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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

16. 4. 2014 - 11:10

Der große Muff

Flirrende Gitarren, ein umherwandernder Verzerrer, schöne Bands und gute Töne. Die neuen Musikvideos von M185, Farewell Dear Ghost, Fesch und Mopedrock.

Die gute alte Stromgitarre ist noch lange nicht tot. Vor allem in Österreich scheinen viele Bands, ob jung oder alt, immer noch mächtig Spaß daran zu haben, mit voller Wucht auf die soundverzerrenden Tretminen zu steigen. Und selbst wenn die Knöpfe der oft silberglitzernden Kasteln am Boden nicht auf Anschlag gedreht sind, so klirren und scheppern die geputzten Stahlseiten der Sechssaitigen aus den Verstärkerboxen. Na dann, einfach einstöpseln, aufdrehen und losrock'n'rollen.

M185 - "Soon"

In freudiger Erwartung des neuen Albums "Everything Is Up", das am 21. Mai auf Siluh Records erscheinen wird, haben unsere FM4 Award-gekürten Wiener M185 einen Vorboten ins Rennen geschickt, um uns zu trösten und zu sagen, dass es bald soweit sein wird. "Soon" nennt sich dieses Stück, das - ich traue mich fast gar nicht, es hier hinzutippen - bisher poppigste und vielleicht schönste der Combo. Es nimmt einen vom ersten cool dahingroovenden Gitarrenriff an mit auf eine hypnotische Reise ins psychedelische Noisepopland.

M185 haben sich dazu entschlossen, eine der schwierigsten Videoumsetzungen zu wählen: nämlich eine kohärente, chronologische Geschichte zu erzählen. Viele Bands scheitern bei diesem Versuch, etwas Originelles und gleichzeitig Unpeinliches zu machen. Bei "Soon" funktioniert die Story durch viel Charme, gute Einfälle, eine gehörige Portion ironischem Witz und die Interaktion mit "unbeteiligten" Passantinnen. Das Video ist des großartigen Gitarrenstücks (das der Sommerhit 2014 werden könnte) mehr als würdig. Und unbedingt die Credits noch laufen lassen!

Farewell Dear Ghost - "Wake Up"

Philipp Szalay alias Farewell Dear Ghost hat mit seinem Debüt "We Colour The Night" eine Platte vorgelegt, die eine Vielzahl von Singles enthält. Nach "Cool Blood" und "Fire" legt der Grazer Musiker jetzt "Wake Up" nach, das ebenfalls die große Rockgeste zelebriert. Es ist eine Nummer mit auffallend gutem Aufbau, bei der die bridge vor dem hymnischen Refrain ein integraler Bestandteil des Songs ist und nicht nur unnötiges Füllwerk darstellt. Aber was Songwriting und Arrangement betrifft, hat Philipp einfach ein geniales Händchen und gutes Gespür.

Die visuelle Umsetzung besticht vor allem durch die Bildkompositionen. Selbst wenn die einzelnen Szenen für sich genommen nicht ganz so spannend oder neu sind, so entsteht durch die Montage doch ein ganz eigenes Flair. Selbst die etwas zu weichgezeichnete Ekstase gegen Ende tut der Nummer und dem Video kein Abbruch. Schließlich geht es hier um zumindest zwei der Zutaten der good old rock'n'roll-Formel.

Fesch - "Other Side Of Love"

Also über Bandnamen kann man ja bekanntlich streiten. Ob einem Fesch als Markenname nun gefällt oder nicht, wenn man sich die vier Jungs aus Wien genauer ansieht, entspricht es doch der Wahrheit. Ebenfalls spannend: für mich kommen sie ja wie aus dem Nichts. Und haben mit "Other Side Of Love" gleich einen frischen, cleveren und sehr eingängigen Song parat. Er hat Tiefe und Witz, erzählt er doch vom nur allzu bekannten coming of age-Drama Mitte der 1990iger, zwischen Smashing Pumpkins und dem Herauswachsen aus seinen Kinderschuhen.

Da darf natürlich auch die erste Liebe nicht fehlen. Und die Konfettiparties und eben alles, was diesem jugendlichen Leben seine Leichtigkeit gegeben hat. Das Musikvideo zu "Other Side Of Love" ist mit wenig Aufwand gedreht, erzeugt dafür aber einen großen Effekt. Es bringt nicht nur das Lied gut auf den Punkt, sondern präsentiert uns diese junge Band so einnehmend, dass man gar nicht anders kann, als Fesch sympathisch zu finden.

mopedrock - "mme beauvoir"

Ich war nie so ganz im Punk zuhause. Aber wenn es in Richtung rotzige Lo-Fi-Ästhetik mit einem durchschlagenden Hang zur Melodie geht, bin ich Feuer und Flamme. Deshalb muss ich hier auch eine Lanze für die Wiener mopedrock brechen, die mit "mme beauvoir" einen klasse Rocksong mit knappen drei Minuten hingefetzt haben. An der ungestümen Energie des Quartetts kann man sich gar nicht satt hören. Mein Französisch ist zwar mehr als schlecht, aber hier klingt einfach alles derart stimmig, dass ich annehme, mopedrock machen auch auf textlicher Ebene nichts falsch.

Was das Video betrifft, so ist weniger hier wirklich mehr. Man braucht eigentlich nur ein paar Streichhölzer und viel Zeit. Und schon hat man ein herrlich kurzweiliges old school-Filmchen, bei dem die eine oder andere Wiederholung schon erlaubt sein darf. Auf alle Fälle macht diese Nummer Heißhunger auf das Album "Virage", das am 30. April bei Konkord erscheinen wird.