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Christian Holzmann

Snap your fingers, snap your neck.

22. 6. 2013 - 21:12

Ohrwürmer mit Satanisten-Appeal

Egal, ob Satan nachgeholfen hat oder nicht: Ghost feierten ihre unheilige Messe in der Szene Wien und begeisterten von der ersten bis zur letzten Sekunde.

2011 auf dem Nova Rock konnte ich es schon kaum glauben, dass die schwedische Band Ghost dort auf der kleinsten Bühne auftreten sollte. Dass ich sie schon damals kannte, habe ich dem sehr empfehlenswerten amerikanischen Metal-Magazin Decibel zu verdanken, die deren Albumdebüt "Opus Eponymous" in der Juni-Ausgabe 2011 mit viel Lob bedachten und Ghost sogar auf das Titelblatt brachten.

Zugegebenermaßen erwartet man sich von Ghost ob ihres Outfits und der Songtexte, in denen es sich so gut wie nur um Satanismus dreht, erst einmal eine völlig andere Art von Musik. Black Metal Gekreisch, Blastbeats oder gar Doublekick Gewummer sucht man vergeblich, viel mehr scheint der Ghost-Sound inspiriert von Psychedelic Rock sowie Doom-Metal. Die Refrains würde man zum Teil sogar eher dem Pop zuordnen.

Ghost am 20.6.2013 in der Szene Wien.

Jan Degenhart

Blue Öyster Cult oder die Doors nennen sie selbst als wichtigen Einfluss und nicht von ungefähr nehmen sie auch Coverversionen der Beatles ("Here Comes The Sun"), ABBA ("I'm A Marionette") und Depeche Mode ("Waiting For The Night") auf, stellen diese Songs aber in einen völlig anderen Kontext (nein, mit "Sun" meinen Ghost nicht die Sonne).

In diesem Jahr erschien das zweite Album "Infestissumam" und die Mischung aus Metal/Rock/Pop wurde mit Hilfe des Produzenten Nick Raskulinecz weiter verfeinert. Der Mann war eine hervorragende Wahl, ließ er doch bei seinen Produktionen für u.a. die Deftones und Alice In Chains den Bands deren Identität. Auch bei Ghost schraubte er nicht zu viel herum und wenn, dann an den richtigen Stellen. Das hört man bei "Infestissumam" und diese Perle von Album erschallt fast ohne Pause in meinen heimischen vier Wänden. Auch ließ dieses Album auf eine neuerliche musikalische Audienz hoffen und am 20. Juni 2013 sollte es endlich soweit sein. Auf der Facebook-Seite von Ghost war folgende frohe Botschaft zu lesen:

[MESSAGE FROM THE CLERGY]

We wish to inform you that Thursday nights' show at Scene in Vienna will begin at 20.00.

Es mag vielleicht üblich sein, dass Bands wesentlich später auftreten als angekündigt, im Falle von Ghost wurde ich jedoch nervös. Teils wurde ich von Freunden schief angesehen, da ich schon recht früh vor Ort sein wollte. Keine Sekunde wollte ich von diesem Auftritt versäumen und wenn auch nicht ganz so pünktlich wie angekündigt, betraten um 20.30 Papa Emeritus II (Gesang) und die "Nameless Ghouls" (Schlagzeug, Bass, Git., Git., Kirchenorgel) die in Rauchschwaden gehüllte Bühne. Selbst schuld, wer noch nicht da war.

Eine Messe

Ghost live in der Szene Wien.

Jan Degenhart

Das war eigentlich kein Konzert mehr, es war eine Messe. Ob nun heilig und unheilig spielt keine Rolle, und Ghost zelebrierten regelrecht ihre großartigen Ohrwürmer mit Satanisten-Appeal, die ja Pop-Songs zum Mitsingen und Metal-Hymnen gleichzeitig sind. Letzteres jedoch nicht die Art mit Trinkhorn am Gürtel und Axt in der Hand, viel mehr war es die feine, aber sehr intensive Klinge. Bewegungstechnisch war da alles erlaubt, was man zu Musik anstellen kann. Headbangen, Hippie-Getänzel, mit geschlossenen Augen mitnicken, zu "Secular Haze" fingen ein paar Damen und Herren sogar an Walzer zu tanzen.

Egal, ob Ghost ruhigere Songs wie "Ghuleh / Zombie Queen" und "Body And Blood" spielten oder sie ordentlich in die Saiten griffen wie bei den Headbang-Hymnen "Per Aspera Ad Inferni" und "Con Clavi Con Dio", jeder Song wurde mit dem ersten Ton frenetisch begrüßt, jede Zeile mitgesungen. Absolutes Highlight in der Hinsicht war auch "Body And Blood", wo beim ersten Geigengezupfe der Song sofort erkannt und man das nur noch als kollektives Ausflippen wahrnehmen konnte. Hier waren ausschließlich Fans anwesend, die "ihrer" Band huldigten und keine nervigen Zeitgenossinnen und -genossen, die Coolness durch Herumstehen der Marke "Salzsäule" unter Beweis stellen wollen. Nichts geht über ein Konzert, bei dem man sich unter Gleichgesinnten (nein, nicht im satanistischen Sinne) wähnt und der Auftritt einer Band zu einer großen Feier wird.

Ghost live in der Szene Wien.

Jan Degenhart

"Is it me or is it really so hot in here?"

Diese Begeisterung wussten auch Ghost zu schätzen und nach den tagsüber gemessenen Temperaturen von über 30 Grad war es an diesem Abend entsprechend gut temperiert. "Is it me or is it really so hot in here?", fragte Papa Emeritus II nicht zu Unrecht ins Publikum und wie die Schweden unter ihren Kutten geschwitzt haben müssen, vermag ich mir nicht auszumalen. Von einem 90 Minuten langen Konzert in der zur Sauna mutierten Szene Wien hielt es sie trotzdem nicht ab.

Ghost live in der Szene Wien.

Jan Degenhart

Ghost bescherten mir eines der besten und intensivsten Konzerte, die ich je erleben durfte. Ob sie das mit den satanistischen Texten nun tatsächlich ernst meinen oder nicht, mag man für sich selbst entscheiden, ich halte es für sehr gelungenes Theater. Selbst ohne ihre Maskerade, durch die sie klarerweise viel Aufmerksamkeit bekommen, bleibt immer noch deren großartige Musik, die einen zwischen Psychedelic-Rock, Metal und Pop unweigerlich in den Bann zieht.

In ein paar Jahren werden Ghost vermutlich ziemlich groß sein und dafür müssen sie gar keinen Pakt mit Luzifer eingehen. Sie müssen nur weiterhin so fesselnde Alben produzieren und solch großartige Konzerte geben wie dieses.