Erstellt am: 13. 1. 2014 - 19:58 Uhr
Neues vom Geräuschemacher
fm4.ORF.at/netzkultur
Netze auswerfen in den Weiten des WWWs.
Gute Unterhaltung ist oft nur einen Knopfdruck entfernt. Ein Druck auf die "Mute"-Taste bei der Fernbedienung und vor allem Werbespots entfalten eine unfreiwillige Komik. Exaltierte Gesten, doofe Gesichtsausdrücke und kuriose Plots werden ohne die dick aufgetragenen Audiospuren als das entlarvt, was sie meist sind: absurde übertrieben inszenierte Kaufverführungen. Das Spiel mit der fehlenden Tonspur lässt sich freilich auch in anderen Fällen anwenden. Immer muss es auch nicht beim komplett stumm geschalteten Ton bleiben. Man kann auch neue Spuren dazugeben. Maschek etwa wurden durch ihr Live-Drüberreden weltberühmt in Österreich, Kurt Razelli macht aus markanten Meldungen und Meinungen originäre und originelle Musikstücke und Mario Wienerroither vertont Musikvideos mit eigenen Geräuschen sowie Acapella-Spuren aus dem Netz komplett neu. Moment, wer ist Mario Wienerroither?
Ich fahre mit Erdgas
Mario Wienerroither
Der aus Oberösterreich stammende und in Wien lebende Musikproduzent und Sounddesigner ist schon seit rund 15 Jahren mit seiner Elektronikbubenband Erdgas tätig. Zwar nicht im hellsten Rampenlicht, dafür konsequent und an verschiedenen Stellen mit unterschiedlichen Musikstücken. Einige Tracks schafften es auf Compilations (u.a. FM4 Sound Selection 11), es gibt eine 12-inch und auch ein auf monkey music erschienenes Album auf CD.
Weil mit dem Musikkünstlertum aber meist nicht alle Brote und Teepackerln gekauft werden können, die ein Leben so braucht, ist Mario hauptberuflich als Audioproduzent für Filme sowie die Werbeindustrie tätig. "Wenn ich Musik für Werbung und Filme produziere, kann ich nicht zu den Videoclips, die mir geschickt werden, irgendwelche unpassenden Sounds hernehmen." Mit diesem Anspruch ist vor einigen Monaten eine Idee umgesetzt worden, die Mario Wienerroither schon seit vielen Jahren mit sich herumträgt: Er nimmt einem Musikvideo die Musik weg und vertont das, was man im Clip sieht (bzw. Teile davon), komplett neu.
Man merkt, dass hier jemand am Werk ist, der etwas von seinem Handwerk versteht. Die Neuvertonung eines Videos fällt in den Arbeitsbereich des sogenannten Foley Artist, im deutschsprachigen Raum Geräuschemacher genannt: alle Geräusche, die eine Szene hergibt, werden professionell aufgenommen und nachträglich in die jeweilige Szene eingebettet. Authentizität und zeitlich korrekte Positionierung sind hier die wichtigsten Faktoren.
Musikvideos statt Filmtrailer
Ursprünglich ist Mario in die Audiobranche gekommen, weil er Filme bzw. Filmtrailer vertonen wollte. Nach kurzer Zeit ist er dann aber beim Musikmachen gelandet. Dass Musik und das Musikvideo eine starke Faszination ausüben, ist verständlich. Musikvideos hatten ihren großen Aufstieg Anfang der 80er Jahre, als MTV Jugendkultur nachhaltig verändert hat. Vor circa zehn Jahren ist das Musikfernsehen dann durch Clips im Netz ersetzt worden. Dabei ist das Musikvideo aber noch wichtiger geworden, als es davor schon war - bekannte Popsongs haben heute auf YouTube oft weit mehr als 100 Millionen Klicks.
Damit ein Clip aber perfektes Material für ein "Musicless Musicvideo" hergibt, braucht es ein paar Faktoren, die erfüllt sein müssen: "Es muss eine Band sein, die mir immer schon gefallen hat - ich will ja die Band nicht verarschen, denn eigentlich soll es eine Ode sein. Dann muss sich das Video dafür eignen und es muss ein Acapella von dem Lied geben."
Copycats und virale Verbreitung
Das Öffentlichmachen der Videos passierte seitens Mario vorerst nur zögerlich, weil es in einen Copyright-technischen Graubereich fällt. Das Nutzen von eigenen Sounds und Acapella-Spuren ist kein Problem, weil das als Coverversion zu verstehen ist. Beim Verwenden des originalen Videomaterials ist das nicht ganz so klar. Dennoch darf man darauf hoffen, dass der virale Effekt der 80-Sekunden-Clips wichtiger ist als der mögliche Vorwurf einer Urheberrechtsverletzung.
A propos viral: Das Prodigy-Video ist schon nach wenigen Tagen fleißig geklaut und an anderen Orten gepostet worden. Das ist zwar ärgerlich, das kopierte Video des Hauptübeltäters wurde aber mittlerweile offline genommen. Derzeit sammelt vor allem Marios eigener Kanal eifrig Klicks - aktuell klettert der Prodigy-Counter fast minütlich in Tausenderschritten nach oben.
A propos Copycats: Manche werden sich erinnern, dass 2012 das selbe Prinzip schon auf das Meme bzw. den Überhit "Gangnam Style" angewandt wurde. Mario Wienerroither kennt das, winkt aber ab: "Das Konzept ist bei mir schon genauso alt wie 'Mission: Impossible 1'. Damals habe ich den Trailer in die Hand bekommen und schon da habe ich den Originalton weggeschnitten und stattdessen versucht, etwas Eigenes zu gestalten." Womit wieder einmal bewiesen wäre: Das Internet und der riesige Pool an kreativen Menschen, die es mit Edits, Remixes, Mods und Cover befüllen, ist größer und reichhaltiger als jede schnöde Copyright-Stichelei. Mario war natürlich trotzdem der Erste.