Erstellt am: 8. 2. 2014 - 15:00 Uhr
Flimmern: Pink turns to Blue
Flimmern: Der assoziative Wochenrückblick
Während sich so manche Zeitgenossen - knappe 15 Millionen nämlich - dem Quizduell hingeben oder müßig auf rechten Seiten herumhacken, und etwa - anders als in Tirol - in England das Wetter so schlecht ist, dass dort sogar die Pinguine Antidepressiva bekommen, hat ein siebenjähriges Mädchen namens Charlotte Benjamin vor Kurzem die meistbeachtete Großtat des ganzen Internets vollbracht:
Charlotte Benjamin
In einer Handschrift, die eher an die Textbeilagen von alten Einstürzende-Neubauten-Platten erinnert als an eine Volksschulschrift, hat Charlotte einen Beschwerdebrief an den dänischen Spielzeugmulti Lego geschrieben. Sie stellt die grantige und durchaus eigennützige Frage wieso es für Mädchen wie sie nur langweiliges Zeug zu kaufen gibt: Eintönig rosarotes Mädchen-Legomaxel-Glumpert, mit dem man nur Shoppen gehen und kämmend rumsitzen kann, während die blauen Buben-Legomaxeln mit Haien kämpfen und Jobs haben.
3 Tage und 2.000 Tweets rund um die Welt später: Die Firma Lego dürfte derzeit in ihren Compliance Regelbüchern nach einer adäquaten und eventuell ähnlich sozialmedienwirksamen Antwort auf die Rosa versus Blau Empörung nachdenken – die Antwort steht noch aus.
Wer sich an die damals vierjährige "ranting Riley" von 2011 erinnert, die wütend festgestellt hatte, dass die Firmen "nur die Mädchen reinlegen" wollten, die eigentlich auch "lieber Superheroes" kaufen würden, hat spätestens jetzt den Beweis: Woran Heere von AbsolventInnen der Harvard Business School jahrelang herumdoktern, wird von Vier - bis Siebenjährigen bereits als die turbokapitalistische Verschwörung durchschaut, als die sie angelegt war – also Konzept überdenken, liebe Marketing-Fuzzis.
Wenn das William S. Burroughs noch erleben hätte können. Hat er aber nicht, der Mann ist schon 16 Jahre tot, hat aber diese Woche seinen hundertsten Geburtstag gefeiert. Er hätte uns Siebenjährigen wohl dazu geraten:
“Beware of whores who say they don’t want money. The hell they don’t. What they mean is that they want *more* money; much more, these are the most expensive whores what can be got.”
Sonst gratulieren alle dem lieben blauen Facebook zum Zehnjährigen – auch die, die es hassen, lieben es ja eigentlich, während die, die 25 Stunden am Tag mit Daumenrauf-Klicks beschäftigt sind und sich ob der Daten- und Zeitfresserei die Haare raufen, sich eingestehen müssen, dass es für Süchtige wie sie auch die nächsten Jahre kein Social-Media-Methadon-Programm geben dürfte.
Inzwischen streiten der bekannteste Aufdeckungsjournalist des Landes und ein in Deutschland lebender Fotograf, ob es rechtens gewesen sei, dass jener die Aussage von diesem, die er in seiner Facebookgruppe von mehr als 4.000 Menschen getätigt hat, im Falter zitiert - Reichweite von etwas über 100.000 - und somit diese Aussage einer ums 20-Fache vergrößerten Öffentlichkeit zugeführt hat. Dass daraus jetzt eine Variante der "Privat vs. Öffentlich"-Debatte geworden ist, wie etwa in dem "Kurier"Artikel von Philipp Wilhelmer , beim täglichen Blumenau und massenhaft wieder auf Facebook - das sieht wie ein verspätetes Facebook-Geburtstagsgeschenk aus: Immerhin wird Zuckerberg ja nicht müde, die Abschaffung des Privaten als seine größte Errungenschaft zu loben. Falter-Chefredakteur Florian Klenk und der Fotograf und Weinblogger Manfred Klimek treffen sich jedenfalls vor Gericht, vielmehr ihre Promi-Anwälte tun es.
Und ich zitiere hier ungefähr - Klagsrisiko einberechnend - einen anderen Facebook-Bekannten: "Sie hätten's auch so machen können: Heast, Des woa net so toll, das nächste Bier geht auf di!"