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Christian Holzmann

Snap your fingers, snap your neck.

9. 12. 2015 - 14:37

Charmante Satanisten

Die einen lieben sie, die anderen können Ghost gar nichts abgewinnen und selbst Kerry King von Slayer ist im Zwiespalt. Ein Interview mit Ghost im House of Pain am 9.12. ab 22 Uhr.

You can say anything you want
And you can do anything you want to do
If you have ghosts, you have everything
(If You Have Ghosts)

Ghost

Mikael Eriksson

Ghost sind eine jener Bands, an der sich die geneigte Gemeinde nach wie vor zu spalten scheint. Bereits 2010 ließ das aus Schweden stammende Sextett mit dem Debütalbum "Opus Eponymous" aufhorchen. Ein Sänger in Todesmaske und Bischofsrobe mit verkehrten Kreuzen und fünf gesichtslose Musiker in Mönchskutten ließen vermuten, dass da eine Art Black Metal Band in neuer Kostümierung daherkommen würde. Ohne einen Ton gehört zu haben, pendelte die Erwartungshaltung irgendwo zwischen Sunn O))) und Marduk, als Papa Emeritus anlässlich des Debütalbums das Cover des sehr empfehlenswerten Decibel Magazins zierte. Ich sollte völlig falsch liegen, denn was da ertönte, war musikalische wesentlich näher an 70er Jahre Doom-Metal, 80er NWOBHM und Bands wie Blue Öyster Cult, Kiss, ABBA und den Beatles. Von Gorgoroth und anderen Kollegen nicht die geringste Spur.

Ghost - Opus Eponymous

Ghost

Opus Eponymous (2010)

Ich müsste wirklich lügen, würde ich behaupten, dass mich "Opus Eponymous" beim ersten Hören damals so wirklich beeindruckt hatte. So wichtig die New Wave Of British Heavy Metal in den 80ern auch gewesen sein mag, meine Tasse Tee war das zu der Zeit nicht wirklich und ist es auch heute nicht. Trotzdem hat sich meine persönliche Theorie, dass manche Alben bei erstem Nichtgefallen mehrere Hördurchgänge benötigen, im Falle von Ghost absolut bewahrheitet. "Opus Eponymous" fräste sich mir ins Gehör und ich fand immer mehr Gefallen an diesen regelrecht poppigen Melodien mit satanistischen Texten im Kleid des Doom Metal der 70er Jahre.

Zwei weitere Alben ("Infestissumam", "Meliora") sowie zwei Liveauftritte in Österreich (Nova Rock 2011, Szene Wien 2013) haben Ghost seither abgeliefert und an der ausverkauften Arena Wien am 20. November konnte man sehen, dass die Zahl der Gefolgschaft inzwischen erheblich gestiegen ist. Für mich absolut nachvollziehbar, denn das hohe Niveau ihres Debüts konnte die Band bisher mit jedem Album steigern und selten erlebt man bei Konzerten die ganze Halle kollektiv jede Zeile lautstark mitsingen.

Ghost in Wien am 20.11.2015

Katharina Lang

Papa Emeritus I., II. und III.

Sicher ändern sich einige Dinge im Laufe der Jahre. War Papa Emeritus I. vor fünf Jahren auf dem Nova Rock noch sehr schweigsam, ließ sich dessen "Nachfolger" Papa Emeritus II. vor zwei Jahren in der Szene Wien schon zu etwas mehr Kommunikation hinreißen. Papa Emeritus III. ist aber offensichtlich der redseligste aller drei Papas und verstaute ab der Hälfte des Konzerts gar Bischofshut und Robe in den Schrank. Manchen Ghost-Fans der ersten Stunde mag das vielleicht genau so wenig gefallen wie die neuen Masken der Musiker, die ihre Mönchsroben aus der Sunn O))) Kollektion gegen Anzüge und Silbermasken getauscht haben; den Zauber ihrer bisherigen Liveauftritte ließen Ghost auch trotz neuer Kostümierung nicht vermissen. Auch der mittlerweile dritte Sänger, Papa Emeritus III., versteht sein Handwerk. Papa Emeritus II., sein nur drei Monate jüngerer Bruder, war ihm offensichtlich ein guter Lehrmeister.

Ghost auf dem Nova Rock 2011.

Lisa Maria Trauer

Papa Emeritus I. auf dem Nova Rock 2011
Meliora

Ghost

Meliora (2015)

Ein großer Auftritt war das in der Wiener Arena am 20. November. Das sahen nicht alle so, und einige wenige bedachten die ganze Veranstaltung eher mit Kopfschütteln, wie zum Beispiel mein Kollege D., der ansonsten ja mein Metalbruder im Geiste ist. Der kann Ghost rein gar nichts abgewinnen und hält das alles für "zusammengefladerten, ironischen Hipster Metal". Das ist genauso legitim wie die Aussage "Europe auf böse g'schminkt". An meiner großen Hochachtung vor dieser Band ändert das nichts und selbst einer der "Nameless Ghouls", den wir die Ehre hatten für das FM4 House of Pain zu interviewen, hätte damit kein Problem.

Im Interview angesprochen auf die nicht sehr schmeichelhaften Aussagen von Kerry King über die Musik von Ghost meinte der Ghoul ganz nüchtern, dass er die Aussagen des Slayer-Gitarristen für absolut zulässig hält. Er selbst kennt einige Bands, die er zwar persönlich sehr mag, auf deren Musik gebe er aber maximal "a rats ass". Nicht alle müssen ihre Musik mögen und negative Aussagen darüber sehen sie nicht als Beleidigung an.

Papa Emeritus III. von Ghost

Ghost

Papa Mereitus III.

Ja darf man denn das?

In der Kunst ist prinzipiell einmal fast alles erlaubt. Da dürfen auch Nonnen als "Sisters of Sin" auf der Bühne erscheinen und ein etwas anderer Blickwinkel auf die heilige Kommunion geworfen werden ("Body and Blood"). Die Texte von Ghost sind nämlich ganz und gar nicht so zuckersüß wie ihre Melodien und liefern einfach eine andere Perspektive auf jede Art von Religion und/oder Satanismus. Ohne ein einziges Wort im Text zu ändern geben sie gar "Here Comes The Sun" von den Beatles oder "Waiting for the Night" von Depeche Mode eine völlig andere Bedeutung. Mögen weiterhin selbsternannte Metal-Echtheitszertifikatsverleiherinnen und -verleiher nicht müde werden zu verkünden, dass Ghost eh kein Metal wären oder sie gar als eine Art Boy Band (allerhand!) bezeichnen. Mich persönlich stört das ebenso wenig wie augenscheinlich den neben mir im Motörhead T-Shirt mitklatschenden Headbanger und viele andere glücklich mitsingende Damen und Herren.

Ghost und Kathi Lang in der Arena Wien.

Christian Holzmann

Kathi Lang bei ihrer Audienz mit Ghost.

Ghost können mit Kritik an ihrer Musik gut umgehen, wie der Nameless Ghoul im Interview mit Kollegin Kathi Lang bestätigte. Das, sowie deren Gedanken zu den furchtbaren Terroranschlägen in Paris, die zum Zeitpunkt des Interviews gerade einmal eine Woche her waren, sowie ihr Umgang mit dem Verlust ihrer Anonymität bei steigender Popularität und was das alles mit Coldplay zu tun hat, kann man im FM4 House of Pain am Mittwoch, den 9. Dezember ab 22 Uhr hören. Nachhören kann man die Sendung danach für eine Woche unter fm4.orf.at/player.