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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

7. 12. 2013 - 12:23

Erster Coffeeshop in Deutschland?

Der Görli-Coffeeshop ist nichts weiter als ein halbherziger PR-Gag: Joints mit Biosiegel für den gesundheitsbewussten Kiffer statt humaner Flüchtlingspolitik. So bleibt den Berlinern wenigstens eine weitere Touristenattraktion erspart.

Aus dem Leben der LoFi-Boheme

Geschichten aus Berlin von Christiane Rösinger

Ab nächsten Mai könnte es eine neue Touristenattraktion in Kreuzberg geben: Den ersten Coffeeshop Deutschlands. Am Mittwoch Abend beschloss nämlich das Bezirksparlament Friedrichshain-Kreuzberg ein "Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis" zu beantragen.

Mit diesem Modellprojekt will man versuchen, das Problem der steigenden Anzahl von Dealern in einer beliebten Kreuzberger Grünfläche, dem Görlitzer Park zu lösen. Bereits Ende der Achtziger Jahre begann man auf dem früheren Bahnhofsareal die Schienen heraus zu reißen und einen Park anzulegen, seitdem wird im Park Gras und Haschisch verkauft.

Joint

dpa/Oliver Berg

Früher trafen sich dort eher die Berliner Interessenten, heutzutage wird das größte Geschäft mit Touristen gemacht. Gestört hat sich in all den Jahren außer der Polizei keiner groß daran, dass hat sich nun aber geändert. Immer mehr Dealer, hauptsächlich Flüchtlinge aus afrikanischen Ländern, stehen in Gruppen an den Parkausgängen und warten auf Kundschaft - denn in den letzten Jahren kamen mehr Flüchtlinge nach Berlin und das deutsche Asylrecht verbietet ihnen eine Arbeit anzunehmen. Die Zahl der Dealer stieg und gleichzeitig wurde der Görlitzer Park zum gefährlichen Ort hochstilisiert. Für den Langzeit-Kreuzberger scheint alles beim Alten zu sein, viele gehen seit Jahren täglich durch den Park und sind noch nie von Dealern angegriffen oder bedroht worden, sieht man mal von der branchenüblichen Frage nach dem Kaufinteresse ab.

Aber nun beschweren sich die Anwohner, der Park gehöre nicht mehr ihnen, es wären einfach zu viele Dealer. Dabei äußerte sich die Mehrzahl der Anwohner bislang auf Diskussionsveranstaltungen ganz kreuzbergerisch: Der Park ist für alle da, nicht nur für Klein- und Großfamilien und Partypeople und Hundebesitzer, Sportler und Spaziergänger, sondern auch für die Kiffer, Dealer und Obdachlose. Jetzt aber fühlen sich einige bedroht, weil es ihnen unangenehm ist, immer durch ein Spalier von Drogenverkäufern zu gehen. In diesem sensiblen Geflecht von Einander-Aushalten ist die Überzahl der Händler das Problem und durch die größere Konkurrenz untereinander bewerben manche ihre Produkte auch energischer als zuvor.

Cannabis-Pflanzen

APA/EPA/EFE/Luis Eduardo Noriega

Zur Entspannung der Lage brachten die Berliner Grünen die Idee eines Coffeeshops in Kreuzberg auf. Dass eine große Nachfrage nach Cannabis besteht und der Konsum nicht schädlicher ist als andere Genussgifte wie Alkohol, ist inzwischen ja längst erwiesen.

Bürgermeisterin Monika Hermann erklärte in ihrer Pressemitteilung: "Wenn wir garantieren wollen, dass Cannabis nicht an Unter-18-Jährige verkauft wird und die Qualität ok ist, müssen wir das unter Kontrolle bekommen." Der Bezirk setzt dabei auf einen Paragrafen im Betäubungsmittelgesetz. Darin heißt es: "Eine Erlaubnis zum Drogenverkauf kann das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilen".

Kifferrepublik Deutschland?
In Deutschland fordern 105 Wissenschaftler die Legalisierung von Cannabis, da die Prohibition in jeder Hinsicht gescheitert sei.

Aber wem wäre mit einem Coffeeshop tatsächlich geholfen? Eigentlich nur den gesundheitsbewussten Kiffer, die könnten dann ab Mai legal Joints mit Biosiegel kaufen, womöglich aus klimaneutralem Anbau mit Fair-Trade-Plakette. Aber ein Coffeeshop würde noch mehr Erlebnistouristen nach Kreuzberg bringen, die wiederum erfahrungsgemäß noch nerviger sind als die Kleindealer. Diese würden hingegen wahrscheinlich nicht einfach abwandern, sondern die staatlichen Preise unterbieten und Marihuana auch an die im Coffeeshop abgewiesenen Jugendlichen verkaufen. Der Plan der Grünen sieht auch vor, Streetworker in den Park zu schicken und den Flüchtlingen legale Beschäftigungen zu vermitteln - aber dazu müsste man nicht Cannabis sondern die Flüchtlinge legalisieren. Ein Coffeeshop ersetzt nicht eine humane Flüchtlingspolitik.

Kiffende Jugendliche im Coffeeshop

dpa/Oliver Berg

So ist der hehre Coffeeshop-Plan der Grünen eigentlich nur Augenauswischerei und ein halbherziger PR-Gag. Außerhalb von Kreuzberg wird kaum jemand den Vorschlag unterstützen - aber so bleibt den Anwohnern wenigstens eine weitere Touristenattraktion erspart und im Park alles beim Alten.