibt es viele solcher Schulen in Österreich.
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FM4 / Alex Wagner
Zum Thema Flüchtlinge in der Schule: Im FM4-Beitrag aus einer Schule, die 15 Flüchtlinge aufgenommen hat, sagte der Direktor dieser Schule: "Konkrete Leitfäden und Programme fehlen" – wird da etwas ausgearbeitet?
Mittlerweile sind über 10.000 LehrerInnen in der Fortbildung gewesen, um insbesondere das Thema Sprache adressieren zu können. Hier müssen wir ganz besonders unterstützen, da geht noch viel, das wissen wir auch.
Wie sehen Sie das ganz allgemein: ist es Aufgabe von Österreich, minderjährige Flüchtlinge mit Bildung zu versorgen? Auch wenn sie vielleicht nur kurz bleiben?
Ich finde es wichtig, dass wir Flüchtlingen den Zugang zum Bildungssystem offen halten und sie auch so gut wie möglich in die Klassen hereinbringen. Jeder brillante Kopf, den wir in Österreich haben, ist ein ganz wichtiger Kopf, egal welcher Herkunft. Wir brauchen Know-How, wir brauchen Kreativität, wir brauchen gute Ideen für unsere Gesellschaft, für die Wirtschaft, für die Herausforderungen vor denen wir stehen.
Wir kann überhaupt Integration in der Schule besser funktionieren? Im Prinzip wird ja ein ganz großer Teil von Integrationsarbeit den LehrerInnen umgehängt – das reicht bis hin zu Sozialarbeit, die sie leisten. Müsste man da nicht viel mehr Geld hineinstecken? Wie könnte man die LehrerInnen besser unterstützen?
Zum einen möchte ich den LehrerInnen danken – sie waren es, die im Herbst letzten Jahres sofort reagiert haben, die Flüchtlingskinder in die Klassenverbände aufgenommen haben und den Kindern Sicherheit, Stabilität und Rahmenbedingungen gegeben haben. Aber keiner in Österreich konnte absehen, welche Völkerwanderung da einsetzt. Natürlich verstehe ich, wenn PädagogInnen sagen, sie sind mit der Situation manchmal überfordert. Darum gibt es ja Integrationsmaßnahmen und Integrationsmittel, wo wir die Zahl der PädagogInnen wirklich erhöhen können, um hier in den Klassen zu unterstützen. Aber auch die LehrerInnen-Fortbildung wird da wichtig sein, um jeden einzelnen Lehrer entsprechend zu schulen, damit er besser mit Diversität und mit Flüchtlingen umgehen kann.
Aber da geht es ja nicht nur um Flüchtlinge, sondern um Integration in einem viel größeren Maß…
Ja das geht breiter, natürlich.
... und sozialarbeiterische Unterstützung, ist das geplant?
Das ist in dem Paket mit drinnen. Es ist sozialarbeiterische Unterstützung drinnen, es sind auch Integrations-PädagogInnen adressiert und multikulturelle Teams. Die sind in diesem Kontext ganz wichtig, weil sie sehr viel Arbeit leisten mit den Eltern. Denn das sind Menschen, die die Sprachen können und sehr viel Übersetzungsarbeit, aber auch interkulturelle Arbeit leisten können, weil sie die Kultur entsprechend besser kennen. Im Zusammenwirken in diesen Teams passiert wirklich viel Tolles.
Frau Bundesministerin, vielen Dank für das Gespräch!