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Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

19. 11. 2016 - 10:00

Sharon Jones ist tot

Die US-Soulsängerin Sharon Jones ist im Alter von 60 Jahren gestorben. Am Freitag habe sie "ihren heldenhaften Kampf gegen den Bauspeicheldrüsenkrebs" verloren, teilt ein Sprecher via Rolling Stone Magazine mit.

Bereits 2013 wurde bei Sharon Jones Bauspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert. Zu dieser Zeit hätte auch das neue Album der New Yorker Soul-Band Sharon Jones and the Dap-Kings "Give The People What They Want" veröffentlicht werden sollen, doch da kämpfte sie gerade um ihr Leben. Die Musik aufgegeben hat sie nicht, Anfang 2014 folgte schließlich der Release.

Insgesamt brachte Sharon Jones sieben Alben heraus, zuletzt 2015 mit dem Titel „It’s a Holiday Soul Party“.

Sharon Jones

Christian Lehner

Sharon Jones beim FM4-Interview 2010

21. Jänner 2014:

When the music’s over

Sharon Jones and the Dap-Kings Website

New York State of Mind: The House of Soul

Es gibt Ereignisse, die lassen nichts anderes gelten. „There was no music in my life for weeks“, sagt Sharon Jones im Telefongespräch. Dabei sei Musik ihr Leben, sagt sie weiter. Wer die Songs der 57-jährigen Soul-Sängerin kennt, weiß das. Aber genau dieses Leben war nun bedroht. Als Sharon bei einem Konzert im April plötzlich Schmerzen im unteren Rückenbereich verspürte, war dies der Auftakt für einen mehrmonatigen Kampf gegen den wenig später diagnostizierten Bauchspeicheldrüsenkrebs. Die Musik verstummte. Shows wurden gecancelt. Die geplante Veröffentlichung des neuen Albums auf unbestimmte Zeit verschoben. Nach der Entfernung des Tumors spielte sich das Leben nur noch zwischen Krankenbett und Chemotherapie ab. „Every walk to the shower felt like a marathon. The chemo wasted all my energy.”

Sharon Jones

Village Voice

Sharon Jones und der Village Voice Titel

Als ich mit Sharon telefoniere ist es kurz vor Weihnachten. Sie residierte zu diesem Zeitpunkt zwei Autostunden nordwestlich von NYC in Upstate New York. Dort hatte sie bei einer Bekannten Zuflucht und Ruhe gefunden. Ihre Stimme klingt kräftig wie eh und je, obwohl sie sich noch immer schwach fühlt. Lou Reed war vor wenigen Wochen gestorben. „He called when he heared I was sick“. Sharon erzählt über die wechselvolle Beziehung mit dem berüchtigten Grantler. Er habe sie für die Aufführung des „Berlin“ Albums in New York gecastet. Als sie über eines seiner Gitarrensoli improvisierte, hätte er sie sofort gefeuert.

Nur Tage später rief er bei ihr an, um sich zu entschuldigen und sie zu engagieren. Reed war so eingenommen von der Soul-Chanteuse, dass er Sharon für eine Europatour buchen wollte. Als das terminlich nicht klappte, kam es zum nächsten fall-out mit Jones. Am Ende war dann alles wieder gut. Lou hat Sharon bis kurz vor seinem Tod regelmäßig angerufen. „In the end he was the kindest and most caring guy“.

"Boy, you don’t know what I’m all about, I’ll chew you up and I’ll spit you out!" - Retreat

One Night in Harlem

with Sharon Jones and The Dap Kings

Im Interview

Sharon Jones 2010 im Interview bei FM4-Sunny Side Up

“Give The People What They Want” ist das fünfte Studioalbum von Sharon Jones And the Dap-Kings. Alle Stücke sind pre-cancer-recorded und teilweise über zwei Jahre alt. Durch die Erkrankung hätten die Songs eine neue Bedeutung bekommen, so Jones. Da ist etwa das Eröffnungsstück „Retreat!“, eine klare Uptempo-Absage an einen etwas zu forschen Liebeskandidaten. „I’m telling this man: you better step back and stop messing with me! Of course now I’m talking to the cancer! They did this animated video for Retreat! It shows a little wolf dancing around me. Again, it’s the cancer! There are all these little things on the album that have a new meaning now. At least for me.”

Am 15. Jänner ist „Give The People What They Want“ bei Daptone Records erschienen. Es ist die erwartbare aber nie fade Mixtur aus Soul- und Funk-Hadern, die wie aus den sechziger und frühen siebziger Jahren gefallen klingen und dennoch so heiß sind, dass die Fußsohlen nicht zum Stillstand kommen. Hier huldigt Soul dem lebendigen Geist anstatt der vergänglichen Materie.

Sharon Jones

Daptone Records

Give The Peopel What They Want (Daptone Rec 2014)

Wie geht es nun weiter? Den restlichen Jänner wird geprobt. Im Februar geht es auf eine mehrmonatige US-Tour, ehe der Soul-Train der Dap-Kings im Frühjahr in Europa haltmachen wird. Ein Wahnsinn, denken ihre Ärzte. Nicht so Jones. Wenn Musik schon kein Heilmittel während der Erkrankung war, wie es uns vielleicht ein Hollywood-Biopic weißmachen würde, so ist sie doch der große Motivator der Genesung. Jones: „It would have been easy for me to stay home another year and coming out looking all good. But I need music in my life. And getting back on the road will also help heal me faster.”

Give The People What They Want

Mit „looking all good“ spielt Sharon auf ihr Erscheinungsbild an. Nach der Chemo fand sich kein Haar mehr auf ihrem Kopf. Die vormalig gut beleibte Sould-Diva hat fast die Hälfte ihres Körpergewichts verloren. Doch beim Fotoshoot für eine Titelgeschichte der Village Voice, der während einer Video-Recording-Session für den Song „Stranger To My Happiness“ stattfand, weigerte sich Jones, eine Perücke aufzusetzen. „That’s not who I am“, sagt sie und klingt immer noch etwas entrüstet, „Besides, the way I move, this thing wouldn’t last a minute“.

Wo andere Zweckoptimismus vorschieben, bleibt die als „Powerhouse“ bekannte Sharon Jones vorsichtig in Bezug auf ihr Bühnen-Comeback im Februar. Dennoch zweifelt sie nicht am Sinn dieser Herausforderung: „I’m just gonna be a different Sharon and yes this is a little bit scary. I defenitely will have to work things in a different way. But that’s what soul music is about anyway. Just get out there and sing from your heart and your soul ist just going with it.”