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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

7. 12. 2013 - 16:29

Comics aus der Maschine

"Minty Toons" ist ein Comic-Algorithmus, der abwechselnd verblüffende, sinnlose und unterhaltsame Ergebnisse liefert.

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Memes, Lolcats und mehr. Der Subkultur-Code des Internets

Web-Comics sind in machen Fällen fast so erfolgreich wie Katzenbilder und gehören seit langer Zeit zum digitalen Alltag. Online-Comics zum Selbermachen sind auch nichts neues, die gibt es seit weit über zehn Jahren - etwa den Stripcreator. Als Mitte der 2000er Social Media-Plattformen ihren Siegeszug antraten, sind die Eigencomics zunehmend mit Avataren von sich selbst und den Freunden personalisiert worden. Derzeit gipfelt der Comic-Enthusiasmus durch "BitStrips", obwohl es das auch schon einige Jahre gibt.

Bitstrip My Ass!
Vorsicht, ein Facebook-Trend geht um: Bitstrips. An der Comic-App scheiden sich die Geister. Auch in der FM4-Redaktion.

Völlig neu ist hingegen die Idee, die Erstellung des eigenen Comics inhaltlich komplett aus der Hand zu geben und einem Algorithmus zu überlassen. Auf dieses experimentelle Konzept haben sich das Wiener Computerspielstudio Game Gestalt unter der Leitung von Designer Lev Ledit und Chefprogrammierer Martin Porocnik mutig eingelassen. Sie haben die Zeichnungen und Illustrationen von ihrer ehemaligen Online-Welt "Papermint", eines ihrer großen Vorgängerprojekte, hergenommen und daraus etwas völlig anderes kreiert: "Minty Toons", eine auf den ersten Blick unscheinbare Facebook-App, in der man seinen Avatar einkleiden und einen seiner Friends neben sich stellen kann. Dann sucht man sich ein bestimmtes Überthema aus (Beziehung, Arbeit, Hobby, usw.). Die Magie beginnt, wenn man anschließend auf den Button "Comic!" klickt.

Ein Comic, in dem steht: Robert: "Gleichberechtigung ist erst dann erreich, wenn auch völlig kompetenzlose Frauen in tragenden Positionen sind." Sarah: "Magst du sie nicht?"

Creative Commons

"Sinnvoll maschinell geschriebene Comics"

Aus einem Pool von etwa 1.000 Wörtern und diversen (vielen) Regeln, wie sich ein deutscher Satz grammatikalisch richtig zusammensetzt, zaubert der "Minty Toons"-Algorithmus nach ein paar Sekunden einen kleinen Dialog zwischen einem selbst und der Person, die man neben sich gestellt hat. Manchmal ist das, was dabei rauskommt, blanker Unsinn, manchmal ist es fortgeschritten kurios, und dann gibt es auch noch die Momente, wo du laut loslachst oder dich wunderst, wie der Geist in der Maschine das so genau treffen konnte. Gibt es nun Zufälle oder doch nicht?

Das Prinzip sei dasselbe wie bei Horoskopen, meint Lev Ledit, wo man aus zwölf völlig unpersönlichen Kurztexten den jeweiligen Inhalt im Hirn so lange weiterspinnt, bis er für einen selbst personalisiert ist und Sinn ergibt. Diese Interpretationsleistung ist in gewisser Weise eine Errungenschaft, die wesentlich befriedigender ist als wenn man bloß einfach so einen doofen Satz in die Sprechblase schreibt. Natürlich muss man "Minty Toons" Zeit geben sich zu entfalten, denn es kann schon sein, dass die ersten paar Versuche nicht mehr als ein großes Fragezeichen über dem Kopf entstehen lassen. Aber je mehr Themen und Facebook-Friends durchgetestet werden, desto begeisterter wird man von der ständigen Verblüffung über das, was da jetzt schon wieder ausgespuckt wurde. Es ist ein bisschen so, wie wenn man (schlechte) Online-Übersetzungstools mit Texten in einer Fremdsprache füttert und in die eigene Muttersprache übersetzen lässt - in der Hoffnung, durch das Endergebnis anständig amüsiert zu werden.

Ein Comic, in dem steht: Robert: "Die neuen Videospiele sind doch alle gleich." Christoph: "Hmm?"

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Ausbaubare Präsentation, großartiges Konzept

Die mit "Minty Toons" erstellten Comics unterliegen übrigens einer Creative Commons-Lizenz.

Die beiden Hauptprobleme, die "Minty Toons" zum jetzigen Zeitpunkt hat, ist einerseits der Umstand, dass sich das schlaue Konzept nicht sofort erschließt. Andererseits sind die "Papermint"-Grafiken von Art Designerin Barbara Lippe zwar charmant und mit hohem Wiedererkennungswert versehen, wirken im Vergleich zu den visuellen Üblichkeiten der Mobile-Games-Generation dennoch etwas veraltet - immerhin sind die Assets in den Jahren 2006, 2007 entstanden. Die Applikation auf Facebook ist nicht die schnellste und die Bedienung anfangs etwas ruppig, nach ein paar Minuten hat man sich aber daran gewöhnt. Die Entwickler betonen, dass "Minty Toons" in der Beta-Phase ist und derzeit erst knapp die Hälfte der gesamten Entwicklungszeit erreicht ist. Insofern kann man noch mit vielen Überraschungen rechnen. Was schon jetzt geht und ein großer Spaß im digitalen Sozialmedienalltag ist: die "selbst" erstellten Comics mit der Person der Wahl teilen, das Bild auf die eigene Wall posten oder im Fotoalbum speichern. Dass die App auf Facebook limitiert ist, schließt natürlich einige Leute aus, Martin Porocnik versichert aber, dass mobile Versionen von "Minty Toons" in Arbeit sind.

Für alle early adopter gibt es 250 Minzen (die In-Game-Währung, rübergerettet von "Papermint") gratis, damit man sich ein paar schicke Outfits leisten kann. Langfristig soll das Spiel über In-App-Käufe finanziert werden. In geringem Ausmaß kostenpflichtig sind dabei nicht nur Bekleidungsteile, sondern auch diverse Features wie das neue Generieren einzelner Teile eines Comics - für den Fall, wenn man dann mal doch eine konkrete Botschaft hat, die man bei ihr oder ihm anbringen möchte.

Ein Comic, in dem steht: Robert: "Puh! Ein nicht enden-wollender Tag in der Arbeit. Was kann ich jetzt tun? Conny: "Jogginghosentag!"

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