Erstellt am: 5. 4. 2015 - 13:16 Uhr
Schattenspiele, Slime und großer Pop
Nach einer kleinen Pause habe ich endlich wieder Zeit mich umzusehen, was am heimischen Musikvideosektor so läuft. Und wie zu erwarten gibt es wieder von jedem Genre ein spitzenmäßiges Filmchen, das Spaß macht und anschaulich zeigt, dass Österreichs Szene voll erblüht, trotz Schneetreiben im April.
Mile Me Deaf - "Digital Memory File"
Für mich ist Wolfgang Möstl ja eine Mischung aus Stephen Malkmus und Beck Hansen. Wären die beiden in der grünen Steiermark aufgewachsen, hätten sie vielleicht zusammen Platten wie die von Mile Me Deaf geschrieben. Schon der Vorbote zu "Eerie Bits of Future Trips", dem neuen Album, das am 24. April auf Siluh Records erscheint, strahlt in voller Indie-Soundpracht. Herrlich angezerrte Gitarrenwände türmen sich über einen verhallten, rollenden Beat. Und der lapidare Gesang von Wolfgang lässt sofort wieder an die 1990er denken.
Das Video zu "Digital Memory File" kommt charmant Lo-Fi um die Ecke. Ausgestattet mit selbigem und einigen Kanten. Ein bisschen Selbstironie, ein bisschen Verstörung und ein bisschen Wahnwitz. Schattenspiele, grüner Schleim, Kiss-Gitarrenposen und Alien-Verschwörungstheorien. Was braucht ein gutes, psychedelisches Indie-Musikvideoherz mehr?
Marta - "Son Of A Gun"
Nach dem dreckigen Rockdebüt "Warships" ist das Duo Marta zum Trio herangewachsen. Neben Paul Plut, dem Mann mit der donnernden Seemannsstimme, und dem unerbittlichen Schlagwerker Günther Paulitsch hat sich Bruder Stephan Paulitsch dazugesellt. Ach ja, Textschreiberin Julia Hager ist auch wieder mit von der Partie. Diesmal geht die Reise nicht in die Kriegsgebiete, sondern in den Weltraum: Auf "Spaceships" tummeln sich Klingonen, John Paul Jones schaut vorbei und man tanzt zu lärmigem Rock'n'Tango.
Die Single "Son Of A Gun" ist mit seinem klassischen Groove, den kecken Gitarrenlinien und dem Lemmy-artigen Gesang der perfekte Soundtrack für ein Wiener Rollerderby. Und da kann's auch ganz schön rau zugehen, wie man hier sehen kann...
Inner Tongue - "Fallen Empire"
Im alltäglichen Leben nehmen wir oft Dinge als ganz selbstverständlich hin. Zum Beispiel, dass wir in der Früh aufwachen, aufstehen können, um uns einen Kaffee zu machen und in die Arbeit gehen. Was aber, wenn uns unser Körper einen Strich durch die Rechnung macht? Wenn man als Sänger zum Beispiel seine Stimme verliert und sich einer Operation unterziehen muss? Das ist dem jungen Wiener Musiker Inner Tongue passiert, der sich dann erst einmal von allem zurückgezogen hat. Auch vom Songschreiben. In seiner Verzweiflung hat ihm das Piano geholfen, sich seinen Ängsten zu stellen. Vielleicht sind die Songs von Inner Tongue deshalb auch so berührend.
Die Single "Fallen Empire" hat alles, was ein guter Elektro-Popsong braucht. Er klingt luftig, ist von melancholischen Melodien durchzogen, er transportiert mit der Stimme große Emotion und ist sowohl clever arrangiert, also auch perfekt produziert. Bei dem wunderschön gefilmten Video zu "Fallen Empire" habe ich irgendwie an The Royal Tenenbaums denken müssen. Vielleicht waren es die schicken Tennisoutfits, oder die Charaktere, die man auf die gefilmten Personen projizieren könnte. Die Tennisplätze bei Alterlaa bieten eine herrliche Kulisse für dieses visuelle Prachtstück, das man sich immer wieder und wieder anschauen kann.
Fijuka - "Cold Brat"
Österreich goes Pop! Nicht nur im Fall von Wandabuch. Das elektronische Frauen-Duo Fijuka kündigt ihr neues Album, das im Herbst erscheinen soll, mit einer ganz großen Popnummer an. "Cold Brat" beginnt mit den für Fijuka bekanntem Soundcharme der 1980er. Aber sobald die Stimme einsetzt, ertappt man sich dabei, an internationale Musikstars zu denken. Verstärkt wird das noch durch den absoluten Ohrwurm-Refrain, der einen schlicht umhaut. Ankathie Koi und Judith Filimónova sind aber auch zwei "Musik-Schlingel" oder brats, wobei "unterkühlt" wirkt hier gar nichts.
Denn das Video von Fijuka hat große Gesten und Emotionen parat. Wobei der Grat zwischen Liebe und Hass hier schon recht schmal ist. In einem leeren, riesigen Schwimmbecken wird gestritten und geküsst, nie over the top und immer geschmackvoll gefilmt. Blicke und Mimiken sagen oft mehr, als tausend Worte.
Die Buben Im Pelz & Monsterheart - "Tiaf Wia A Spiagl"
Eigentlich haben sie es ja bleiben lassen, die beiden FM4ler Christian Fuchs und David Pfister. Zumindest das mit dem Covernummern auf Wienerisch singen. Vor etwas mehr als zwei Jahren hat sich die Neigungsgruppe Sex, Gewalt und gute Laune aufgelöst und die vier Musikanten sind eigene Wege gegangen.
Aber nun präsentieren David und Christian mit Die Buben im Pelz ein neues Projekt, mit dem sie sich das Debütalbum von The Velvet Underground vorgenommen haben. Erneut wird "emotional" gecovert, auf Wienerisch und mit vielen GastmusikerInnen. Neben den beiden Masterminds, die zusammen mit Sir Tralala und Ralph Wakolbinger auch die Live-Band bilden, sind auf dem im Mai erscheinenden Album auch Boris Bukowski und Dorit Chrysler zu hören. Bei der ersten Single "Tiaf Wia A Spiagl" (im Velvet Underground-Original heißt es "I'll be your mirror") ist neben David auch die großartige Monsterheart zu hören. Das recht reduzierte Video lässt viel Platz für dieses berührend schöne Duett, das die Erwartungen für das ganze Buben-Pelz-Album enorm in die Höhe schraubt. Das wird ein großer Spaß und ein ebenso großes Werk.