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Robert Zikmund

Wirtschaft und Politik

28. 11. 2013 - 16:30

Kifferrepublik Deutschland?

In Deutschland fordern 105 Wissenschaftler, darunter prominente Strafrechtler, die Legalisierung von Cannabis, da die Prohibition in jeder Hinsicht gescheitert sei und nicht mehr aufrecht zu erhalten.

Kifferrepublik Deutschland? Mit diesem Titel ließ diese Woche die deutsche Zeitung „Die Welt“ aufhorchen. Bis zu vier Millionen Bundesbürger und Bundesbürgerinnen konsumieren regelmäßig Cannabis und immer mehr Menschen beginnen die Pflanzen in ihren Wohnungen zu ziehen, um nicht mit Schwarzmarkt und Drogenszene in Kontakt zu kommen. Tatsächlich ist die Prohibition sogenannter weicher Drogen höchst umstritten, selbst Ex-UNO Generalsekretär Kofi Annan sagt, dass diese Kriminalisierung nur der Mafia hilft. Und nachdem etliche Länder ihre Gesetze bereits geändert haben melden sich nun in Deutschland die Juristen zur Wort: 105 Wissenschaftler, darunter prominente Strafrechtler, fordern nun die Legalisierung, da die Prohibition in jeder Hinsicht gescheitert sei und nicht mehr aufrecht zu erhalten.

Cannabis-Pflanzen im Blumentopf

cc by Flickr-User r0bz

Nun will man, dass eine sogenannte „Enquete-Kommission“ eingerichtet wird, also ein parlamentarischer Ausschuss, der Forschungsergebnisse und Fakten sammelt, um dann eben Bundestag und die neue Bundesregierung zu beraten. Ziel soll es sein, das Betäubungsmittelgesetz zu ändern, wie das ja in den letzten Jahren etwa auch in Bundesstaaten der USA oder Portugal passiert ist.

Ich habe mit dem Strafrechtsprofessor Lorenz Böllinger von der Uni Bremen telefoniert, er ist einer der Strafrechtsprofessoren die bei diesem Vorstoß der Juristen engagiert sind.

Robert Zikmund: Herr Professor, in der Welt steht, dass 40% der deutschen Strafrechtler mit an Bord wären. Wie wollen Sie denn konkret nun die neu gebildete Regierung Angela Merkels mit der SPD beeinflussen?

Professor Böllinger: Worauf die Kollegen und ich abzielen ist eben eine Enquete-Kommission. Es gibt nach der Geschäftsordnung des deutschen Bundestags ja Untersuchungsausschüsse und auch diese Kommissionen. Die müssen dann zusammengestellt werden, wenn 25% der Abgeordneten das beantragen, gleich von welcher Partei. Wir brauchen also etwa 120 Abgeordnete die wir motivieren können so einen Antrag zu stellen, das ist die Klippe auf die wir jetzt zusteuern. Wenn das passiert und diese Kommission zusammentreten kann, werden dann über längere Zeit alle wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesem Thema dort gesammelt. Der Ausschuss bestimmt, wer dort dann gehört wird. Und dann macht die Kommission eine Empfehlung zur Gesetzgebung wo eben entsprechende Änderungen des Betäubungsmittelgesetzes veranlasst werden sollen. Das ist mal die Planung, ob die gelingt ist eine andere Frage.

Was wären aus ihrer juristischen Sicht die vordringlichsten Änderungen?

Als unmittelbare Konsequenz würde ich raten, Cannabis aus der Liste der verbotenen Drogen zu nehmen. Dann sollte man sich die Regulierungsmodelle, die es ja für Cannabis schon gibt, anschauen und auch verwirklichen. So wie das ja zwei Bundesstaaten in den USA gemacht haben. Aber: Die Enquete-Kommission zielt weiter. Sie zielt darauf ab, das gesamte Prohibitionssystem (also auch von Heroin oder Kokain, Anm.) in Frage zu stellen. Man muss für jede Droge eine spezifische Regulierung finden, die der Sache angemessen ist.

In Deutschland, aber auch in Österreich, beobachten wir den Trend, dass immer mehr Konsumenten zuhause ein bis zwei Cannabis Pflanzen ziehen – wie soll sich da die Rechtslage ändern?

Das sollte auf jeden Fall legal sein, wenn es für den Eigenbedarf geschieht. Da muss man dem Freiheitsrecht der Bürger soweit entsprechen. Man kann ja auch sonst gesundheitliche Selbstgefährdung nicht verhindern. Noch dazu ist die bei Cannabis sehr gering, es gibt keinen einzigen bekannten Todesfall. Alle bisherigen Gesundheitsschäden sind bisher wegen problematischer Beimengung oder wegen der Unkalkulierbarkeit des Wirkstoffgehalts entstanden. Man könnte mit entsprechender Regulierung auch Herstellung und Vertrieb staatlich kontrollieren, wie bei Medikamenten oder Alkohol. Da gibt´s ja auch keine freie Herstellbarkeit. Wie die einzelnen Regulierungen dann aussehen werden, kann man jetzt noch nicht sagen, Modelle gibt es aber genug.

Was sind denn jetzt so die allerwichtigsten juristischen Gründe für die Legalisierung?

Also einmal die kriminologischen Aspekte, dass die Strafverfolgung enorme Schäden bewirkt, die in keinem Verhältnis zu dem mutmaßlichen Nutzen stehen. Es gibt eigentlich gar keinen erkennbaren Nutzen, da wir aus der Forschung wissen, dass sich kein Cannabiskonsument durch das Strafrecht abschrecken lässt. Cannabis ist fast überall erhältlich, obwohl es illegal ist, allerdings weiß man aber nicht was drin ist. Und die Strafverfolgung ist auch sehr teuer und verursacht auch Beschädigung von Lebensläufen. Wir haben über 100.000 junge Menschen die wegen Cannabis strafverfolgt werden – das sind einfach über 100.000 beschädigte Lebensgeschichten zu viel.

Abschließend noch – man kennt diese Argumente ja jetzt schon eine geraume Zeit, selbst Prominente wie Kofi Annan haben sich gegen die Prohibition ausgesprochen, immer wieder wurde mit Vernunft argumentiert. Trotzdem habe ich etwa vor einem Jahr mit der österreichischen Innenministerin gesprochen und da meinte sie bei Vorlage all dieser Argumente: „Man kann doch nicht aufgeben!“ Was macht sie als optimistisch, dass sie jetzt mit diesem Vorstoß erfolgreich sein könnten?

Ich kann das wirklich nicht verstehen, ich kann mir das nur damit erklären, dass dies so eine Art Sturheit und Angst vor Veränderung ist. Angst auch, bestimmte Kontrollmittel aufzugeben, die stark mit der Drogenkontrolle verbunden sind. Man hat ja damit polizeiliche Interventionsmittel geschaffen, die auch in anderen Zusammenhängen verwendet werden. Es ist ein ähnlicher Hebel wie der Terrorismus, mit dem man Freiheitsrechte über die Maßen einschränken kann. Von der ökonomischen Seite her, aber natürlich auch von der juristischen und medizinischen, ist es unverständlich. Denn alle Welt weiß, dass erst die Prohibition all diese Probleme wie Schwarzmarkt, Mafia, milliardenschwere Schattenwirtschaft und Geldwäsche schafft. Alle kundigen Leute wissen, dass das Vorhaben Drogenwirtschaft durch Repression in den Griff zu bekommen eine Illusion ist.