Erstellt am: 29. 3. 2014 - 04:56 Uhr
Blick auf die Kreisky
In Graz ist man pünktlich oder man bleibt auf der Sofagarnitur zuhause sitzen. Die Schlange der Wartenenden vor der Postgarage ist eigentlich L-förmig und reicht von der Rösselmühl- in die Dreihackengasse und entlang der Postgarage. Und schon sind wir bei Kreisky. "Der Mensch gehört nicht in die Wildnis/Das ist wider die Natur/ Der Mensch gehört in eine Wohnung/Auf eine Sofagarnitur", reimt Franz Adrian Wenzl auf dem neuen Album "Blick in die Alpen". Schlagzeug, Gitarre und Bass klingen rotzig und zugleich klar, weiter ausdifferenziert wurden die Möglichkeiten, lobt die Kritik. Das, was auf dem Album immer wieder grandios - nun ja - quietscht, erweist sich beim Konzert als roter Korg. Ein Instrument für Entertainer, keineswegs jedoch für Alleinunterhalter.
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Franz Adrian Wenzl gehört auf die Bühne, wo anders kann man ihn sich beinahe nicht vorstellen. Abgesehen von zuhause an einem Schreibtisch, bestenfalls noch in einem Spielfilm, doch dafür gibt er sich eventuell gar nicht her. Die Videos der Band sind eine Klasse für sich und zurecht schwärmte ein junger österreichischer Künstler von einem völlig neuen Kunstbegriff ob des Anblicks der Kreisky-Bandmitglieder als Katzen. Im subjektiv schönsten Konzertraum der Stadt haben Kreisky auch ein Video gedreht, erinnert sich Franz Adrian Wenzl gestern laut. Denn die nächste Überraschung beim FM4 Überraschungskonzert ist, dass die Band im kleinen Saal der Postgarage spielt. Und einer, der damals als Statist beim Videodreh mitgewirkt hat, ist auch wieder da.
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Mit einem Kreisky teilt man gern sein Bier
Tatsächlich gönnen sich jene BesucherInnen, die als erste auf den Einlass warteten, das Geschehen im Sitzen zu verfolgen. "Wir Unterhaltenen" bietet sich als Opener an, das Lied eröffnet auch das vierte Kreisky-Album, aber die Persiflage auf Früher-war's-besser-und-zwar-alles spiegelt keinesfalls dieses Konzert. In die Musik von Kreisky kippt man hinein - so der erste Lärm einen nicht nach draußen an die Frischluft drängt. Denn intensiv dröhnt es und Wenzls Halsmuskeln treten beim Schreien deutlich hervor.
Derart nah an seinem Publikum ist Franz Adrian Wenzl nahezu aufgefordert, einen Spaziergang zu unternehmen. Ein junger Mann im Publikum übernimmt das Mikrofon und den Gesang für mehr als nur einige Sekunden und er macht das ausgezeichnet. Die Menschen in der ersten Reihe teilen ihr Bier kurzerhand mit dem Sänger und Musiker, seineszeichens einer der Charismatischen dieses Landes.
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"Blick auf die Alpen" live vorgestellt
Das neue Album "Blick auf die Alpen", veröffentlicht als Zusammenarbeit der Labels Buback Tonträger und Wohnzimmer Records, wird zur Gänze gespielt. "Ein Stück mit dem Titel 'Rinderhälften'" wird nicht jeden Tag angekündigt. Kreisky sind eigen, gradlinig kritisch in ihren Texten. Auch Diskontfleisch wird in den Lyrics verarbeitet. Die Verklärung der Industrie wird in "Pipelines" sanft besungen. Es gibt auch ruhige Momente bei Kreisky. Den Ruf der "grantigen" Band prägt die Liebe zur Reflexion auf Textebene, in der Musik darf es brachialer zugehen.
"Wir befinden uns bereits mitten im Hitblock!", informiert Franz Adrian Wenzl vor der ersten von zwei Zugabeteilen. Im funkelnden Saal der Postgarage mit den gestanzten Platten gibt es keinen wirklichen Backstage-Bereich. Durch das Publikum gehen Auftretende ab und kommen wieder zurück: "Vandalen", dann das neue "Todesstern" mit lärmend-kreisender Gitarre, zu guter Letzt "Asthma".
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Am 3. April spielen Kreisky in Krems im Kino im Kesselhaus, am 4. April in der Cselleymühle in Oslip und am 5. April im Linzer Posthof.
Kreisky, das ist live noch immer die Band, die einst in ihrem Tagebuch festgehalten hat: "Chokebore haben mir übrigens damals, als ich noch ein Kind war, meinen ersten Gehörsturz verpasst." Die Liebe zu heftigen Tönen, zum finalen Bearbeiten der am Boden liegenden Gitarre und dem nur knapp ausbleibenden Reiben an Verstärkern teilt die österreichische Band nach wie vor mit der Rockband aus Honolulu, Hawaii. Über die Alpen hinaus, auf dem Rücken Fuchurs tragen Kreisky einen in den besten Momenten. Immer dann, wenn man selbst und alle um einen herum in dieser energischen Musik versinken und mit dem Schlagzeug mitgehen.
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