Erstellt am: 7. 2. 2015 - 13:00 Uhr
Zombieapokalypse, all inclusive
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Es ist eine Postkartenidylle: Die malerisch verfallene Hafenstadt Harran erinnert an den Urlaub am türkischen Mittelmeer und die Abendsonne taucht die Szene in ein warmes Licht. Es könnte so schön sein, gäbe es da nicht ein kleines Problem: Ein aggressiver Virus hat fast alle Einwohner des Städtchens in blutrünstige Zombies verwandelt, die schon tagsüber das Überleben gefährlich machen.
Wenn die Sonne hinter dem Horizont verschwindet, beginnt allerdings erst der richtige Horror, denn dann kommen die wirklichen Monster aus ihren Verstecken. Da trifft es sich gut, dass wir als Spieler oder Spielerin in der Haut eines Parkour-Artisten sind, der akrobatisch von Dach zu Dach hüpfen und in halsbrecherischer Flucht seine Haut retten kann. Willkommen in der Zombie-Apokalypse von “Dying Light”.
City of the Living Dead
“Dying Light” ist der geistige Nachfolger der "Dead Island"-Serie, und wie diese will es vieles - zu vieles - auf einmal sein: Es ist einerseits ein First-Person-Actionkracher, in dem wir rasant flüchten oder im Nahkampf gegen Zombies kämpfen, bietet andererseits aber auch einiges, was aus Open-World-Rollenspielen oder Action-Vergnügungsparks wie jenen der "Far Cry"-Serie bekannt ist.
Als in die infizierte Stadt eingeschleuster Einzelkämpfer erledigen wir im Lauf der Kampagne unzählige Missionen für die belagerten Überlebenden, sammeln und bauen verschiedene Gegenstände und können unsere Fähigkeiten Schritt für Schritt ausbauen. Die frei begehbare Stadt ist dabei eine beeindruckende Kulisse, die mit Anbruch der Nacht erst so richtig furchterregend wird. Die Atmosphäre wird dabei auch von einem großartigen Soundtrack unterstützt, der Freunde des Zombiefilms an die Klassiker der 70er-Jahre erinnern wird.
Techland
Alles für alle
Im Gegensatz zum eher brachialen, auf Dauer repetitiven Nahkampf ist die akrobatische Bewegungsfreiheit im Parkour-Stil ein Highlight: Im Laufschritt überwinden wir akrobatisch jedes Hindernis und können auch höchste Türme erklettern - und nicht nur die Kletterausflüge auf Funktürme sind ein überdeutliches Zeichen dafür, dass sich der Entwickler Techland auch andernorts auf die aus zu vielen Ubisoft-Serien wie "Far Cry" oder "Assassin's Creed" bekannte Gameplay-Trickkiste gestützt hat.
Eine offene Welt, in der die Minimap brav unzählige Beschäftigungsangebote auflistet, freischaltbare Skill-Trees, gewohnt mühselig zu bedienendes Crafting und eine geisttötende Abfolge von Kuriermissionen lassen uns keinen Moment darauf vergessen, dass AAA-Titel heutzutage von Komitees von Marketingexperten so lange mit Must-have-Elementen vollgestopft werden, bis theoretisch auch der letzte potenzielle Käufer angesprochen wird. Dabei bemüht sich "Dying Light" so angestrengt, möglichst alles für alle zu bieten, dass die tatsächlichen Stärken des Spiels vor lauter Kleinkram beinahe untergehen.
Techland
Was fehlt: Mut zur Reduktion
In Kombination mit seiner klischeebeladenen Story und irritierenden Gameplay-Details wie etwa jenem, dass auch massivste Schraubenschlüssel als Schlagwaffen nach wenigen Hieben in unseren Händen zerbröseln oder schlicht durch stolzes Ausstellen seines Rollenspiel-Tabellengerüsts, verschenkt das Spiel durch diese All-inclusive-Philosophie viel von seiner gelungenen Atmosphäre. Denn am besten ist “Dying Light” in den Momenten, in denen es gar nichts von seinen Spielern will und uns einfach in seiner Welt rasant von Dach zu Dach springen und das untote Leben als Zeuge miterleben lässt.
Techland
"Dying Light" ist für Windows, Linux, PS4 und XBox One erschienen.
Schade, dass uns das Spiel dabei so oft in die Quere kommt, diese Freiheit auszuleben. Viel zu lange reden farblose NPCs auf uns ein, viel zu oft sind wir in fantasielosen Kuriermissionen von A nach B unterwegs und immer wieder reißt uns die Notwendigkeit, im umständlichen Skill- oder Craftingmenü herumzufummeln, aus der Zombieapokalypse heraus. Daran ändern auch zwei Multiplayer-Modi wenig, die sich eher verkrampft in die Single-Player-Kampagne eingliedern wollen. Umso erfreulicher, dass der Entwickler die Fans letzten Meldungen zufolge nun doch nicht daran hindern will, aus dem vielversprechenden Unterbau per Modding etwas Eigenes zu basteln.
Man darf das Beste hoffen, denn "Dying Light" hätte mit etwas mehr Mut zur Reduktion auf seine zweifellos vorhandenen Stärken immer noch das Zeug, ein großartiges Spiel zu sein. So wie es jetzt ist, will es allerdings zu viel - und bleibt mit seinem Rucksack voller Ballast hinter seinen Möglichkeiten zurück.