Erstellt am: 25. 5. 2015 - 17:31 Uhr
Wurst statt Banane
Sie haben es schon wieder getan. Nach der "wilden" Zeit der Neigungsgruppe Sex Gewalt und gute Laune, mit der sie ja unter anderem internationale Pophymnen auf Wienerisch gecovert haben, melden sich David Pfister und Christian Fuchs jetzt mit einem neuen, sehr ambitionierten Projekt zurück.
Als Die Buben im Pelz schlüpfen sie in die Haut von Lou Reed, John Cale & Co. um sich an das - auf alle Fälle für Christian und David - bedeutendste und wichtigste Album der Popgeschichte heranzumachen. Das Debüt von Velvet Underground & Nico aus dem Jahr 1967. Kann das gut gehen?
Pamela Russmann
Emotionales Covern
Man kennt sie ja sofort, die kleine Glöckchenmelodie der Originalstücks "Sunday Morning" mit der Velvet Underground ihr erstes Album eröffnen. es reichen die paar Töne, um in die ganz eigene Soundwelt der späten Sechzigerjahre einzutauchen. Bei dem Pendant "Sonntag Morgen" erzählt uns Christian Fuchs zu herrlich schleppendem Bass und verhalltem Schlagzeug von einem klassischen Hangover-Moment, egal, ob dem nun eine durchzechte Nacht oder das Ende einer Romanze vorangegangen ist. Vielleicht war es auch der perfekte One-Night-Stand, der unwiderruflich verloren gegangen ist. Die Atmosphäre nimmt einen sofort gefangen und lässt sich augenblicklich ins Hier und Jetzt übertragen.
Gleich vorweg: Genau das ist die Stärke des Albums "Die Buben im Pelz & Freundinnen". Diese Verbindung zu schaffen zwischen der drogigen Kunstszene im New York von Andy Warhol und der Factory und dem heutigen Wien. Und das gelingt den beiden gleich auf mehreren Ebenen.
Konkord Records
Da wäre die exzellente Übersetzung der Stücke ins Wienerische, wobei es, wie David es ausdrückt, um das "emotionale Covern" geht. Denn nichts ist wohl uninteressanter und langweiliger als, wie ein Internetprogramm, die Texte eins zu eins zu übersetzen. Ein gutes halbes Jahr haben David und Christian an der heiklen Entsprechung gearbeitet, die Geschichten und die Stimmung der Velvet Underground-Vergangenheit in die jetzige Realität zu holen. Ein recht eindeutiges Beispiel ist die geglückte Transformation von Lou Reeds Drogenbeschaffungsgeschichte "I'm Waiting For My Man" zu der Wiener Buben im Pelz-Entsprechung "Schwedenplatz". Schreiend werden über wütende Gitarren die twenty-six dollars zu "sechzig Euro" und der white boy zum "Todeshasen", während das Blut als "dicker Brei" in den Adern kocht.
Dass die Buben im Pelz dabei nicht ihr Gefühl verlieren, beweist das Cover der recht traurigen Ballade "I'll Be Your Mirror", die zu einem herzzerreißend schönen Liebesduett mit der großartigen Sängerin Monsterheart wird.
Vom Andy zum Bernd
Ein weiterer Grund dafür, dass dieses verrückte Gesamtkonzept von den Buben im Pelz so überzeugend ist, liegt schlichtweg an der Produktion und der musikalischen Umsetzung. Der Andy Warhol (der ja Velvet Undergrounds Debüt produziert hat) für die Buben im Pelz war Produzent Bernd Heinrauch. In seinem Studio mitten in einem geheimnisvollen steirischen Wäldchen (so stelle ich es mir zumindest vor) hat er mit Christian und David die Übersetzungen zum tonalen Leben erweckt. Nicht ohne, wie es Christian ausdrückt, "dem großen Schnorren", das dann notgedrungen einsetzte.
Instrumentale Unterstützung kam neben Monsterheart dabei von der Noiserockband The Striggles, der Theremin-Künstlerin Dorit Chrysler und Austropop-Legende Boris Bukowski. Ohne Letzterem wäre der wohl am schwierigsten umzusetzende Song "Heroin" nur halb so schön geworden. In der Buben-Version wird dieses weltberühmte, Violin-quietschende Original zu einem gewitzten Industrial-angehauchten Rockmonster, zu einem Zwiegespräch zwischen einem alten Junkie und seinem jüngeren Selbst. Ein grandioser Kunstgriff.
Pamela Russmann
Die Buben im Pelz live:
- 2. Juni im Radiokulturhaus: Große Releaseshow mit allen GastmusikerInnen, die am Album mitgewirkt haben.
Aber die Buben vergrößern sich stetig weiter. Neben der Live-Band, in der Ralph Wakolbinger (Aber das Leben lebt, Mord) trommelt und Multiinstrumentalist Sir Tralala mitwirkt, ist durch das Video zu "Venus Im Pelz" die Familie gleich gehörig gewachsen. "Venus In Furs" hat sich mit den Sado-Maso-Bezügen für die damalige Zeit sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Heute, wo es laut Christian Fuchs bei jedem Baumarkt und Klamottengeschäft schon "Fifty Shades of ... everything" zu kaufen gibt, haben die Buben im Pelz daraus einen leidenden Liebessong gemacht. Jörg Vogeltanz und Klaus Schwarzenberger haben das visuell als Hommage an den amerikanischen Avantgarde-Filmemacher Kenneth Anger umgesetzt, der in den 60ern viele Popkünstler beeinflusst hat. Zu sehen in dem farbenfrohen und doch düsteren Augenschmaus ist unter anderem Burlesque-Tänzerin Kitty Willenbruch.
Bei aller Ernsthaftigkeit und tiefer Verneigung vor dem Original schlägt immer wieder der treffsichere Humor der Buben durch, der weit abseits von böser Ironie oder des sich lustig Machens bewegt. So wird "All Tomorrow's Parties" in die Post-Jahrtausendwende übertragen, damit mit "Olle faden Parties" der eingetretenen Hedonismus-Müdigkeit Rechnung getragen wird.
Was als Idee und sehr herausforderndes Konzept begonnen hat, ist zu einem schillernden, überwältigenden Gesamtkunstwerk geworden, voll tiefgehender Emotionen, soundtechnischer Wärme, charmantem Witz und geschmackvoller Transformation. Ich kann mich an dieser Stelle nur ebenfalls tief verneigen.
Tickets gewinnen!
Für die Releaseshow am 2. Juni mit The Very Pleasure im Wiener Radiokulturhaus haben wir 2 x 2 Tickets verlost unter all jenen, die die Antwort auf folgende Frage gewusst haben:
Wie hieß die Vorgängerband von Velvet Underground, in der Lou Reed und John Cale erstmals zusammentrafen?
Als Antwort haben wir The Primitives bzw. The All-Night Workers gelten lassen. Die GewinnerInnen wurden per Mail verständigt.