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Natalie Brunner

Appetite for distraction. Moderiert La Boum de Luxe und mehr.

27. 6. 2014 - 21:35

Donauinselfestfreitag

"I'm all about peace but can I say this? Fuck da Police." KRS ONE auf der FM4 Bühne beim Donauinselfest.

Donauinselfest

Wenn man versucht hat, so wie ich, am Freitagnachmittag mit der U6 zum Donauinselfest zu gelangen, dann könnte man den Eindruck bekommen haben, dass ganz Wien von Hobbypolizisten bevölkert ist. In der U-Bahn gab's Problemchen und plötzlich war sie voll mit kleinen, korpulenten, nach Bier riechenden Männern Mitte 40, die es lieben, Anweisungen zu geben, sich berufen fühlen zu regulieren, schlichten und ordnen, sich gegenseitig und auch alle anderen Passagiere in puncto Benimmregeln zu belehren und wissen, wie man aus einer kurzen Fahrtunterbrechung einen Zwischenfall macht. Vom Strom der Festivalbesucher abweichend spaziere ich im goldenen Licht der Donau entlang, am Ufer nur ein paar glatzköpfige Feinde mit Endstille-T-Shirt und plötzlich kommt mir ein Bataillon von 50 Polizisten entgegen, allein auf weiter Flur, wie ein Wandertag der neuen Mittelschule. Bitte, darf ich ganz schnell bei der Bühne ankommen und den Hip Hop all diese Bilder aus meinem Kopf waschen lassen.

Wir suchen nach Bildern, um den Rahmen zu sprengen

Die Zeile ist ausgeborgt von dem Rapper Demolux, der mit 2 DJs Tactik und Derryl Danston, einem Schlagzeuger, T-Ser als Back-up MC, der jetzt schon den Award für die beste Goldkette des Abends gewonnen hat, aufgetreten ist. Demolux greift am späten Nachmittag das beste Licht und konstanten Zulauf von gut motiviertem Publikum ab. Er spricht viel über Veränderung und Zeitlichkeiten, "Egoshoota zwa" scheinen die meisten zu kennen und nach 30 Minuten ist der Spaß auch wieder vorbei.

Christian Stipkovits

Dunkle Haut, heller Kopf

Megaloh aus Berlin Moabit hat Brenk im Gepäck, eine Intro-Hymne, die einem imperialen Senator würdig wäre, und ein Timbre in der Stimme, das die Grundfesten von Coruscant erzittern lassen könnte. Die Macht ist mit ihm, wie er auch selbst in der ersten Nummer rappt.

christian stipkovits

"Programmier dich neu" ist geschrieben aus der Perspektive eines Typen, der um 4 Uhr früh in die Schicht aufbricht und sich weigert die Looser-Zuschreibung eines uns zermahlenden Systems zu akzeptieren. Was hat die Zukunft zu bieten: das große Los oder nur Nieten?
Im ersten Drittel des Sets, der versprochene Brenk Sinatra DJ Showcase, Sonnenuntergangs-Beats von der Wiener Beat-Legende, wie Megaloh meinte.

Alle Revolutionen versäumt - alles wie neu

Ein alter Bekannter auf der FM4 Bühne beim Donauinselfest ist Gerard. 11 Jahre ist es her, dass Gerad erste Musikstücke veröffentlicht hat, dementsprechend hatten wir auch schon das Vergnügen. Heute tritt Gerard mit den Twin Towers auf.

christian stipkovits

Es ist das erste Konzert, nachdem die Sonne sich zur Ruhe gebettet, und die Visuals beginnen zu knallen. Die Twin Towers sind nicht nur gute Musiker, sondern glamouröse Erscheinungen, die jede staubige Bühne in der Mitte von nirgendwo, nicht dass unsere FM4 Bühne so etwas wäre, in eine zeitgemäße Version des Studio 54 verwandeln können.

Die Geister, die ich rief, sitzen morgen noch bei mir und machen Afterhour. Gerard spielt "Irgendwas mit rot", die Nummer über eine Freundin, die von der Nacht verschluckt wurde, und mir fällt ein, dass ich heute schon junge Damen in Kokain und Sachertorte T-Shirts gesehen habe.

Deine ganze Crew besteht nur aus Crack Hoes

Zu dem zunehmend größeren Heer von Musikern, die mit Maske auftreten, den Bastarden von MF Doom, gehören auch Genetikk. Eine massive Soundwand aus Applaus und Freudeschreien empfängt die in liebevoll personalisierten Hassmasken gewandeten Genetikk.

christian stipkovits

Der kleine Bommel am Kopf bricht die Maske des Schreckens der Rapper aus Saarbrücken. Ein paar sprachliche Verbeugungen vor ODB, und auch zum "Break Ya Neck" unseres geliebten Bustas, das als Aphorismus über die Videowall gelegt ist, kann man einfach nichts anderes als ja sagen.

Care as one - Knowledge Reigns Supreme Over Nearly Everyone

Die Homebase von Freitagabend live vom Dif - 7 Tage on demand

Meine Kolleginnen haben schon den ganzen Tag Definitionen eingesammelt, was KRS ONE bedeuten könnte. Meine Interpretation stammt irgendwann aus den späten 80ern, frühen 90er Jahren, die Kolleginnen waren schwer gerührt. Ich habe aus der MusicBox einen Mitschnitt von damals noch KRS-1 live im U4 aufgenommen und die Kassette liebevoll mit Care as One, etwas, das "Fürsorge, die eins ist", oder auch Kümmern wir uns gemeinsam drum" heißen könnte, beschriftet. Dem Geist des Hip Hop sei Dank, ich habe auf das Doppel-S verzichtet, und heute gibt es Rap Genious.

KRS ONE, Präsenz und Größe erfüllt die Bühne, selbst wenn er ohne Beat spricht oder freestylt. Selbst Hobbysoziopathinnen wie ich können sich nicht der Glücksgefühle erwehren, wenn man in einer Crowd steht und alle um einen herum jede Zeile mitrappen können, und doppelt schön ist das Ganze, zumal KRS seit fast 30 Jahren keinen Scheiß erzählt.

Es gibt gereimte Hip-Hop-Geschichtskunde, 1984 LL Cool J walks thru the door, ebenso wie ein Tribut an all die gefallenen Krieger, Jam Master Jay, Tupac und wieder Shimmy Shimmy Ya ODB. KRS ONE erzählt auch, dass er sich die heutige FM4 Liveübertragung vom Donauinselfest im Radio angehört hat: Brenk Sinatra KRS thinks you are dope und er ist nicht alleine.

christian stipkovits

Criminal minded no jewels round my neck

In der ersten Hälfte des Sets spielt KRS eine neue Reggae-Nummer, die er letztes Jahr, inzwischen in Kalifornien lebend, geschrieben hat. Kalifornien gehört den Mexikanern, Amerika hat vor den USA existiert, kein Mensch ist illegal und Fuck the borders überall. Danke, KRS ONE.