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Robert Zikmund

Wirtschaft und Politik

29. 10. 2013 - 18:14

Fußballfantum und Rechtsradikalismus

Ballesterer-Chefreporter und Fankultur-Experte Reinhard Krennhuber im Interview über die Macht der rechten Szene über die Fußballtribünen und das spezielle Problem von Austria Wien.

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Am Wochendende nach dem Wiener Derby fand ein Überfall einer Bande von (mutmaßlich) rechtsradikalen Fußball-Hooligans auf die Räumlichkeiten eines türkischen Kulturvereins in Wien- Favoriten statt. Der Chefreporter des Fußballmagazins Ballesterer Reinhard Krennhuber analysiert den Vorfall.

Robert Zikmund: Am Dienstag schreibt "Die Presse", dass Rassismus in Fußballstadien generell rückläufig ist. Angesichts der Ereignisse vom Wochenende, wo Mitglieder von "Unsterblich", einer Gruppe rechtsextremer Hooligans, den linken türkischen Verein ATIGF überfallen haben, fragt man sich natürlich: Stimmt die Diagnose, wird es im Stadion besser? Oder anders gefragt, verlagert sich Rassismus und solche Vorfälle jetzt einfach vor das Stadion?

Reinhard Krennhuber: Der aktuelle Fall ist mit Rassismus im Stadion nicht vergleichbar. Wir haben eine Gruppe Rechtsextremer, die auch im Fußballumfeld aktiv ist und in Zusammenhang mit dem Wiener Derby eine linke Einrichtung attackiert hat. Das ist einerseits eine andere Qualität als ein Affenlaut im Stadion, aber es hat sich auch nicht direkt dort abgespielt. Wenn so etwas passiert, kann man aber nicht einfach zurück zur Tagesordnung übergehen. Auch wenn es nicht von langer Hand geplant war, dann ist es sehr wohl ein massives gewalttätiges Auftreten einer rechtsextremen Gruppe.

Das EKH in Wien

APA / Herbert Pfarrhofer

EKH

Du weißt, wie diese Gruppen aus der Ferndiagnose funktionieren, zumindest aus der Beobachtung der letzten Jahre. Wie kann man sich das überhaupt vorstellen? Die haben Stadionverbot, das heißt, die können gar nicht rein ins Horr-Stadion. Das Horr-Stadion ist jetzt nicht direkt neben dem EKH, wo dieser Überfall stattgefunden hat. Da muss man durchaus zielgerichtet hingehen und sowas hat es in Österreich in der Form wirklich noch nie gegeben.

Ich weiß nicht, wer da genau dabei war, ich kenne die Tätergruppe nicht. Fakt ist, "Unsterblich" hat auch Clublokal in Favoriten. Dort treffen sich wahrscheinlich auch die Leute, die Stadionverbot haben. Über die konkreten Motive dieser Aktion kann ich nur spekulieren, das werden hoffentlich die Ermittlungen der Behörden zutage bringen.

Die Austria hat die "Unsterblichen" letztes Jahr quasi offiziell geächtet und mit Stadionverbot belegt. Es gibt sie aber noch immer. Du hast gesagt, sie haben ein Clublokal. Wie funktionieren diese Clubs überhaupt, wenn die nicht mehr ins Stadion können? Das heißt, die treffen sich dort und machen dann alles Mögliche, außer ins Stadion zu gehen?

Einzelne Leute dieser Gruppe sind mit Stadionverbot belegt, aber bei weitem nicht alle. Man muss der Vereinsführung der Austria zugute halten, dass sie Aktionen gegen Rechtsextreme gesetzt hat, in letzter Zeit auch sehr konsequente Aktionen. Aber wir reden da von einem Prozess, der seit Jahren im Gang ist und bei dem auch Fehler gemacht worden sind. Ich glaube nicht, dass die Austria bezüglich dieser Problematik schon am Ziel ist. Auch wenn das Unsterblich-Banner aus der Kurve verschwunden ist, gibt es noch immer Leute dort, die ganz klar politisch deklarierte Aktionen setzen und die eine gewisse Strahlkraft für Jugendliche entwickelt haben, die anfällig sind für rechte Botschaften. Gerade was die jungen Fans betrifft, war es keine gute Idee der Austria, nach den Vorfällen gegen Bilbao 2009 die sozialpräventive Fanarbeit einzustellen.

Als Klischee im Hinterkopf war es ja lange Rapid, das den Ruf hatte, ein veritables Naziproblem zu haben. In den letzten zehn Jahren scheint da - aus der Ferne betrachtet - bei Rapid einiges dagegen gemacht worden zu sein. Du hast gesagt, die Austria hat auch damit begonnen, aber später? Vielleicht ein bisschen zu spät?

Naja. Es ist schwierig. Bei Rapid ist die Situation insofern anders, als man die Ultras Rapid hat, die der dominante Fanclub auf der Westtribüne sind. Wir haben im September ein langes Interview mit drei führenden Personen der Gruppe im Fußballmagazin Ballesterer gehabt. Da ist ein ganz klares Bekenntnis gegen Rechtsextremismus ausgesprochen worden. Das ist nicht nur Etikette, sondern wird meiner Meinung nach auch gelebt. Dazu hatte man eine Vereinsführung mit dem Präsidenten Rudolf Edlinger, der Vergangenheitsbewältigung bei Rapid betrieben hat, es sind Studien herausgebracht worden zur Rolle des Vereins im Nationalsozialismus. Das heißt, es hat in der aktiven Fanszene und aus der Vereinsführung heraus ein Problembewusstsein gegeben. Und das hat dazu beigetragen, dass sich die Verhältnisse ein wenig verschoben haben. Bei der Austria ist in den letzten fünf Jahren trotz eines konsequenten Vorgehens in der letzten Zeit ein Rechtsruck in der Fanszene einfach nicht zu leugnen.

Das heißt, man könnte sagen, der Unterschied ist ein bisschen auch dieser Selbstreinigungsprozess, den es bei Rapid gab und bei Austria nicht?

Ja. Ich finde, das ist ein ganz entscheidender Faktor. Wir brauchen nicht die Augen verschließen. Rechtsextreme gibt es wahrscheinlich in vielen oder in allen österreichischen Bundesligastadien. Aber es ist ganz wichtig, dass die aktiven Fans dagegen auftreten. Ein gutes Beispiel ist Sturm Graz. Nachdem der Sturm-Spieler Richard Sukuta-Pasu in Ried mit Affenlauten beleidigt wurde, haben Verein und Fans gemeinsam eine Antirassismus-Aktion gemacht. Das signalisiert dann schon: Rassisten haben in dieser Kurve oder diesem Stadion keinen Platz.

Ist es bei den erwähnten Entwicklungen auf der Osttribüne der Austria auch zu Auseinandersetzungen unter den Fans gekommen?

Ja. Es sind Leute, die sich nicht an Vorgaben der Gruppe "Unsterblich" gehalten haben, attackiert worden. Die Leute aus diesem Dunstkreis haben – wenn man so will – das Gewaltmonopol auf Fanseite auf dieser Tribüne. Das ist sicherlich nicht angenehm für diverse Austria-Fans, dauernd mit diesem Problem konfrontiert zu sein. Es sind auch einige abgewandert, auf andere Tribünen der Generali-Arena.

Kleiner Exkurs: In etlichen europäischen Ländern scheinen sich auch seit Ausbruch der Wirtschaftskrise Hooliganismus mit allerlei Dingen zu vermischen. Das wird dann auch zum Protestventil, das Formen von Rechtsextremismus bis offener Staatsfeindlichkeit annimmt.
Wird das Fußballfan-Sein in Europa mehr und mehr von Menschen besetzt, die von der Gesellschaft einfach abgehängt werden und genau da dann auch ihr Gewaltventil finden?

Ich bin grundsätzlich dafür zu differenzieren. Wir haben verschiedene Fantypen: Ultras, Hooligans, Rechtsextreme. Teilweise überschneidet sich das, aber ich glaube, es ist sehr problematisch, alle in einen Topf zu werfen. Es ist auch meiner Meinung nach ein Grund, warum die Austria ein Problem mit ihrer eigenen Fanszene hat: Die Maßnahmen waren nicht immer zielgerichtet, sondern manchmal diffus. Sie haben auch andere Fanclubs betroffen, die mit rechten Aktivitäten nichts am Hut haben. In der aktuellen Aussendung der Austria spricht man sich in einem Satz "gegen Pyrotechnik, Gewalt und Rechtsextremismus" aus. Das ist eine Generalisierung, die meiner Meinung nach nicht zielführend ist. Ich finde, man sollte immer auf die konkreten Probleme schauen. Ob es jetzt eine Tendenz gibt, dass es wieder mehr soziale Probleme im Umfeld von Fußball gibt, kann ich nicht sagen, aber ich würde vor solchen Generalisierungen warnen.

Martin Blumenau hat vor Kurzem nach dem Deutschlandspiel der österreichischen Nationalmannschaft über das Thema Homophobie im Stadion geschrieben. Während ja Affenlaute durchaus auch böse Blicke auf den Tribünen auslösen - Gott sei Dank, muss man sagen - ist so ein "schwuler schwuler FAK" üblich und wird auch wenig kritisiert. Muss man eigentlich damit rechnen, dass sich das nie ändert?

Beim Auswärtsspiel der österreichischen Nationalmannschaft in München sind massiv "schwuler schwuler DFB"-Gesänge aufgetreten. Das ist sinnlos und diskriminierend, ich glaube, das sollte jedem klar sein. Den Gesang kennen wir aus den Bundesligastadien. Wir haben Derbys gehabt, bei denen sich Austria- und Rapid-Fans gegenseitig in einer sehr hohen Frequenz als schwul bezeichnet haben. Meiner Meinung nach ist das in letzter Zeit aber weniger geworden. Dieser Fan-Gesang ist nicht mehr so präsent, wie vor fünf Jahren noch. Jetzt hat er beim Nationalteam eine zweifelhafte Renaissance erlebt. Das zeigt aus meiner Sicht nur, dass man immer aktiv gegen Diskriminierung auftreten muss. Was diese Überzeugungsarbeit betrifft, ist in Österreich schon einiges passiert. Es gibt immer wieder Aktionen und Initiativen wie die "Tatort Stadion"-Ausstellung, die vor kurzem in Wien gastierte. Wir haben Fanszenen bei Vienna und Sportklub, die deklariert antirassistisch sind. Das zeichnet ein anderes Bild von Fußballfans, als das, das jetzt wieder einmal im Mittelpunkt steht.