Erstellt am: 8. 5. 2016 - 16:08 Uhr
Ertrinken oder brennen
Wenn sich Radiohead mit den dunklen Themen Paranoia, Schrecken der Technologie, Politik befassen, dann operieren sie gerne mal mit kryptischen Schlagwörtern und Chiffren - auch um Bedeutsamkeit vorzugaukeln und ein Geheimnis zum Leben zu erwecken, über das getuschelt werden kann.
Brand New!
Hilf Radiohead in die FM4 Charts und stimm für "Burn the Witch" ab...
Ihre Angriffsziele sind dabei oft recht deutlich auszumachen. Es muss verstanden werden, was falsch läuft in dieser Welt. Einen so plakativen Slogan wie "Burn the Witch" haben sich Radiohead bislang aber nur selten als Trägermaterial auserwählt - und so soll es sein.
Die Hexenjagd als Sinnbild für die Verfolgung von Unschuldigen, von Sündenböcken ist so lang schon ein überstrapaziertes Wort, dass sich sein Beigeschmack fast schon ins Gegenteil verdreht hat: Spricht heute ein Politiker, dem unehrenhafte Machenschaften nachgesagt werden, von einer vermeintlich gegen ihn geführten Hexenjagd, klingt das mitunter schon wie ein unfreiwilliges Schuldeingeständnis.
No Surprises? Yeah Surprises!
"Burn the Witch" als Vorbote zum neuen Radiohead-Album - das Sonntag um 20 Uhr erscheinen soll...
Radiohead switchen in ihrem Song "Burn the Witch" - jetzt schon ein ewiger Klassiker im Kanon der Band - also die Perspektiven: Thom Yorke singt aus der Sicht einer Autoritätsperson, eines politischen Führers, eines Regierungsapparats, dem die Hexenjagd liebes Mittel ist. Die Nachricht an die Untergebenen, an das Volk, ist klar, manch einer wird es sich in dieser Botschaft auch gerne bequem einrichten: Man möge doch bitte die Augen verschließen, die Vernunft abschalten, locker Tratsch verbreiten, denunzieren und gemeinsam, alle zusammen, doch wirklich unbedingt an ein leicht zu habendes Feindbild glauben.
- Alle Songs zum Sonntag auf FM4
- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.
Es ist eine "low-flying panic attack", wie es im Stück heißt, sie kann alle mühelos erreichen - und der Schlachtruf, der uns eint, der Hass und die Angst werden gleich zu einem Hit in der Jukebox, wie Yorke meint. Jeder darf ihn mitsingen: "Burn the Witch".
Stumpfe Konformität, stumpfe Ideologisierung, Stumpfmachung, Überwachung, ein glückliches Aufgehen in der Herde - der Song verschlüsselt sein Thema kaum, kann sich dabei aber eben auch auf vielerlei unterschiedliche Kontexte, Systeme, Situationen beziehen.
Dazu brummt unwiderstehlich ein Synth-Bass, die Streicher - wohl von Jonny Greenwood in Verbeugung vor Steve Reich und Igor Strawinsky entworfen - werden zum perkussiven Element. Selten waren die Popularisierung und die Cool- und Sexy-Machung von Menschenverachtung, willkommengeheißener Fehlleitung und Boshaftigkeit, von verabscheuungswürdigen Methoden und Motiven ach gar so süß. Wir wissen wo ihr wohnt.