Erstellt am: 23. 2. 2016 - 13:03 Uhr
Süße Pferde und einsame Yetis
Zuerst ist es mir gar nicht aufgefallen. Und das ist gut so. Denn alle hier vorgestellten, neuen Videos aus Österreich bedienen sich bei ihren Texten der deutschen Sprache. Ob das nun ein Anzeichen für den anhaltenden Trend ist oder purer Zufall, spielt dabei keine Rolle. Aber es zeigt, wie vielfältig, gekonnt, witzig und kreativ die gegenwärtige Songschreiberei mit ihrer Muttersprache umgeht.
Viech - "Oh Elise"
Zuerst waren es Zwei, dann Fünf und jetzt sind's Vier. Die Grazer Formation Viech durchlebt gerade einen Besetzungswechsel, der mit dem Ausstieg von Gründungsmitglied Andreas Klinger-Krenn nicht ganz so leicht zu verkraften ist. Aber nachdem sie ihr neues Disco-Rock-Album "Yeah" auf die Bühne gestellt haben, gibt es sowieso kein zurück mehr.
Screenshot
Bleibt nur zu hoffen, dass Andreas sich nicht so einsam fühlt wie der Yeti im neuen Video zur Single "Oh Elise". Der hat nämlich die kalte Nase gestrichen voll vom Alltag in Eis und Schnee. Noch dazu dürfte er gerade eine tierisch harte Trennung zu verdauen haben. Was hilft einem da am Besten über die Verflossene hinweg? Die Musik. Also zieht es das melancholische Zottelmonster mit seinem ästernen Saxophon in die Stadt. Mit großem Aufwand, schönen Kostümen und viel Make-Up haben Viech und Produzent Gerfried Guggi ein bezauberndes und ungemein lustiges Filmchen abgeliefert, das sowohl die irrwitzige, ironische Natur von Viech, als auch deren wärmende Toleranz gegenüber Andersartigen oder Außenseitern transparent macht.
Die Buben im Pelz - "Renn Renn Renn"
Es ist ein wahghalsiges Projekt gewesen, das Velvet Underground-Debüt von 1967 ins Wienerische zu transponieren. Aber die Buben im Pelz haben auf ihrer Platte einfach die Banane durch eine Wurst ersetzt und damit absolut ins Schwarze getroffen.
Nach dem schönen Video zu "Tief Wia A Spiagl" und dem schillernden Kostümfilmchen "Venus im Pelz" lassen uns die Buben nun hautnah an ihrer Releaseshow im Wiener Radiokulturhaus teilhaben. "Renn Renn Renn" besticht durch schöne Detailaufnahmen, dem Spiel mit dem Bühnenlicht und setzt durch die Monatge der Bilder gut den treibenden Rhythmus des Songs um. Und es wäre nicht ein Buben im Pelz-Video, würde man sich nicht gleich zu Beginn mit der leisen Einspielung von "Olle faden Parties" selbst auf die Schaufel nehmen.
Filou - "Sound"
Man muss kein Popprofessor sein um sofort herauszuhören, dass die Wiener Band Filou klingt, als wäre sie in Hamburg auf die Musikschule gegangen. Knisternder, knackender, zackiger Indie-Pop mit schönen Metaphern, bunten Bildern und festen Farben. Hier sitzt jeder Ton, jedes Wort. Kein Wunder, Sänger und Songschreiber Lukas Meschik weiß als Schriftsteller um die Wichtigkeit der Sprache und der Reduktion.
Das kommende Album "Feste Farben", das am 11.3. auf Seayou Records erscheint, begeistert durch einen sehr gut zusammengespielten Bandsound. Klar und transparent, ohne unnötigen Schnörkel oder bemühter Coolness. Anstatt darüber zu debattieren, ob das nun wirklich Blumfeld- oder Tocotronic-nahe ist, schreiben Filou einen Song über ihren Sound, finden ihre eigene Definition und setzen das visuell dem gegenüber, was Freunde und Bekannte daraus oder vielmehr dazu machen. Einfach, aber in Kombination mit dem Song sehr wirklungsvoll.
Julian & der Fux - "Vanille"
Einen guten Schmäh hat das Wiener Produzentenduo Julian & der Fux schon immer gehabt. Auf ihrem letzten Album "Vanille"
geht es ja schlechthin um "... Alles! Es geht um Begierde, Verlangen, um die Sucht nach dem, von dem man nie genug bekommen kann! Die Würze des Lebens!", so die beiden Musiker. Ein großer Auftrag, umgesetzt mit ihrem puderzuckerweichem, soulig-poppigem Housevibe.
Für das Titelstück haben sich die beiden Tierfreunde mit Julian Hruza und Jess Gaspar einen herrlich unaufgeregten Werbetraum in den Alpen ausgedacht. Wärend die Jause am Holztisch mit Blümchen und selbst gebackenem Biobrot zubereitet wird, sind die Vierhufer die eigentlichen Stars des Videos. Das ganze bekommt eine extrem amüsante und sehr coole Stimmung, wenn man sich auf den Text konzentriert. Statt einer platten Umsetzung mit Table-Dancer und stereotypen Wiener Nachtclubszenen lächeln uns hier nicht nur Pferdegebisse entgegen, eingebettet in alpine Landschaft inklusive Sonnenschein und Vanilleeis am Stiel.