Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Hang zum Ausgefallenen"

Christian Pausch

Irrsinn, Island, Ingwer.

26. 7. 2014 - 10:25

Hang zum Ausgefallenen

Popfest Tag Zwo: Viele Menschen, viel gute Musik.

"Entschuidign'S, i darat gern de Antn fotografieren." Ein netter Herr bittet mich zur Seite zu treten, um das beliebteste aller Fotomotive des heurigen Popfests festhalten zu können. So beginnt Tag Zwei am Wiener Karlsplatz. Und mit der Band We Walk Walls, die sich für einen Song Chor-Verstärkung von gleich mehreren anderen österreichischen Bands holt: Fijuka, The Boys You Know, Velojet usw. Ein guter Start.

Die Chor-Idee scheint sehr beliebt zu sein, denn auch Mika Vember hat sich einen zugelegt. Fündig geworden ist sie allerdings in ihrem eigenen Freundeskreis und dennoch erkennt man manches Gesicht von anderen heimischen Musikformationen. Vor nicht allzu langer Zeit ist Frau Vember noch am kleinen Balkon des Wien Museums aufgetreten, dieses Jahr aber auf der großen Seebühne. Steht ihr gut.

Ins Fagott verliebt

Dann folgt ein Highlight auf der Seebühne: Manu Delago spielt sein Set. Der großartige Schlagzeuger und Spieler des Instruments Hang tritt mit seiner Band Handmade auf. Die Musik ist so schön, dass die bereits sehr große Menge minutenlang still steht, ja da wird wirklich zugehört und das ist gut so. Isa Kurz' Stimme verzaubert uns alle und Manu Delago spielt das Hang, wenn er nicht gerade am Schlagzeug sitzt.

Verliebt hat er sich aber vor kurzem in ein anderes Instrument: "Ich finde, jede Band sollte von nun an ein Fagott dabei haben." Gesagt, getan, schon ist eines auf der Bühne. Schön zu sehen, wie Manu Delago in kleinen Schritten mit neuen Instrumenten experimentiert. Es folgt ein Song, der mit der Melodie eines Eis-Wagens beginnt, sich in der Mitte zu einem lauten Schwall an Sounds aufbaut, um dann wieder ganz natürlich in der Eis-Melodie zu enden. Dieser Icecream-Van fährt täglich an seinem Fenster in London vorbei, erzählt er dem Publikum, gerade in London, wo es meistens regnet, grenzt das ja fast an Ironie, aber so wird in England der Sommer vorgetäuscht, meint Delago.

Zum Abschluss des perfekten Auftritts folgt noch ein Cover. "Von einer berühmten neuseeländischen Sängerin, damit das Popfest seinem Namen gerecht wird.", scherzt der Musiker. "Royals" von Lorde spielt das Trio und ja das ist tatsächlich purer Pop, was Manu Delago Handmade aber auch hervorragend steht. Mit dem Karlsplatz hat Delago bist jetzt nur einen Autounfall verbunden, den er vor Jahren hier hatte. Hoffentlich sind nach diesem Auftritt ein paar positivere Erinnerungen geblieben. Bei uns auf jeden Fall schon.

Headliner auf der Hauptbühne ist Effi, der nach Sonnenuntergang die Massen zum Mitsingen bringt. Der Platz ist kaum noch überquerbar, so viele Menschen sind gekommen.

Wuff Wuff Wuff

Im TU Prechtlsaal nehmen KIDS N CATS Aufstellung. Von Kopf bis Fuß mit Dreck, oder ist es Nutella, jedenfalls brauner Farbe angemalt und einer Art Kriegsbemalung im Gesicht. Sie stellen neue Songs vor, grinsen von einem Ohr zum anderen, imitieren Hundegebell und holen für die Zugabe zwei maskierte Tänzerinnen auf die Bühne. Eine echte Show also, wo wir wieder beim Pop wären.

  • Zusatz nach einer Mütze Schlaf: Pop darf aber natürlich auch nicht alles. Die Aufmachung der Band muss nochmal hinterfragt werden, viele Konzertbesucher_innen haben sich daran gestossen.

Währenddessen ist die Schlange vor der TU und dem Brut circa gleich lang, nämlich sehr, sehr lang. Menschen überall, das ist gut fürs Popfest, aber auch anstrengend, wenn man mitten in der Schlange steht. Nun muss man sich entscheiden. Bulbul, Elektro Guzzi, Radian, oder doch in der TU bleiben. Ich entscheide mich für Zweiteres, Fotos aus dem Brut gibt's aber dennoch und zwar vom Villalog-Auftritt.

Glamourös im Trauerkleid

Im Prechtlsaal geben Me And Jane Doe ihre düsteren Elektro-Songs zum Besten. Hier bleibt wenig Raum für Interpretation, die Band macht ihren Standpunkt schnell klar: "We are a very angry political band." Alle vier Musikerinnen sind ganz in schwarz gekleidet, Sängerin Denice Bourbon ist mit Glitzer überstreut. Me and Jane Doe wissen über die schlechten Seiten des Lebens Bescheid und können das Leben genau deshalb so gut feiern. Zuvor werden aber auch noch ein paar Schläge ausgeteilt.

"We'll gonna kick the balls of patriarchy!", und gleich darauf folgt der Song "Hit them where it hurts", natürlich. Dass sich gut produzierte Musik und eine queerfeministische Punk-Attitüde vereinen lassen, wurde hier eindrucksvoll bewiesen. Die Performance wirkt anfangs etwas steif, aber gegen Ende wird dann das Mikro vom Ständer genommen und die ganze Bühne barfuß zum Tanzen genutzt. Bei aller Melancholie darf man nämlich auf keinen Fall aufs Tanzen vergessen. Schön, dass sich hier beides ausgeht.

In den Schlaf tanzen

Popfest Wien

Von 24. bis 27. Juli am Wiener Karlsplatz. Unter anderem mit Bulbul, Der Nino Aus Wien, Effi, Elektro Guzzi, Monsterheart, Susana Sawoff, Viech und We Walk Walls.

Und dann waren da noch Te Po. Das Live-Debüt des Trios ist das beste Konzert des Abends und das, obwohl gar nicht viel passiert oder vielleicht genau die richtige Menge von allem. Drei Menschen sind auf der Bühne, bedienen allerlei Regler, ein Saxophon und ein Theremin. Kommt das Saxophon mal nicht zum Einsatz macht die Musikerin einen Schritt zurück und tanzt in kleinen Bewegungen zur eigenen Musik.

Nach dem Video zum Song "Love Run Ambush" haben sich viele ausgeflippte Kostüme, oder eine crazy Performance erwartet, doch bei Te Po ist alles reduziert, wenn auch auf den Punkt gebracht. Assoziationen zu den ruhigeren Songs von The Knife sind nicht verkehrt und dennoch ist ihr Sound ganz anders. Verwirrend ist, dass der weibliche Gesang voraufgezeichnet aus der Konsole kommt, aber selbst das macht irgendwie Sinn. Am besten wäre es, die Band würde jede_n einzeln nach hause begleiten und neben unseren Betten weiterspielen, bis wir uns alle langsam in den Schlaf getanzt haben. So, so gut!

popfest

Christian Stipkovits

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Heute am Programm: Lylit, Rotifer, Jimmy and the Car Cassettes, Ana Threat, Der Nino Aus Wien und viele, viele mehr...