Erstellt am: 7. 11. 2013 - 11:13 Uhr
Vlog: Farewell, Ferrell!
Ich nehme an, es waren eher terminliche Gründe, als andere, dass Will Ferrell ausgerechnet am letzten Tag der Viennale das Filmfestival besucht, aber nichtsdestotrotz hat diese Adventkalender-Methode etwas für sich. Wir sind beim letzten Türchen angekommen und auch, wenn wir all die Tage zuvor was bekommen haben: Das hier ist etwas Besonderes. Vor allem auch deswegen, weil das Will-Ferrell-Tribute etwas war, womit einem die Viennale tatsächlich überrascht hat. Die Liebe zur Komödie, und dann auch noch zur aktuellen, amerikanischen, heftet sich das Festival ja ansonsten eher nicht auf die Fahnen. Leuchtende Gesichter also im Foyer des Gartenbaukinos, Vorfreude und leichte Aufregung flirren im Raum. Einer hat sich tatsächlich in "Anchorman"-Schale geworfen und streift mit Perücke und 1970er-Anzug herum.
APA
Bis Will Ferrell dann die Bühne des Gartenbaukinos erklimmt, manifestiert sich so was wie ein kleiner Witz rechts des Kinosaals, quasi Backstage. Wie viele Menschen benötigt man, bis ein Stargast seinen Auftritt machen kann? Sehr viele. Es wurlt vor und hinter dem Vorhang, offenbar hat jede dieser Personen eine Aufgabe und in einer unsichtbaren Rangordnung passieren hier Entscheidungen, die für Beobachter aber verborgen bleiben. Ständig zieht jemand anderer am Vorhang, öffnet ihn hier und schließt die Lücke da, gerade so, als wären wir hier in Oz und sollten keinen Blick auf den Mann hinter dem Vorhang werfen.
APA/Georg Hochmuth
Nach 40 mal Vorhang zupfen, löst sich Hans Hurch aus der wurlenden Menge und erzählt die gute Geschichte, wo die Idee zu diesem Tribut geboren wurde. Als "The Other Guys" vor ein paar Jahren der Überraschungsfilm war, brach ein Teil des Publikums in Jubelschreie aus, andere verließen den Saal und eine Dame zischte Hurch "Schämen sie sich" zu. Die Filmkomödie teilt seit jeher das Publikum in die, die sie verehren und die, die schreiend davon rennen. Das Schöne an der Komödie ist auch, dass immer ein Rest Rätsel bleibt, warum man etwas komisch findet und etwas Anderes so gar nicht. Ferrell, wie auch Adam Sandler, Zach Galifianakis, Larry David, Louie C.K oder Sarah Silverman werden entweder verehrt oder gemieden, dazwischen gibt es da relativ wenig.
Als dann endlich Will Ferrell im Anzug die Bühne betritt und nach einem Blick ins gewohnt leger gekleidete Viennale-Publikum wirft und kommentiert, er sei wohl overdressed, zeigt sich wieder mal die Stärke des Komödianten in der Spontaneität, im Reagieren auf das Publikum, davon werden wir an diesem grandiosen Abend noch viel sehen. Es gibt Standing Ovations, in denen man, wenn man genau schaut, sieht, wie Ferrell Herzen zufliegen. Das hier hat nichts mit Celebrity-Voyeurismus zu tun. Dieser Raum ist - um Ron Burgundy zu ziteren - ein (glass) Case of Emotion. Mir fällt wieder Hans Hurchs Satz von der Pressekonferenz ein, dass er nichts vom "Fan-Sein" hält, der Satz muss ihn eigentlich an diesem Abend wie ein erkenntnisartiger Boomerang treffen. Das Fan-Sein ist ja keine dumpfe, blinde Huldigungshaltung. Fankultur gehört zum Kino genauso wie das Entdecken von Neuem und Unbekannten. Diese Mischung aus Freude, Aufregung, Verehrung aber auch das Gefühl, sich mal bei jemandem zu bedanken, der einem seit Jahren mit seinen Filmen so viel grandiose Momente beschert hat, erfüllt den Raum und genau diese Momente sollte es auf Filmfestivals öfter geben.
APA/Georg Hochmuth
Viennale
Alle Artikel zum Vienna International Film Festival:
- fm4.ORF.at/viennale: Das Viennale Tagebuch
- Will Ferrell Tribute: Eine Verbeugung vor dem Komödianten
- ORF.at/viennale
Ferrell, der übrigens viel größer und schlanker ist, als man annehmen würde, hat nicht nur 31 T-Shirts mitgebracht, die im Saal verteilt werden, auch Szenen aus "Anchorman 2" werden gezeigt. Zunächst aber macht die Viennale gut, was uns die österreichische Kinolandschaft im Jahr 2004 versagt hat und zeigt "Anchorman" auf großer Leinwand. Was soll man zu diesem Komödien-Edelstein noch sagen, außer, dass er exzellent altert? Ich beneide diejenigen (falls es sie in diesem Raum überhaupt gibt), die den Film zum ersten Mal sehen, aber auch das Wiedersehen mit Ron Burgundy und seinen wilden Kerlen ist natürlich die reinste Freude. (Ich werde wieder daran erinnert, wie gern ich Vince Vaughn mag und kann mich wieder darüber wundern, warum es nicht viel mehr wahnsinnige Rollen für Steve Carell gibt). Die ebenfalls reinste Freude ist es auch - und darauf kann man während der Viennale schon mal vergessen - in einem vor Lachen bebenden Kinosaal zu sitzen. Ich hab' das vermisst, ich schau' mir auch deswegen Komödien so ungern in Pressevorführungen an. Und wer je in einer derartigen Vorstellung war, kann die Idee, sich Komödien zuhause im Stream anzusehen, nur mehr absurd finden.
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Statistiken und Preise: Alles über Auslastung und die vergebenen Preise gibt es auf ORF.at zum Nachlesen.
Im Publikumsgespräch mit der amerikanischen Filmjournalistin Lisa Nesselson ist Ferrell - und damit haben wir eh alle gerechnet - sympathisch und gut gelaunt - und kann während des Gesprächs aber einige Male die Interview-Situation hervorragend torpedieren. Als Nesselson meint, sie habe gelesen, er sei germophobe, streitet Ferrell das ab, um dann mit einem Taschentuch eine der kleinen Mineralwasserflaschen zu putzen und sich einen Schluck in deren Stöpsel einzuschenken. Ich weiß eh, nacherzählte lustige Begebenheiten sind ein Krampf, aber dieses Beispiel zeigte gestern so schön, wo Ferrells Komik herkommt, das Talent der schnellen Reaktion, die Liebe zum Wahnsinn.
Er erzählt vom Aufwachsen im wohlbehüteten Kalifornien, von der Arbeit mit Regisseur Adam McKay und dass "Anchorman" und "Stranger Than Fiction" ein bisschen die Lieblinge im eigenen Oevre sind. Ein junger Mann hat seine Diplomarbeit über Will Ferrell und Adam McKay geschrieben und lässt sie sich signieren, und auch das ist so schön, dass die Beschäftigung mit Komödie weitergehen kann, wenn der Abspann längst vorbei ist.
Es folgen noch zwei Szenen aus "Anchorman 2", der am 24. Jänner 2014 in Österreich starten wird, eine herrlich absurde Unfallsequenz, die wieder das fantastische Händchen McKays für diese Szenen zeigt, die man am besten mit dem Anchorman-Zitat "That escalated quickly" beschreibt.
universal
Strahlende Gesichter und kichernde Gestalten stolpern hinaus in die Nacht und machen den letzten Viennale-Tag zum tatsächlich besten Viennale-Tag für mich, weil ich bin berauscht und glücklich und durchgebeutelt. You stay sassy, Viennale, das steht dir besser, als du denkst. Jetzt hast du ordentlich mit der Popkultur geschmust und gar keinen Ausschlag davon bekommen. Bis nächstes Jahr dann.
Auch nicht schlecht: Will Ferrell mit Tiara am Prom, mit Esther Williams würdiger Haube und in David-Brent-Pose am Eisbärenfell.
Und ihr so?
Was waren eure High- und Lowlights, was habt ihr vermisst, wie waren die Parties und wie geht es kinotechnisch jetzt weiter? Wann kommt endlich "Aint them Bodies Saints", läuft "This is the End" überhaupt noch irgendwo, wie kann es sein, dass weder "Prince Avalache" noch "Joe" einen regulären Kinostart in Österreich hat, soll ich noch versuchen, mich mit Jerry Lewis anzufreunden (Retrospektive läuft noch bis 24. November), und juhu - eine Woody Allen Schau steht im Gartenbaukino (ebenfalls juhu zur neuen Website) an.