Erstellt am: 2. 4. 2016 - 17:18 Uhr
Berlin nach Ostern
Aus dem Leben der Lo-Fi Boheme
Geschichten aus der deutschen Hauptstadt von Christiane Rösinger
Ostern ist vorbei, die dazugehörigen Ferien sind es auch, und nun sind langsam alle wieder in Berlin eingetrudelt. Während im Süden Deutschlands der Frühling langsam losbricht, zeigt sich in der ehemaligen Mauerstadt bislang nur spärliches Grün und erstes Blassrosa. Aber er wird schon auch noch nach Berlin kommen, der allgemein ersehnte Frühling.
"Was war hier los über Ostern, was hat man verpasst?", fragen sich die Zurückgekommenen.Wie immer nicht viel. In Berlin schaute man auch über Ostern nostalgisch in die Vergangenheit und besorgt in die Zukunft.
Neues gibt es zum Dauerbrenner-Thema "Gentrification". Die berühmte Brache in der Kreuzberger Cuvrystraße, dort wo man einst die erste Favela Berlins besichtigen konnte, wo Obdachlose, Roma-Familien aus Bulgarien, Globetrotter und Aussteiger eine provisorische Siedlung aus Zelten und Bretterbuden gebaut hatten, wird nun vorerst doch nicht gebaut.
Christiane Rösinger
Die Cuvrybrache war über die Jahre zum Symbol für den Kreuzberger Protest gegen Investorenpläne geworden. 2014 wurde die Brache geräumt, das berühmte Wandgemälde vom Künstler selbst geschwärzt. Man hatte sich damit abgefunden, dass auf dem Platz die "Cuvry-Höfe" mit vielen hochpreisigen und mit 25 Prozent Rabatt preiswerten Wohnungen und Geschäften entstehen würde. Dieser Deal ist nun geplatzt und die Zukunft der Brache wieder offen.
Der berühmteste Berliner Gemüseladen Bizim Bakal hingegen öffnete am 31. März zum letzten Mal. Der Betreiber gibt den Laden aus gesundheitlichen Gründen auf - der wochenlang andauernde Protest gegen die Kündigung war aber nicht umsonst. Das ursprüngliche Konzept des Investors ist gescheitert, seine Bauanträge sind abgelehnt worden. Außerdem steht das Haus nun dermaßen im öffentlichen Interesse, dass jede Kleinigkeit sofort in der Presse landet - das veranlasste den Investor nun gemeinsam mit der Nachbarschaftsinitiative ein Konzept zu entwerfen, das "eine Entwicklung des Hauses" ermöglicht. Einen größeren Erfolg konnte die Initiative Bizim Kiez kaum erringen.
Christiane Rösinger
Das sind alles ganz gute Nachrichten. Ein Blick auf die Berliner Schlagzeilen zeigt aber, dass auch über Ostern einiges hier schief gelaufen ist. Die Berliner Wahlen im September müssen verschoben werden, die Wahl-Software funktioniert nicht! Und der Klassiker: Flughafen-Eröffnung BER 2017 ungewiss! Die berühmte Entrauchungsanlage, auch "das Monster" genannt, muss nachgebessert werden, das könnte zu einer Verschiebung der Eröffnung auf 2018 führen. Der Flugbetrieb sollte ursprünglich einmal 2007 starten.
Das sogenannte "politische" Berlin sorgt sich immer noch um den Satire-Streit mit dem türkischen Präsidenten Erdogan. Letzterer hatte sich arg über ein Video der NDR-Satiresendung Extra 3 geärgert - so arg, dass er - ganz beleidigte Leberwurst - den deutschen Botschafter in Ankara einbestellte.
In Deutschland wird inzwischen wird aber längst schon über ein anderes Video diskutiert.
Ist es jetzt gut und selbstironisch, oder doch nationalistisch im Versuch anti-nationalistisch zu sein? Ist es lustig oder peinlich, oder haben die Kritiker einfach den Witz nicht kapiert?
Wir warten weiter auf den Frühling, es geht ja Einiges in Berlin.
Am Dienstag spielt zum Beispiel die einstige New York-Punk -Avantgarde-Band Television in dem schönen alten Konzertsaal in "Der Neuen Welt". Am Mittwoch beginnt das arabische Filmfestival Alfilm - in vier Berliner Kinos präsentiert sich die lebendige arabische Filmkultur. Der Prinzessinnengarten in Kreuzberg eröffnet sein Gartencafé und die Flohmarkt-Saison.
Man kann aber auch einfach zu Hause bleiben und die Anhedonia pflegen. Dieses schöne Wort bezeichnet die Unfähigkeit, Freude zu empfinden, und ist gleichzeitig der Titel eines Filmes, in dem Robert Stadlober und Wieland Schönfelder zwei gemütskranke Dandys spielen. Außerdem gibt es Gastauftritte von Blixa Bargeld und der Stimme Dirk von Lowtzow.