Erstellt am: 17. 1. 2015 - 12:35 Uhr
"Das Kino! Das Kunst!"
Aus dem Leben der Lo-Fi Boheme
Geschichten aus der deutschen Hauptstadt von Christiane Rösinger
Die Hauptfigur des Films "Ich will mich nicht künstlich aufregen", Asta Andersen, ist Kuratorin für zeitgenössische Kunst und hat es schon nach wenigen Filmminuten geschafft, alle Vorbehalte gegen ihre Szene und das Kunstumfeld zu bestätigen. Da es sich um einen essayistischen Film handelt, ist auch die Handlung eher zweitrangig:
Asta bereitet gerade ihr neues Ausstellungsprojekt vor, einen Film mit dem Titel: "Das Kino! Das Kunst!", der den Zusammenhang von Kino, Kunst und Politik thematisiert. Als sie in einem Radio-Interview unbequeme Wahrheiten über die Bedingungen ausspricht, unter denen Kunst produziert wird, diskreditiert sie sich damit bei ihren Geldgebern und fällt bei der allmächtigen Kulturverwaltung in Ungnade - kurzerhand werden alle finanziellen Mittel gestrichen. Asta Andersen aber bleibt verbissen bei der Sache und kommt am Ende doch zu ihrem Geld und einem Posten im Kulturbetrieb.
Wer der Ankündigung glaubt, "Ich will mich nicht künstlich aufregen" sei ein "vergnüglicher Film über Lebensentwürfe im Berliner Kulturprekariat, ein Porträt über die Kulturbranche in Deutschland", wird schwer enttäuscht und dabei gleichzeitig über- und unterfordert. Aber zurück zur Handlung:
Das Leben einer Kuratorin ist nicht einfach, das sieht man schon in einer der ersten Einstellungen: Man muss viel lesen, sehr viel.
Viele bunte Suhrkamp-Bändchen säumen den Schreibtisch der Kuratorin, auf der Platte stapeln sich weitere Insignien kultureller Distinktion: Die relevanten Kracauer-, Benjamin-, Adorno-, Horkheimer-, Deleuze-, Luhmann-Bände - aber auch die Zeitschrift "Frauen und Film", das Zeit-Magazin und alle mögliche Filmtheorie.
Asta Andersen ist der Prototyp des eloquent-kultivierten Mädchens aus gutem Hause, sehr groß, sehr schlank, perfekt frisiert im lachsfarbenen Kleid zum rotblonden Haar. Sie bewegt sich hoheitsvoll durch das windige Pappdekor des Films, trägt minimalistische, unendlich geschmackvolle Designerkleider, wenn sie nicht in Modelposen vor grellbunten Stellwänden sitzt und diskutiert. Asta kennt alle Selbstvermarktungstricks der Kulturszene und das Wichtigste: Sie beherrscht den Sprachduktus der Szene, den Werner Herzog einmal verächtlich "art speak" nannte: Eine theoretisch überfrachtete, referenzsüchtige Sprache, ein überzüchteter Meta-Diskurs, der doch immer nur sagt: "Hört, was ich alles gelesen hab!"
Amerikafilm / Sarah Bohn
Da der Film unter anderem auch die Form des post-dramatischen Theaters gewählt hat, werden ununterbrochen hochkomplexe Texte vorgelesen. Das anti-naturalistische Spiel verlangt dabei ein möglichst emotionsloses Vorlesen, während sich die Schauspieler in alberne Posen werfen. Zur weiteren Verfremdung spielen auch Schauspieler mit Down-Syndrom, Mitglieder des Integrationstheaters Ramba Zamba mit, deren holpriges Vorlesen auch bestimmt etwas zu bedeuten hat.
Rasend vorgetragene Theorie-Ellipsen kennt man in Berlin aus der Volksbühne, vom Theater des Rene Pollesch, aber während Polleschs diskursives Boulevardtheater unglaublich unterhaltsam sein kann, nervt und langweilt das ständige Theorie-Gepose im Film schnell.
Amüsant sind nur wenige Stellen, wenn man in den Worthülsensalven an so geheimnisvollen Begriffen wie "Exzellenzcluster normative Kühe" oder "Rückverzauberung" hängenbleibt. Dieser Geheimsprache, die letztendlich ja zum Zwecke der Exklusion entwickelt wurde, sind im Film aber tatsächlich alle mächtig. Die Künstlerfreunde der Kuratorin sind allesamt Nachwuchstheoretiker, auch die Mitarbeiter der Kulturstiftung und die herumlungernden deutsch-türkischen Street-Art-Künstler aus der Nachbarschaft schwadronieren beflissen im Kulturbetriebsjargon über ihre Produktionsbedingungen. Der freundliche Umgang mit der echten Unterschicht und sozialen Bewegungen gehört nämlich zum guten Ton im Kunstbetrieb, deshalb auch die völlig unvermittelten Schnitte auf die Hütten der Mieterprotestler am Kotti.
"Ich will mich nicht künstlich aufregen" ist ein Abschlussfilm der DFFB (Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin). Regisseur Maximilian Linz versucht darin so etwas wie die Wiederbelebung des politischen Kinos, wie man es beispielsweise von Jean-Luc Godard oder hierzulande Alexander Kluge kennt. Die Verwandtschaft mit den politisch ambitionierten Essayfilmen Godards zeigt sich bereits in der formalen Gestaltung und der ausgeklügelten Farbdramaturgie, die aus der höchst unsympathischen Hauptfigur Asta eine wandelnde Designerboutique macht.
Amerikafilm / Sarah Bohn
Alexander Kluge wiederum wird durch einen sehr gelungenen Auftritt der Veteranin des deutschen Autorenfilms, Hannelore Hoger, zitiert.
Fassbinder und seine berühmte Fernsehserie "Acht Stunden sind kein Tag" werden als Sternstunde der deutschen Fernsehunterhaltung besprochen, verwurstet werden aber auch sämtliche halbwegs aktuellen Themen wie Krieg, Curatorial Studies, Postcolonial Studies, Comedy Central, Seinfeld, Urban Gardening, Brecht-Yoga, Joachim Gauck, Recht auf Kotti, Recht auf Stadt.
"Ich will mich nicht künstlich aufregen" ist angelegt als Reflexion über den Kulturbetrieb und die Förderungspraxis, die genau diese Art von kritischen Filmen nahezu zum Aussterben gebracht haben.
Aber weil der Film nicht so recht weiß, wo er steht, weiß es der Zuschauer am Ende auch nicht und geht etwas genervt und ratlos mit der Frage "Ist es eine reine Karikatur oder nur ein weiterer Theoriestreberfilm aus dem Kunstumfeld?" aus dem Kino.
In einer der letzten Szenen sieht man Kuratorin Asta, der "Eigentumswohnung mit Dachterrasse" doch förmlich ins blasierte Gesicht geschrieben steht, auf der Lärmdemo gegen Verdrängung, sinkende Löhne und Rassismus mitlaufen, ein Statement für die Rückbindung (oder das Anbiedern) an eine reale soziale Bewegung. Dass Asta und ihre Künstlerfreunde an der Verdrängung der Mieter vom Kottbusser Tor ursächlich beteiligt sind, spart der Film bei aller Theoriefreudigkeit und Diskursbesessenheit aus.