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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

26. 12. 2014 - 16:06

Wer ist denn diese Pegida, über die alle schreiben?

Wie die Pegida-Bewegung mit Fremdenhass das christliche Abendland vor dem Untergang bewahren will.

Aus dem Leben der Lo-Fi Boheme

Geschichten aus der deutschen Hauptstadt von Christiane Rösinger


PEGIDA - Hauptsache Hass
Islamhass und Islamophobie sind in der Mitte angekommen. Und eine Partei gibt die deutsche FPÖ (Sammy Khamis).

Wenn man im Dezember verreist und erst kurz vor den Feiertagen wieder nach Berlin kommt, bleibt nicht nur das berühmte Vorweihnachts- und Weihnachtsgefühl aus, man versteht auch die Nachrichten nicht mehr. "Was ist während der zwei Wochen hier passiert - wer ist denn diese Pegida, über die alle schreiben?" fragt sich die Heimgekehrte naiv.

Es gibt ja in Berlin und Ostdeutschland ständig irgendwelche Montagsdemonstrationen, die sich alle auf 1989 berufen und den Slogan "Wir sind das Volk" benutzen. Zuerst waren es soziale Bewegungen gegen die Hartz 4-Gesetze, dann trugen immer Montags die seltsamen Reichsbürger, die vom "Friedenswinter", und ein verstrahlter Xavier Naidoo ihre Verschwörungstheorien vor.
Aber Pegida? Vielleicht ein Ableger von Hogesa (Hooligans gegen Salafisten), radikalisierte Hools die einen neuen Grund zum Prügeln suchen? Und warum klingen die neuen Bewegungen alle wie Versicherungen?

Um Hogesa ist es wieder stiller geworden, um Pegida aus Dresden, das Bündnis "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" leider nicht.

Bei Pegida geht es um nichts weniger als den bevorstehenden Untergang des christlichen Abendlandes. Diese Dresdner, die angeblich aus der Mitte der Gesellschaft kommen, sind einer Massenhalluzination eines irrealen Bedrohungsszenarios erlegen:
"In zwanzig Jahren wird Weihnachen verboten werden und die Scharia hat das Grundgesetz ersetzt, Mädchen und Frauen müssen Burka tragen. Weite Teile der Bevölkerung sind verelendet, Deutsche am Aussterben, während Flüchtlinge und kriminelle Ausländer in Saus und Braus leben. In Köln hört man nicht mehr die Glocken des Kölner Doms, sondern der Muezzin ruft vom Minarett herab, die Ausländer haben uns endgültig überrannt. "

Halbmondförmige Kekse

Gebrüder Moped

Mit diesen Wahnvorstellungen hatte Pegida am letzten Montag in Dresden mehr als 17.000 Menschen mobilisiert. Redner hetzten gegen Ausländer und Flüchtlinge, dann wurden Weihnachtslieder gegen die Islamisierung gesungen.
Der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst kritisierte, wer unter dem Vorwand, das christliche Abendland vor Überfremdung bewahren zu wollen, Flüchtlingen die Hilfe verwehre, der verrate ebenjene christlichen Werte. Und: Wer Weihnachtslieder singe, müsse auch deren Sinn erfassen - nämlich "dass Gott mit den Notleidenden und Heimatlosen ist".
Es ist aber anzunehmen, das nicht allzu viele Christen unter den Pegida-Demonstranten sind, Religion spielt in den neuen Bundesländern keine große Rolle. Auch ist der Ausländeranteil im Bundesland Sachsen mit 2,1 % einer der Niedrigsten der ganzen BRD (Im Vergleich: Berlin 27,8 %, Kreuzberg sogar 33,4 %).
Der Anteil der Muslime in Sachsen liegt laut einer Mitteilung des Landesinnenministeriums von 2010 bei weniger als 0,1 Prozent und dürfte sich seither auch nicht nennenswert geändert haben. Aber so wenig es jüdisches Leben für einen Antisemitismus braucht, so wenig braucht es Muslime für Ressentiments gegen Muslime.

Die Pegida-Bewegung gab sich zunächst bürgerlich. Ihr Anführer und Versammlungsleiter Lutz Bachmann allerdings soll, laut Recherchen von "Bild" und "Sächsischer Zeitung" mehrfach vorbestraft, zur Zeit noch auf Bewährung und dem Rotlichtmilieu verbunden sein. Die Pegida-Bewegung lehnt jede Debatte ab, man gibt keine Interviews und geht nicht zu Talkshows. Schließlich ist neben der vermeintlichen Islamisierung und den gleichgeschalteten "Systemparteien" die "Lügenpresse" das wichtigste identitätsstiftende Feindbild der Bewegung.

Inzwischen gibt es auch ähnliche Gründungen in anderen Städten, etwa Wügida in Würzburg, Bogida in Bonn oder Kagida in Kassel. Die Ableger sind im Vergleich zu Pegida Dresden aber bedeutungslos. In Berlin ist Pegida erfreulicherweise besonders erfolglos: 5 Demonstranten trafen sich am Brandenburger Tor und bei Mügida in München fanden sich 50 Teilnehmer und 12.000 Gegendemonstranten ein.

Das einzig Gute an dieser peinlichen Bewegung ist: Fast alle stellen sich gegen sie. Zwar wird in manchen Parteien diskutiert, dass man die Ängste der Menschen "ernst nehmen" müsse, und rechte Parteien wie die AFD sehen natürlich Gemeinsamkeiten.

Die Kanzlerin aber warnte vor Pegida und in der SPD hat man "kein Verständnis für Leute, die auf die Straße gehen, um ihre Ressentiments auszuleben". Schauspieler Matthias Schweighöfer wünschte sich "Weihnachten ohne Pegida", der Weihnachtsgruß der Bürgerrechtler von 1989 lautet: "Jesus hätte gekotzt, hätte er euch getroffen".
Und bei der letzten Pegida-Kundgebung vor der Semper- Oper erschien am Haus eine Lichtinstallation als Anti- Grußadresse: "Dresden für alle! Flüchtlinge Willkommen!"

Die deutsche Wirtschaft sagt: "Wir brauchen Einwanderer" und die Kirchen gehen noch weiter: "Gerade Menschen auf der Flucht haben bei Gott einen unzerstörbaren Wert, haben Würde, lange bevor sie auch nur einen Cent zur Steigerung des Bruttosozialproduktes beigetragen haben", sagte der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski. Der Ratspräsident forderte eine Asylpolitik in Europa, die sicherstelle, "dass kein Mensch mehr im Mittelmeer ertrinken muss."

Die deutschen Bischöfe verkünden: "Auch Jesus war ein Flüchtling. Öffnen Sie Ihr Herz". Für die Kirche ist die Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten der Beweis dafür, "dass Gott bei all denen ist, die auf dieser Welt kein Zuhause mehr haben".

Und auch für die weniger Gläubigen bekommt die alte Weihnachtsgeschichte 2014 einen neuen Sinn: Bei der Weihnachtskrippe wären ohne Araber, Juden und Flüchtlinge nur Ochs und Esel übrig.