Erstellt am: 13. 2. 2016 - 17:46 Uhr
Angela Merkel kann jede Unterstützung brauchen
Aus dem Leben der Lo-Fi Boheme
Geschichten aus der deutschen Hauptstadt von Christiane Rösinger
In Berlin wurde am Donnerstag die 66. Berlinale eröffnet und George Clooney war auch da, schließlich spielt er ja in dem amüsanten Eröffnungsfilm "Hail, Caesar!" der Coen-Brüder mit.
Eine kleine Sensation ist jedoch, dass er sich am Freitag samt seiner Angetrauten, der Menschenrechtsanwältin Amal Alamuddin mit Angela Merkel im Deutschen Kanzleramt getroffen hat. Abends beim Interview auf dem roten Berlinale-Teppich hat er die Bundeskanzlerin vorab schon arg für ihre Flüchtlingspolitik gelobt. "Ich bin absolut einverstanden damit", sagte er und zeigte großen Respekt für Merkel, denn sie müsse eine Menge Probleme bewältigen: Es gebe in Deutschland eine Million Flüchtlinge, das sei eine große Aufgabe. Deshalb wolle er sich mit der Bundeskanzlerin treffen. "Wir wollen sie fragen, was wir tun können." Die USA müssten sich mehr engagieren, forderte er zugleich.
Bundeskanzlerin Merkel hat sich heute mit der international renommierten Menschenrechtsanwältin Amal Clooney getroffen,...
Posted by tagesschau on Freitag, 12. Februar 2016
"Prima", so könnte man denken, "ist das ja mal ein Zeichen für die Dumpfbacken von Pegida und der AfD. Seht ihr! Das passiert, wenn man sich für Flüchtlinge engagiert - George Clooney kommt zum Kaffee vorbei!".
Wahrscheinlicher ist aber, dass Merkel aus dem prominenten Besuch ein Strick gedreht wird. Statt sich um die Probleme im Land zu lösen, sonnt sie sich im Licht der Hollywoodstars, wird es heißen. Es wurde ja auch schon behauptet, sie habe durch das berühmte Flüchtlings-Selfie Millionen von Syrern zur Flucht ermuntert.
APA/AFP/BERND VON JUTRCZENKA
Man muss natürlich schon arg blöd sein, um anzunehmen, das ein Kanzlerinnen-Selfie Menschen dazu bringt, ihr Hab und Gut zu versetzten, alles zurück zu lassen, um sich auf eine lebensgefährliche Reise zu begeben. Aber interessanter als die Gedanken der sogenannten "Asylkritiker" ist doch der Wandel der Person von Angela Merkel.
Der Wandel und die Zustimmung, die die CDU-Politikerin von Leuten erfährt, die nie im Leben CDU gewählt haben. Angela Merkel hat jede Menge neue Fans unter den Linken, Grünen, Anarchos, Hipstern, Antifa-Leuten, Liberalen und Politikverdrossenen gefunden.
Es fing so um den 6. September 2015 an, als sie die Grenzen zu Deutschland für die Geflüchteten, die in Budapest gestrandet waren, öffnete - und anders, als von ihren Parteigenossen erwartet, nicht wieder schloss. Dann kam ihr berühmter Ausspruch bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Werner Fayman. Zur Verteidigung ihrer Linie in der Flüchtlingspolitik sagte sie: "Ich muss ganz ehrlich sagen, wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land."
Danach änderte sie aber ihr Handeln, ließ zu, dass das Asylrecht verschärft wurde - ein Mehr an Freundlichkeit war mit ihrer Partei und den Koalitionspartnern nicht zu machen. Politik eben.
APA/AFP/RONNY HARTMANN
Seit Wochen wird sie nun innenpolitisch von allen Seiten niedergemacht, bekommt Droh- und Brandbriefe von CDU- Abgeordneten, Ministerpräsidenten und Landräten. CSU- Chef Seehofer sprach diese Woche sogar von einem "Unrechtsstaat", den Merkel führe. Aber die deutsche Kanzlerin bleibt fest bei ihrer Haltung, unerschütterlich. Und widerspricht damit auch der verbreiteten Meinung, dass Politiker machtbesessen an ihren Stühlen klebten und für ihre Wiederwahl alles täten. Seit Wochen ist sie im Umfragetief, büßt Monat für Monat Punkte in der Beliebtheitsskala ein. Die CDU wird bei den anstehenden Wahlen wegen Merkels Flüchtlingspolitik einige Prozentpunkte an die rechtspopulistische AfD verlieren.
Sympathien gewinnt sie mit ihrer Politik eher bei Leuten, die sie nie gewählt haben und es auch in Zukunft nicht tun werden. Artikel auf den Meinungsseiten der Zeitungen beginnen immer öfter mit den Zeilen: "Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass ich einmal diese Sätze über Angela Merkel schreibe".
Was die Umfragen und die Zustimmung beim Großteil der Bevölkerung angeht, kann sie nur weiter verlieren - und bleibt trotzdem bei ihrem Nein zu Obergrenzen und dem im Grundgesetz verankerten Recht aus Asyl.
APA/AFP/POOL/BRITTA PEDERSEN
Wie dieses Grundrecht in Deutschland heute schon ausgehöhlt wird, kann jeder erfahren, der sich engagiert, der in den Heimen mithilft, Deutsch unterrichtet oder einfach Kontakt mit Geflüchteten hat. Da gibt es Geschichten von Afghanen, die als Übersetzer für internationale Institutionen gearbeitet haben, nach deren Abzug in Afghanistan als Spione verfolgt werden. Sie verlassen ihr Land in Todesangst und obwohl man ihnen vorher zugesagt hat, ihnen Asyl zu gewähren, lässt man sie im Stich.
Afghanistan soll als sicheres Herkunftsland eingestuft werden, somit haben die Leute hier keine "Bleibeperspektive", nicht einmal einen Anspruch auf Deutschkurse. Man lernt Leute kennen, die hin Deutschland gute Chancen hätten, sich zu integrieren, die die Sprache lernen, denen kirchliche Institutionen eine Ausbildung als Altenpfleger vermitteln wollen (ein absoluter Mangelberuf, nicht nur in Deutschland) und die trotzdem Angst vor der Abschiebung haben, weil sie aus den "sicheren Herkunftsländern" Mali oder Burkina Faso kommen.
Das ist alles schlimm genug, aber ohne eine Politikerin wie Angela Merkel wäre es noch schlimmer. Und deshalb kann sie im Moment jede Unterstützung brauchen, auch aus Hollywood, auch von George Clooney.