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Sammy Khamis

Are you serious...

14. 12. 2014 - 16:42

PEGIDA - Hauptsache Hass

Seit neun Wochen marschieren Islamgegner durch Deutschland und vor allem durch das Internet. Islamhass und Islamophobie sind in der Mitte angekommen. Und eine Partei gibt die deutsche FPÖ.

Deutschland hat ein ernsthaftes Problem mit Rechts. Wobei - es ist nicht nur ein Problem, es sind viele. Da sind zuerst die sogenannten "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes", kurz PEGIDA, die durch deutsche Innenstädte ziehen. Dann sind da die "Hooligans gegen Salafisten", kurz HoGeSa, die gemeinsam mit Neonazis in Köln und Hannover ihren Hass herausgebrüllt haben.

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Die Verbindungen neuer Gruppierungen zu rechtsradikalen Netzen habe ich für den Zündfunk schon mal aufgeschrieben:

Wer zum Lesen zu faul ist, kann hier nachhören.

Dann sind da die Brandanschläge auf noch nicht bewohnte Flüchtlingsunterkünfte im Raum Nürnberg in der letzten Woche, die andauernden Schmierereien an Moscheen, der Angriff auf ein Ehepaar in München, das rassistisch beleidigt und dann verprügelt wurde. Und natürlich ist da der NSU und die knapp 200 Todesopfer rechter Gewalt seit 1990 am ersten Dezember-Wochenende.

Aber der Reihe nach: Was ist PEGIDA, wer macht das, wer geht bei ihnen mit, und wie kommen sie auf fast 50.000 Facebook-Fans?

PEGIDA-Aufmarsch

APA/EPA/MATTHIAS HIEKEL

PEGIDA, HoGeSa - Namen wie Hashtags, Hass für die Mitte

PEGIDA - Die "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" haben sich Anfang Oktober in Dresden zu ihrem ersten Spaziergang getroffen. Erst waren es wenige Hundert. Mit der HoGeSa-Demonstration bzw. ihrer Randale in Köln (und dem vorweihnachtlichen Slogan: "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!") hat sich ein gemeinsamer Demonstrations-Pendelverkehr entwickelt. Hooligans und Neonazis, die bei HoGeSa Seit-an-Seit getrunken und gegrölt haben, fahren seitdem montags nach Dresden, treffen sich dort mit sogenannten "besorgten Bürgern" und marschieren mit einer Stärke von 10.000 Mann und Frau (völkisch: Weib) durch die Innenstadt.

Den klügsten Text zu den Online-Auftritten hat Patrick Gensing für die Publikative.org geschrieben: "Wenn Untertanen aufmüpfig werden"

Kopf der Bewegung ist Lutz Bachmann. Vorbestraft wegen Drogenhandels und Vaterlandsflüchtling (um sich seiner Haft zu entziehen, floh er nach Südafrika). Heute macht Bachmann Flyer für Hells Angels-Stripclubs oder Flate-Rate-Bordellbesuche ("Abfuck-Prämie"). Auf die Straße gebracht haben Bachmann die Auseinandersetzungen von Islamisten und Kurden in deutschen Städten im Spätsommer. Seitdem folgen Bachmann Zehntausende on- wie offline. Patrick Gensing schreibt zum Online-Auftritt der PEGIDA et. al.:

"Unter dem Deckmantel 'man wird ja nochmal sagen dürfen, dass…' wird mittlerweile massenhaft der größte Stuss verbreitet; die Irrationalität lässt sich durch rationale Argumente kaum besiegen."

Facebook-Diskussion zu PEGIDA

Facebook

Mittlerweile gelöschter Screenshot von der Seite "Bayern gegen die Islamisierung des Abendlandes"

Islamhass als Franchisemodell

Nach den Erfolgen in Dresden ist PEGIDA zu einem Franchise-Erfolg in ganz Deutschland geworden. Es gibt die Duegida in Düsseldorf, KAGIDA in Köln, die BAGIDA in Bayern die OGIDA in Ostfriesland etc. Aber nur in Dresden schaffen es wöchentlich Tausende, gegen die angebliche Islamisierung auf die Straße zu gehen. Angebliche Islamisierung unter anderem deswegen:

Die PEGIDA selbst distanziert sich in einem Positionspapier natürlich von jedem pauschalen Islamhass. Die Bewegung PEGIDA und ihre historischen Vorläufer wie HoGeSa oder die German Defence League aber sieht Simone Rafael vom Netz gegen Nazis in der Tradition der Kreuzritter. Ein Umfeld, aus dem auch der Rechtsterrorist und Massenmörder Anders Breivik kommt. PEGIDA ist der bürgerliche Ableger dieser Bewegung. Der SPD-Innenminister von Nordrhein-Westfalen nennt die PEGIDA deshalb auch "Neonazis in Nadelstreifen". Bürgerlicher Hass im Pullunder also.

Die Frage ist: Was hat das nun mit Österreich zu tun? Zum einen gibt es seit dem 13. Dezember auch einen Wiener Ableger der Bewegung, der ebenfalls Aufmärsche plant. Zum anderen hat die FPÖ die bürgerliche Ausländerfeindlichkeit im deutschsprachigen Raum in die Parlamente getragen und damit hoffähig gemacht. Eine solche Partei und auch so platte Sprüche ("Daham statt Islam" etc.) gab es im politischen Establishment oder auch in deutschen Parlamenten selten. Die einzige Ausnahme: Die rechtsradikale NPD und auf kommunaler Ebene, bspw. in München, Parteien wie Die Freiheit ("Maria statt Scharia") oder die Bürgerinitiative Ausländerstopp (geführt von NPD-Vorständen). Sie haben - nicht zu Unrecht - ein Schmuddel-Image. Und sie schmiegen sich an die PEGIDA- und HoGeSa-Bewegungen an (beide Parteichefs waren auf der HoGeSa-Veranstaltung in Hannover). Dazu kommt noch: Eigentlich rufen nur NPD-Mitglieder zu den Demonstrationen gegen die Islamisierung auf.

Sammy Khamis

Aber eben nur eigentlich: denn zum einen drücken auch die etablierten Volksparteien CDU und CSU konservative Traditionsknöpfe. Und zum anderen hat nun auch Deutschland hat nun seine eigene FPÖ, die sogenannte Alternative für Deutschland.

Im christlich-politischen Lager Deutschlands (CDU/CSU) bezieht man kaum Stellung gegen die Bewegung. Der CDU-Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern meint: "Wir müssen uns mit den Bürgern und ihren Sorgen auseinandersetzen. Weder für noch gegen diese Demonstrationen aufzurufen halte ich für besonders hilfreich."

Es ist eine Art Reflex bei den christlichen Parteien in Deutschland, rechte Tendenzen kleinzureden bzw. eingemeinden zu wollen. Grund dafür ist der bayerische Übervater der Konservativen, Franz Josef Strauß. Der hatte in den 1980er Jahren wiederholt gepoltert (und gedroht): "Rechts von uns [der CSU] ist nur noch die Wand." Heißt: Jede Partei, die sich erdreistet, noch rechter zu sein als die Gralshüter des abendländischen Konservatismus, wird von der CSU geschluckt oder verdrängt.

Jetzt war 2014 kein gutes Jahr für die Fans und Erben von Franz Josef Strauß. Die Querfront um die Montagsmahnwachen konnte man noch ignorieren. Bei HoGeSa und PEGIDA (immerhin sind die ja für das Abendland) wird es allein deshalb schwieriger, weil die Alternative für Deutschland (AfD) der neue Ort des strikt konservativen und libertären Herum-Populisierens ist. So sehen CDU/ CSU ihr konservatives Werte- und Weltbild ernsthaft in Gefahr. Doch anstatt gegen neue rechte Strömungen zu argumentieren, rückt man den Stuhl noch ein Stückerl weiter nach rechts, gleich durch die Wand des politisch Ertragbaren durch - mit abstrusen Äußerungen wie der von Andreas Scheuer, seines Zeichens CSU-Generalsekretär: Er forderte (mittlerweile "empfiehlt"), dass Migranten zu Hause (gefälligst) Deutsch zu sprechen hätten. Hamma uns? Zu Deutsch: Ist das klar?

PEGIDA-Aufmarsch

APA/EPA/ARNO BURGI

Währenddessen machen in Deutschland vor allem die Ziele von PEGIDA, HoGeSa und dem allgemein unangenehmer werdenden politischen Umfeld Sorgen. Kutlu Yurtseven, Rapper aus Köln, zieht Vergleiche "zur Pogromstimmung Anfang der 90er Jahre in Mölln und Solingen oder Rostock und Hoyerswerda.". Der Münchner Imam Benjamin Idriz fordert klare Worte der Politik gegen Menschen, "die angeblich für das Abendland sind, aber die Werte der Toleranz und Gleichheit verweigern."

Von den gewaltbereiten Islamisten hört man dagegen weniger. Der Radikalismusforscher Peter Neumann vom Londoner Kings College sieht zukünftig Gefahren in dieser Konstellation: die besorgte Mitte mit ihren Hooligans und Neonazis auf der einen, die Islamisten auf der anderen Seite. Neumann findet es deshalb "schon fast ironisch: Es gibt zwei Gegenkulturen in Deutschland, die sich hassen und vor allem gegenseitig brauchen, um ihre Feindbilder zu definieren. Aber, und das war es dann mit der Ironie: die große Gefahr für unsere Gesellschaft ist, dass es an den Rändern der Gesellschaft zwei Gegenkulturen gibt, die sich gegeneinander befruchten, sich gegenseitig hochschaukeln. Mit dem möglichen Effekt, die gesamte Gesellschaft zu polarisieren."

Bis es soweit kommt, fragt sich auch der Autor dieses Artikels, in welchem Land er eigentlich lebt: Fundamentalists to his left, Neonazis to his right. Mit dem Unterschied, dass Rechts in Deutschland gefährlicher ist und man mit dem Verschweigen rassistisch motivierter Gewalttaten seit 1990, dem Beharren auf abstrusen Einzeltäter-Theorien, dem alten Spiel, aus dem Opfer einen Täter zu machen (beim NSU, oder à la "Hätten sie sich mal besser integriert") nur eines klar sagen kann: Rechts fängt in Deutschland bei einer sehr fragilen Mitte an. Und es hört bei einem gut vernetzten rechtsradikalen Netzwerk auf.

Der letzte Absatz gilt abgeändert auch für Österreich. Zwar gab es hier (zum Glück) noch keine NSU, aber eine strikt rechte Burschenschaftsbewegung, eine sehr eigene und immer noch weit verbreitete Geschichtsverklärung zum Dritten Reich und einen salonfähigen Anti-Islamismus (siehe Islamgesetz), der von vielen "besorgten Bürgern" gerne auf die Straße getragen werden wird. Dazu kommen die Identitären und eine schon existierende und kaum wieder abzubauende Filterbubble im Netz.