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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

24. 9. 2013 - 16:48

Wie Österreich "schwuler DFB!"-Chöre überhört

Ein massiver, kollektiver Homophobie-Ausrutscher wird von den heimischen Mainstream-Medien verschämt vertuscht - was solche Vorkommnisse auch hinkünftig ermöglicht, ja befördert. Das ist ein "Journal '13. Eintrag 16" oder auch ein "Fußball-Journal '13. Eintrag 43", as you like.

Das ist das Journal '13, die heuer im Gegensatz zu 2003, '05, '07, 2009 und 2011 nicht regelmäßige Web-Äußerung in ungeraden Jahren.

Heute wieder mit einem Eintrag der das Fußball-Journal 13 ins andere wirkliche Leben rüberholt; es geht um Homophobie und die Feigheit der Sport-Medien.

Die erwähnten drastischen Worte waren "Trottel-Fans", "Dillos", "Arschloch-Fans", "Deppen-Fans".

Ich war die letzte Woche in Deutschland, wo Österreich außer in Berichten über einen amoklaufenden Wilderer nicht vorkommt; also auch in einer den österreichischen Fußball betreffend wahrnehmungsfreien Zone; und lese in der letzten Wochenendausgabe des Hamburger Abendblatts ein großes Doppel-Interview im Sportteil über den modernen Klassiker Homosexualität und Fußball.
Bei der siebenten Frage zucke ich dann echt zusammen. Sie lautet: "Sicherlich haben Sie in der vergangenen Woche das Länderspiel zwischen Deutschland und Österreich im Fernsehen gesehen. Was haben Sie empfunden, als Tausende Österreicher immer wieder 'Schwuler DFB' sangen?"

Ich muss zugeben, ich habe das nicht gehört. Mir waren die mitgereisten ÖFB-Fans in ihrem Grundverhalten (Hymne niederpfeifen, Ballack-Ehrung niederpfeifen) ultra-unsympathisch, das habe ich hier auch in drastischen Worten geäußert - aber diesen Choral habe ich (im Gegensatz zu anderen Chants) nicht wahrgenommen. Der mitinterviewte (nichtschwule) Fußball-Profi Lasse Sobiech beruhigt mich; er sagt: "ich habe die Gesänge im Fernsehen gar nicht so richtig wahrgenommen."

Im Stadion selber, ich habe mich mittlerweile bei Gewährsleuten, die vor Ort in München dabei waren, erkundigt, war das homophobe Geblöke aber unüberhörbar. Und es wurde in den deutschen Medien zumindest ansatzweise thematisert. Ich finde einen bitterbösen Text in der taz, eine Erwähnung in einem Kommentar des Tagesspiegel und eine in der Zeit.

Viel ist das nicht, aber der Tenor ist deutlich: widerlich.
Die taz hat auch bei den Verbänden nachgefragt: der DFB-Sprecher verharmlost und nimmt die "paar Krakeeler" schulterzuckend hin, die ÖFB-Sprecherin ist zerknirscht und distanziert sich deutlich. Immerhin.

Aus Österreich finde ich an Veröffentlichungen: nichts.
Der Tross der Reporter die das ÖFB-Team nach München begleitet hat, ist also entweder taub, sprachlich nicht aufnahmefähig genug oder schlicht deutlich zu feige den schandbaren stadionrundumfassenden Choral auch nur ansatzweise zu thematisieren. Vielleicht im Vertrauen darauf, dass man's im Fernsehen eh nicht gut gehört hat und so unter den Tisch fallen lassen kann.

Nun, zu einer wahrheitsgetreuen Berichterstattung von vor Ort gehört es aber auch sich mit den Fehltritten der Fans zu beschäftigen. Wenn Menschen von den Rängen Affenlaute von sich geben, um ihre rassistische Gesinnung auszustellen, dann wird das ja (mittlerweile, nach langen Jahren der augenzwinkernden Akzeptanz) auch schon erwähnt und angeprangert.

Mit der offenkundig ausgeführten Homophobie haben die österreichischen Medien aber ein Problem, ein massives. Das hat mit der Grundstimmung innerhalb der testosteronmäßig besetzten Sportredaktionen und oft auch der Vorgaben von Ressortleitern der alten "ma wird doch noch Woama/Neger/Jugo sagen dürfen"-Schule zu tun.

Im konkreten Fall kommt noch dazu, dass die Sportredaktionen inoffiziell ein verschmitztes "Wo ist das Problem? Stimmt ja!" nachschieben.
Denn in diesen (Fach-)Kreisen wird die Homosexualität von Coach Löw, Sportdirektor Bierhoff und einigen DFB-Teamspielern als offenes Geheimnis gehandelt. Inwieweit das (wie im Fall einiger Schiedsrichter) tatsächlich stimmt, oder ob sich hier nur eine urban legend verselbstständigt hat, ist vollständig egal.

Der "schwule DFB" ist längst zur Zielscheibe für alle möglichen Projektionen geworden, auch weil sich dort neue/moderne Strukturen, ein offener Zugang zu gesellschaftlichen Themen und mediales Selbstbewusstsein treffen. Für den österreichischen Mainstream-Reporter, der gefühlt noch von Otto Baric und seinen Zöglingen sozialisiert wurde, ist jedes einzelne dieser Elemente schon "schwul" genug. Und die redaktionsinternen Kulturen der homophoben Häme verbieten es, die Schwulenfeindlichkeit auf ein Level mit dem Rassismus zu heben. "Schwul" gilt in Österreichs Sportredaktionen immer noch als Schimpfwort und nicht als Bereicherung der Palette; man definiert sich als letzter geschützter Medien-Bereich einer Geschlechterdefinition nach alten Blut & Boden-Kriterien, als letzter Stammtisch des medialen Machismo.

Als ich wieder heimgekommen bin, lag der Ballesterer im Postfach, und ja, glücklicherweise nimmt man sich hier, in diesem tatsächlich seine Aufgabe als kritisches Medium erfüllenden Print-Magazin gleich im Editorial dieses Skandals an. Der ÖFB-Sprecher geht hier noch einen Schritt weiter als bei der von der taz eingefangenen Reaktion direkt nach dem Match: "Wir werden das Thema mit unseren Fanklubs eingehend besprechen".
Da schwingt ein wenig Hilflosigkeit mit - vor allem, weil auch der ÖFB die Öffentlichkeit in diesem Fall gescheut hat wie der Teufel das Weihwasser. Die Lösung liegt nicht in Bitten an die Fan-Capos da das nächste Mal doch ein bissl braver zu sein, sondern nur über ein öffentliches Anprangern und Aufmerksammachen, über das schonungslose Ansprechen dieser Widerlichkeiten.

Wie sagt Ballesterer-CR Krennhuber am Schluss seines Kommentars? "Umso wichtiger ist es, Initiative zu zeigen und Gesängen wie jenem von München den Nährboden zu entziehen."

Einige Nutzer haben die aktuelle Ausstellung Tatort Stadion empfohlen, die ua auch die Homophobie im Stadion thematisiert.

Aber genau dieser Boden wird - täglich - von Sportmedien geackert, die genau nichts unternehmen, mit ihren Lesern/Sehern/Hörern/Nutzern genau nichts eingehend besprechen, sondern sie durch ihr scheeles Wegschauen in ihrer Blödigkeit auch noch bestärken; und sich so gar nicht verschämt, sondern recht offen mit den homophoben Idioten zu solidarisieren. Denn: Wer zu einem solchen Vorfall nichts Kritisches anmerkt, der gibt sein gesellschaftliches Okay.