Erstellt am: 7. 12. 2014 - 13:24 Uhr
Mit Raketenwerfer am Dach der Welt
Ubisoft
Es ist ein kleiner oder sogar größerer Gag, dass als Opener von "Far Cry 4" ausgerechnet "Should I Stay Or Should I Go" von The Clash ertönt. Die Punk-Hymne wirkt besonders dann als subversive Pointe, wenn man ein bereits früh entdecktes Easter Egg kennt, das das gesamte Spiel auf diese eine Frage herunterbricht und somit ins Absurde zieht: Verlässt der Spieler nämlich ganz zu Beginn nicht die Villa des Oberbösewichts Pagan Min, sondern wartet wie aufgefordert einfach ein paar Minuten auf dessen Rückkehr, bringt einen dieser daraufhin direkt zu jenem Tempel, wo wir ganz unspektakulär das eigentliche Spielziel erreichen, nämlich die Urne unserer Mutter beizusetzen.
Game over - you win.
Es gäbe wohl also keinen Grund für die gesamte, sich im Normalfall entwickelnde Spielhandlung, wenn wir nur bleiben würden statt rauszustürmen - so hatten sich The Clash das wohl nicht gedacht. Dass daraus nichts wird, ist ehernes Gesetz des Gamings: Wir müssen doch was tun - noch dazu wenn die Umgebung so mit ihren Reizen lockt.
Majestätische Achttausender rundherum, ein sprudelnder Bergbach, kleine buddhistische Tempel mit Gebetsfahnen, und am Himmel kreist ein einsamer Adler: Auf den ersten Blick ist das fiktive Ländchen Kyrat im Himalayagebiet so etwas wie die Postkartenvision eines exotischen Urlaubslandes auf dem Dach der Welt. "Far Cry 4" versetzt seine Spielerinnen und Spieler wie immer in eine atemberaubend schöne, riesige, offene Welt, in der sie sich frei bewegen können.
Ubisoft
If I go there will be trouble ...
Es wird - natürlich - viel geschossen in Kyrat, denn ein friedlicher Urlaub ist keine Option mehr, sobald wir ganz am Anfang unsere "Entscheidung", doch nicht zu bleiben, getroffen haben. Gleich nach der Ankunft schlittert man zwischen die Fronten eines schwelenden Bürgerkriegs - bis auf Schlagworte und Plattitüden erfährt man allerdings nur wenig von dessen Hintergründen. Auf Seiten der Revolutionäre kämpft man gegen die Regierungstruppen des schrillen Diktators Pagan Min und erforscht im Lauf der Handlung zu Fuß und auf allerhand Gefährten und Reittieren den Bergstaat. Die Story spielt aber trotz charismatischem Bösewicht nur die zweite Geige in "Far Cry 4". Denn eigentlich ist das atemberaubend schöne Kyrat ein riesiger Vergnügungspark für Adrenalinjunkies, in dem sich Spielerinnen und Spieler nach Belieben austoben können.
Wie der von mir deswegen vor zwei Jahren durchaus streng mit ADHS diagnostizierte Vorgänger bietet auch Teil vier der Reihe ein beinahe überwältigendes Beschäftigungsangebot - die Satire "Ubisoft: The Game" trifft das langsam in die Jahre kommende Patentrezept des Publishers ganz gut. Das Freischalten der Karte, die Eroberung feindlicher Camps, das Sammeln von Pflanzen, die Jagd auf Tiere, Multiplayer-Elemente und eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten lassen auch "Far Cry 4" zum All-inclusive-Angebot für Action-Spieler werden, bei dem Story und Atmosphäre schon mal dem überbordenden Animationsprogramm zum Opfer fallen.
Der Vorteil diesmal: "Far Cry 4" will im Gegensatz zum Vorgänger kein düsterer Thriller mehr sein und ist sich - meistens - dessen bewusst, dass es als Open-World-Vergnügungspark dann am besten ist, wenn es seine Spieler alles Mögliche anstellen lässt. Alleine deshalb - und wegen des unverbrauchten Szenarios - ist Teil vier das gelungenere Spiel.
Ubisoft
... and if I stay it will be double
"Far Cry 4" ist für PC, Xbox 360 und One sowie PS3 und PS4 erschienen.
"Far Cry 4" ist ein mehr als solider Open-World-Shooter in atemberaubender Kulisse, der Spielerinnen und Spielern viel Freiheit lässt und - bei leichten Ermüdungserscheinungen des Open-World-Genres allgemein - fast ein Übermaß an Animationsprogramm anbietet. Wer auf besonderen Tiefgang verzichten kann und sich als Abenteuertourist in der wunderschön gestalteten Himalaya-Welt mit all ihren Handlungsfreiräumen verlieren möchte, wird auf dem zum Vorgänger unwesentlich weiterentwickelten Shooter-Spielplatz von "FarCry 4" seinen Spaß haben.
Für den unvermeidlichen Teil fünf hoffe ich aber auf eine Runderneuerung der Rezeptur. Denn so schön, so groß und so bunt der Abenteuerspielplatz auch diesmal wieder ist: Irgendwann stellt sich wohl jeder Spieler dieselbe Frage wie The Clash.