Erstellt am: 25. 7. 2014 - 08:41 Uhr
Von Enten, Schneebesen und Mut
Popfest Wien
Von 24. bis 27. Juli am Wiener Karlsplatz. Unter anderem mit Bulbul, Der Nino Aus Wien, Effi, Elektro Guzzi, Monsterheart, Susana Sawoff, Viech und We Walk Walls.
- Das Lineup für alle vier Tage
- Auftakt mit Ente - Bericht vom Donnerstag
- Hang zum Ausgefallenen - so war's die zweite Nacht
- Born to be wild - dritter Tag am Popfest
- fm4.ORF.at/popfest - alle Stories
Mitten im sogenannten See vor der Wiener Karlskirche schwimmt sie mit zufriedenem Lächeln und anmutigem G'schau: die FM4 Ente, oder wie sie intern genannt wird: "die Ente der ewigen Anbetung." Doch noch etwas befindet sich hier in diesem See, nämlich die Hauptbühne des Wiener Popfests namens Seebühne. Dort eröffneten gestern Viech das wunderbare Gratis-Festival der österreichischen Musik.
You feelin' me?
Um acht Uhr abends versammeln sich auf der Seebühne dann an die zehn Musiker rund um ihren Mastermind Stephan Kondert. SK Invitational heißt die Gruppe, die in der nächsten Stunde das ganze Publikum sprichwörtlich wegblasen wird - mit Trompeten, Posaunen, einem Tenorsaxophon, einer Geige, Gitarren, Keyboard und was sich halt noch alles ausgeht wenn man zu zehnt ist.
Doch sie haben auch Gäste mitgebracht, zum Beispiel den Rapper Blak Twang, dem man die Freude sichtlich ansieht: "I'm honoured to be the only english person here tonight.", sagt der aus Manchester stammende HipHopper mit einem breiten Grinsen ins Mikro. Er gibt Songs aus seinem Repertoire zum Besten immer perfekt untermalt von SKI, die die Menge zum Tanzen bringen.
Angewandte Tanzmusik
So nennt Yasmo den Sound von SKI. Die Rapperin aus Wien übernimmt das Mikro von Blak Twang und zeigt uns wo im Rap-Business der Hammer hängt. "Hip Hop heißt immer gleich Testosteron.", sagt sie resignierend, um gleich darauf ganz bewusst zu rappen: "Ich bin die Frauenquote!" Yasmo weiß natürlich ganz genau was abgeht und in welchem Umkreis sie ihre Musik macht. Aus dem Publikum gibt es den verdienten Jubel.
Mitten im Set schlüpft sie auch kurz in ihr Alter-Ego Miss Lead, danach erzählt sie einen Witz und bei all dem zeigt sie wo sie politisch steht. Das ist Rap bei dem man sich ohne schlechtem Gewissen wohlfühlen kann. Feministische, spaßige und gekonnt gerhymte Lyrics. Und dem Mann, der ihr sagen will, dass sie nicht in den HipHop passt, wirft sie gleich die passenden Lyrics an den Kopf: "Überleg mal wer von uns beiden grad rappt!" So geht das.
So ein netter Junge
Einen Gast haben SKI noch in petto: Nazar betritt die Bühne, links und rechts von jeweils einer Art Bodyguard geschützt. Da waren Blak Twang und Yasmo mutiger, die haben es alleine auf die Bühne geschafft. "Vor wem hat der denn Angst?", fragt sich eine Frau neben mir zu Recht. Vermutlich gehört dieses Auftreten wie auch sonst alles bei Nazar zur Rap-Maskerade, die so viele HipHoper glauben bedienen zu müssen.
Da wird sich ordentlich in den Schritt gegriffen und natürlich auch mal der Stinkefinger gezeigt. Manche schütteln den Kopf, andere fangen aufgeregt das schweißgebadete Handtuch Nazars. Für das heutige Set reißt er sich extra zusammen, sind doch Verwandte im Publikum: "Die sagen dann wieder: Nazar, wieso bist du so böse, bist doch sonst so ein netter Junge." Beim Song "An manchen Tagen" kommt Yasmo zum Duett auf die Bühne und rappt darüber eine selbstbestimmte Frau zu sein. Nazar sieht aus, als würde er zuhören.
Schmieds Puls ist dran, letztes Jahr noch im kleinen Rahmen im Wien Museum, dieses Jahr als Headliner auf der Seebühne. Einen Song widmet die virtuose Gitarristin dem österreichischen Justizsystem. "Der Song heißt passenderweise 'Shame On You'."
Österreich fehlt das Meer!
Eine Neuerung gibt es, die gleich auffällt an diesem ersten Tag: zwischen den Konzerten auf der Hauptbühne, gibt es ebenso Konzerte. Direkt dahinter am sogenannten RedBull Brandwagen. Das ist super. Dort spielen zum Beispiel auch die großartigen Playbackdolls. Deren Trompeten- und Ziehharmonika-Spieler wurden gleich auf das Dach des Wagens verfrachtet.
Bei der Musik der Playbackdolls kann man so richtig entspannen und dennoch: "Politik liegt uns am Herzen.", sagt Sängerin Tini Trampler und das spürt man auch, trotz aller Schunkelei. Mitten drin kommt dann völlig unverhofft ein Theremin zum Einsatz und wird so gut bespielt, dass alle in ehrfürchtige Erstarrung versinken. Obacht, Frau Chrysler, die Konkurrenz schläft nicht! Beim letzten Song "Ohne das Meer" wird dann auch fleißig mitgesungen und für viele ist das Konzert viel zu schnell wieder vorbei.
Im schwarzen Schleier
Das beste Konzert des ersten Tages kommt wie erwartet von Glutamat. Sechs Musiker_innen, alle in schwarzen Kleidern und teilweise mit Trauerschleiern vorm Gesicht nehmen die Bühne im Brut ein. Doch von Trauer keine Spur, hier wird der Punk zelebriert und zwar in Brecht'scher Manier. Assoziationen von den Tiger Lillies bis zu Nina Hagen schießen meiner Begleitung C. und mir durch den Kopf. Und alle scheinen irgendwie auch zu passen.
Sängerin Thesa Tödlich gebährdet sich wie Róisín Murphy in ihren besten Jahren, singt aber wie Hildegard Knef. Mastermind MP Kopflos Stimme erinnert an Rio Reiser, er wirft sich ins Publikum, liegt am Boden, springt auf Verstärker, die das ganze Konzert über energisch wackeln, als wären sie das siebente Bandmitglied. Die Texte sind gleichzeitig einfach und vieldeutig, schmerzhaft und witzig. Mit den Worten: "Es war einmal ein Mann, der hatte keinen Schwanz.", beginnt zum Beispiel eines von Glutamats Liedern. Ein Konzert, das für immer weitergehen hätte sollen, dann wären wir alle auf ewig glücklich.
Christian Stipkovits
Den Abschluss im brut machen Medusas Bed. Mia Zabelka spielt die Geige mit dem Schneebesen, Zahra Mani steuert die Kommandozentrale und Lydia Lunch rezitiert in gewohnter Spoken Word-Manier. Nach dem Konzert sehe ich die drei mit wohlverdientem Bier in der Hand laut lachend beim Hintereingang des bruts sitzen. Hauptsache sie hatten Spaß, das meine ich ganz ernst.
Heute geht es auch schon weiter mit We Walk Walls, Manu Delago, Me and Jane Doe, Te Po, Bulbul, Elektro Guzzi, und und und... Am besten einfach der Ente folgen.