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Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

10. 4. 2010 - 07:07

Sharon Jones and The Dap-Kings

Vom Knast zur Hochzeit und zurück. Die Soul Queen aus New York im Interview bei FM4-Sunny Side Up und das neue Album "I Learned The Hard Way".

Warum sie das Interview mit der Associated Press abgesagt habe, will ein fassungsloser Neal Sugarman wissen. „Because I have to do my laundry!“ Sharon Jones steht vor ihrem Bandkollgen wie ich sie vom Dark Was The Night Auftritt in Erinnerung habe: überlebensgroß.

Sharon Jones

Christian Lehner

Mit dieser Antwort hat sich auch die Frage nach der lebensverändernden Qualität des späten Erfolgs erledigt, die ich Jones noch stellen wollte. Neal, der Daptone Records Co-Chef, versucht zu begreifen: „But this AP stuff goes out to thousands of newspapers worldwide! And you can afford to drop off your laundry by now!” Jones im Call-And-Response Modus: “I don’t care, my mother is waiting. I gotta go, honey.” Punkt.

Daptone Records Studio Mischpult

Christian Lehner

Eine gute Stunde vor diesem Tête-à-tête im Studio sitzen wir in der Betriebsküche von Daptone Records in Bushwick/Brooklyn. Sharon Jones kichert wie ein Teenager. Sie wirkt richtig klein, vielleicht weil sie in Wirklichkeit gar nicht so groß ist wie auf der Bühne, oder im Furor. Wir sind umzingelt. Nicht etwa von kulinarischen Köstlichkeiten in Lauerstellung. Es sind schattenwerfende Kartonungetüme, vollgepackt mit Vinyl und CD Versionen der neuen Sharon Jones & The Dap-Kings Platte I Learned The Hard Way. Die Nachfrage ist groß. Hier hat die Krise der Kollegen den Blues, weil nicht vorhanden. Das Special Interest Label steckt nicht nur hinter dem anhaltenden 60ies Soul Revival. Es war auch an dessen größter Erfolgsgeschichte beteiligt. Die Dap-Kings haben als Backing-Band von Amy Winehouse den Sound zum weltweiten Hitalbum 'Back To Black' beigesteuert.

Sharon Jones, schwarzweiß

Christian Lehner

Sharon erzählt von der Fernsehshow. Sie ist mit den Dap-Kings tags zuvor bei Mo'Nique aufgetreten. Die schwarze Talk-Show-Gastgeberin ist vielen in Europa erst seit ihrem Oscar für die beste Nebenrolle in Precious ein Begriff. „When she came on stage to introduce our act, me and the boys were pretending to run away and hide from her. Like she was the character in the movie!“ Mo'Nique habe das lustig gefunden, versichert Jones. Dann berichtet sie von den Musik-Sessions mit Matt Berninger von The National, die letzte Woche in Manhattan stattgefunden haben und schwärmt über ihre Freundin und Kollegin Erykah Badu. Das war noch vor Badus „Dallas“ Video.

Der kindliche Überschwang, mit dem Jones erzählt, die Begeisterung, mit der sie ihre Umwelt auch abseits der Bühne ansteckt, wo diese Frau DYNAMIT ist, lässt sich ganz gut aus dem Namen des aktuellen Albums ableiten. Der würde nämlich auch hervorragend als Titel zur Lebensgeschichte der Soul Diva mit dem Sinn für saubere Wäsche eignen.

Sharon Jones

Christian Lehner

Aufgewachsen im Süden zu einer Zeit, als Schwarze noch auf separaten Parkbänken Platz nehmen mussten, verpönt von einer Musikindustrie am Höhepunkt des späten Soul und frühen Funk, für die Jones abwechselnd „zu schwarz, zu klein, zu dick, zu hässlich“ und schließlich „zu alt“ war, Jobs als Gefängniswärterin und Geldtransport-Wächterin annehmend, sich als Hochzeitssängerin durchschlagend und schließlich, in den 90ern, von jenen entdeckt, die heute die Daptone-Familie bilden, hat Jones während dieser fast vier Dekaden der Zurückweisung und Demütigung nie das Mikrophon zur Seite gelegt.

Das hört man in ihrem Soul. Das ist der Treibstoff ihrer Musik. Jones mag 53 sein, doch jeder ihrer Töne ist hungrig und frisch. Sentiment und Wehmut klingen bei ihr nach Überwindung und Triumph. Das, obwohl der Sound bewusst an den 60ies und 70ies Größen des Soul und Funk angelehnt ist und sogar im analogen Vintage-Modus hergestellt wird.

„Some people consider us retro“, beginnt Jones dann das offizielle Interview. “We don’t. We just make music that connects to your soul.”

Plakate im Dapton Records Studio

Christian Lehner

Was die Soul Queen aus New York noch zu sagen hatte über einen gewissen James Brown, den Süden, die Daptone Family, ein Leben als Knastwärterin und Hochzeitssängerin und natürlich das neue Album "I Learned The Hard Way", ist am Sonntag in FM4 Sunny Side Up , hier und als Interview Podcast zu hören.