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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

3. 9. 2014 - 19:54

The daily Blumenau. Wednesday Edition, 03-09-14.

Ein Nachtrag zur WM und ein jetzt doch nicht ganz so euphorisches Transferzeit-Fazit der Bundesliga. #fußballjournal14 #wmjournal14

The daily blumenau hat seit Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst.
Mit Items aus diesen Themenfeldern.

Die in einer Vorankündigung versprochene Nationalteam-Standortbestimmungshilfe verschiebt sich auf Freitag.

Verstopfung im Transit-Raum: das Fazit der Übertrittszeit

Es war ein immer wiederkehrendes Thema in den Fußballjournalen nach der WM: die Einkehr einer europäischen Normalität, was Transfers aus der Ausbildungsliga Bundesliga ins Ausland, auch in zweite oder dritte Ligen, betrifft; der Anschluss an eine Selbstverständlichkeit, die ein Ende der übergroßen Angst, die geschützte Werkstätte des heimischen Fußballs zu verlassen, bedeutet, die aber auch den Willen aller Verantwortlichen und Akteure sich im internationalen Maßstab messen zu wollen anstatt sich im Schollen-Inzest zu üben, manifestiert.

Wenn ein Christian Falk nach Erfurt, ein Christopher Trimmel nach Berlin oder ein Guido Burgstaller nach Cardiff geht, dann zeigt das eine Verschiebung des klassischen heimischen Narrativs ist, das in einem Job bei einem Top-Klub und einer Team-Berufung das Ende der Fahnenstange gesehen hat und Auslands-Erfahrungen nur den Superstars zumuten wollte.

Das sieht also gut aus.
Vieles andere, das sich aus den jetzt fixierten Transfers der Montag um Mitternacht beendeten Übertrittszeit herauslesen lässt, wieder nicht.
Das beginnt schon bei den Auslandstransfers. Denn einige davon waren nicht gewollt und brachten keinen Gewinn, nicht einmal Ausbildungsentschädigungen, sie waren schiere Fluchten von Verstoßenen und Ungewollten; und das betrifft nicht nur No-Names, sondern auch aktuelle Teamspieler wie Rubin Okotie.

Wenn man die innerhalb des Red Bull-Konzerns hin- und hergeschobenen Spieler herausnimmt, dann sind die bewusst gesetzten Transfers sogar in der Minderheit. Echtes Geld brachten nur Sabitzer, Hosiner, Burgstaller und Zulj ein. Und natürlich Svento, Boyd und vor allem Mane, der neue Rekordwechsler.

Ein ganz schlimmes Licht wirft Robert Beric (der gemeinsam mit Flo Kainz für etwa eine Million von Sturm zu Rapid wechselte) also der Listenführende jener Spieler, die innerhalb der Bundesliga wechselten, auf das Wirken und Werken von Rapid: wieder einmal wurde nicht gezielt aufgebaut oder zumindest in unteren Ligen gescoutet, sondern einfach einem Konkurrenten ein arrivierter Spieler abgekauft. Also das getan, was man dem nächstgrößeren Player (Red Bull Salzburg) immer als böse und gemein vorwirft.
Überhaupt: die schiere Masse jener, die einfach das Oberliga-Bäumchen wechselten ist deutlich auffälliger als die Menge der ins Ausland transferierten Spieler. Das ist ein durchaus gefährlicher inzüchtlerischer, antiblutauffrischender Ansatz.

Und noch überhaupter: rechnet man den Absteiger Innsbruck (der übermäßig viele Spieler an die Liga, die man verließ abgab) und die RB-Filiale Liefering heraus, dann hat die 2. Leistungsstufe, die 1. Liga also, genau überhaupt keine Rolle als Zulieferer für die oberste Klasse gespielt: die nach oben Weitergereichten kann man an einer Hand abzählen. Ein funktionierender Talent-Schuppen sieht also anders aus.

Weiterhin funktioniert nur ein einziger kleiner Grenzverkehr wirklich: zwischen Vorarlberg und der Schweiz existiert Schengen nicht. Andere Optionen werden nur zaghaft angegangen, Ungarn und Kroatien sind immerhin keine ganz absurden Adressen mehr.

Die größte Hoffnung machen auch weiterhin die ganz Jungen, die sich direkt aus den Akademien nach ganz Europa absetzen. Trainersohn Marcel Canadi zu Gladbach, der Vorarlberger Omerovic zu Aston Villa, der Tiroler Kreidl zum HSV, Rapids Hautzinger zu Udine, Rapids Gessl zum KSC, Rapids David Domej ins A-Team von Hajduk Split, der von Rapid nach Simmering abgeschobene Sasa Lazic zu Roter Stern, Rapids Lienhart gar zu Real. Und dann haben es auch die unter dem Radar von ÖFB und Akademien geflogenen Salzburger Semir Gvozdjar (zu Twente nach Holland) und der St. Veiter Edokpolor (zu Palermo) geschafft.

Dem stehen diesmal etwa ein Dutzend an heimgekehrten Spielern gegenüber, die es "draußen" nicht so recht geschafft haben (Knasmüllner, Drazan...). Spendlhofer ist nur geliehen, den wird Inter noch weiterreichen, Joppich hat ebenso noch, andere haben eben ihr Möglichstes erreicht.

Ihnen bietet die Bundesliga mittlerweile durchaus die Chance der Bestätigung, die wiederum ein Sprungbrett in andere Welten bedeuten kann - Philip Hosiner etwa ist so einer, der als Junior im Ausland war, zurückkehren musste und sich über eine kleine Ochsentour jetzt wieder in eine echte große Liga zurückgefightet hat.

Momentan ist aber der Transitraum von der 1. Liga zur Bundesliga irgendwie verstopft und lässt kaum jemanden aufrücken, blockiert ein nach oben hin durchlässiger gewordenes System von kommunizierenden Gefäßen. Um eine effektive Ausbildungsliga für den großen europäischen Markt darzustellen, würde aber auch das dazugehören.

WM-Nachwehen am Beispiel von Van Gaal und Conte

Was (nicht nur) mir an Louis van Gaals destruktivem Defensiv-Korsett missfallen hat, in das er das holländische Team bei der WM gedrängt hatte, setze ich nicht als bekannt voraus - deshalb hier und hier Erinnerungshilfen.

Nach der WM übernahm Gus Hiddink die Elftal, Van Gaal hingegen soll einen der ganz großen Vereine, Manchester United, nach einem tränenreichen Jahr, welches das Ferguson-Erbe nicht statusgemäß verwalten konnte, wieder, wieder nach vorne bringen.
Sein Rezept für die zuletzt saturiert auftretenden Red Devils war - wenig überraschend - eine Echtzeit-Kopie seiner Idee für Holland 2014. Also ein nominelles 3-5-2, das sich gern in einem reaktiven 5-3-2 begnügt und im Fall des Rückstands auch auf ein 3-3-4 oder vogelwilde Varianten mehr aufstockbar ist.

Die bisherige Bilanz von ManU unter Van Gaal ist verheerend: ein peinliches Out im Ligacup (gegen einen Drittligisten) und zwei Punkte aus drei Meisterschafts-Spielen gegen Außenseiter wie Swansea, Sunderland und Ashley Barnes' Burnley.

Van Gaal setzt auf eine Dreierabwehr mit den Außenspielern Antonio Valencia und Ashley Young, einem zentralen Mittelfeld mit Fletcher und abwechselnd Herrera/Cleverly/di Maria, davor Mata und zwei Spitzen.

Das sind insgesamt deutlich offensivere Charaktere, die da das spielen sollen, was die Oranje bei der WM so gut umzusetzen verstanden. Es sind aber vor allem keine Holländer, keine schon im Sinn der umfassenden Flexibilität ausgebildeten Spieler wie Kuyt oder Sneijder, die sich auch im absurdesten System unterordnen können. Das ist nun insofern erstaunlich, weil Van Gaal als internationaler Zurechtkommer gilt, dem solche Fehleinschätzungen eigentlich nicht unterlaufen sollten. Allerdings hat Van Gaal, das macht ein schneller Rückversicherungs-Blick auf seine Vita klar, nur einmal außerhalb des holländischen Einflusssphäre (zu der auch der FC Barcelona gehört) gearbeitet: bei Bayern, eindreiviertel Saisonen 2009 bis 2011. Damals allerdings ohne große systemische Umstellungen.

Dass davon nichts abhängt, zeigt gerade Josep Guardiola vor, der seine aktuellen Bayern durch ein wöchentlich verändertes Stahlbad führt; das dann auch schon in einem 3-5-2 (mit Alaba als linkem Innenverteidiger), dann aber mit versatilen Akteuren wie dem neuen Spanier Bernat auf den wichtigen Außenpositionen.

Van Gaal hat knapp vor Transferschluss, nach einem verpatzten Start nachgerüstet, mit Daley Blind, einem seiner Holländer, der sowohl außen als auch im defensiven Zentrum genau das spielen kann, was sich der General vorstellt. Dazu sind noch Falcao und eben Di Maria gekommen. Mit solchen Transfers lässt sich auch die gröbste Fehleinschätzung und die fahrlässigste Planung wettmachen; das hätte auch ein Amateurtrainer gekonnt.

Wie wichtig eine gezielte und passende Systemvorplanung vor allem für einen Coach einer Weltklasse-Mannschaft ist, bestätigt aktuell der neue Chef der Squadra Azurra, Antonio Conte.

Cover der Gazzetta dello Sport mit Antonio Conte

gazzetta

Der will sein bei Vereinen schon ansatzweise erprobtes 4-2-4 (das die einen als Mythos, die anderen als großes Heilmittel empfinden) im Nationalteam verwirklicht sehen; weil er davon ausgeht, dort über die Spieler zu verfügen. Weshalb er es für die Gazzetta lässig auf einen Kaszettel schmiert, den die am Cover zeigen.

Vielleicht, und das ist mein Schluss aus diesen Post-WM-Geschehnissen, sind wirklich gewagte, den Gewohnheiten und Philosophien von Vereinen entgegenlaufende System-Änderungen in Nationalmannschaften leichter umzusetzen. Auch weil dort die entsprechenden Ausbildungsstandards die Basis für ein kollektives Wissen legen. Mit einer holländischen Idee nach England zu gehen und auf Erfolg zu hoffen, ist sowohl von Funktionärs- als auch von Trainerseite fahrlässig. Und es ermahnt uns, dass etwa das undurchdachte, philosophielose Dauer-Hin-Und-Her, das die Austria Wien in die aktuelle Lage gebracht hat, kein rein österreichisches, sondern ein gesamtfußballerisches, ja zutiefst menschliches Problem ist.