Erstellt am: 15. 10. 2013 - 19:55 Uhr
Viennale 2013
Viennale
Alle Artikel zum Vienna International Film Festival
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- Will Ferrell Tribute: Eine Verbeugung vor dem Komödianten
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Die Komödie, ansonsten gerne ein Stiefkind der Viennale, findet man dieses Jahr gleich in zwei großen Blöcken. Einerseits das Will-Ferrell-Tribute, das viele freudig in einen hyperventilierenden Zustand versetzt hat und nicht wenige planen bereits einen Campingausflug vor den Vorverkaufskassen, um dabeisein zu können, wenn Ferrell am 6. November im Gartenbaukino anwesend sein wird. Und, so erzählt Hurch auf der Pressekonferenz, die Dienstag Abend stattgefunden hat, er wird einige Clips von "Anchorman 2" mit im Gepäck haben. Außerdem widmet sich die Retrospektive im Filmmuseum Jerry Lewis, dessen Werk gänzlich unter dem Stern der Komödie steht.
Das ist die erste Retrospektive der Viennale, die mich mit einem schulterzuckenden "Meh" zurücklässt. War die Retrospektive bis jetzt oft ein Ort der so noch nie so dagwesenen Programmierung (wie die von mir sehr geliebte Retro, die sich den Schwestern Olivia de Havilland und Joan Fontaine gewidmet hat) oder die unglaublich großartige Chance, selten bis nie Aufgeführtes zu entdecken (wie letztes Jahr bei Fritz Lang), wirkt eine Jerry Lewis-Retrospektive wie ein nicht enden wollender Sonntagnachmittag, den man vorm Fernseher verbringt. (Selbst ich, die ich alles andere als ein Fan von der Komik des Jerry Lewis bin, kenne bis zu zwei Drittel des Programms.) Hingehen werd ich natürlich trotzdem, vielleicht springt diesmal der Funke über.
mgm
Ausgelagert in Spezialprogramme
Kann man anhand der beiden Komödien-Schwerpunkte wieder mal hoffen, dass das passiert, was uns vom Planeten Popkultur an der Viennale oft fehlt, das "Öffnen fürs Genrekino"? Eigentlich nicht. Eigentlich ist alles beim alten. Wie ich letztes Jahr hier schon geschrieben habe, damals ging es um die Jörg-Buttgereit-Schau, damals steckte das Körperkino als Fremdkörper im Festivalkorpus. Auch Jerry Lewis, Will Ferrell oder das asiatische 3D-Genrekino, das man dieses Jahr entdecken kann, sie stecken stets in den Spezialprogrammen. Das macht für uns als Publikum nur bedingt einen Unterschied, das bremst weder die Vorfreude auf Will Ferrell noch auf 3D-Brillen um Mitternacht.
Aber es sagt natürlich etwas über das Filmuniversum der Viennale aus, ein Filmuniversum, das sich nach ähnlichen Vorlieben nun bereits seit 1997 unter Hans Hurch jeden Herbst manifestiert. Und das beinhaltet, aber das ist auch nichts Neues, oft blinde Flecken, was die Popkultur betrifft.
Er sei kein Anhänger des Fan-Seins erklärt Hans Hurch bei der Presskonferenz und bezieht es auf kritische Distanz bei der Programmierung, auf das immer aufs neue Überprüfen eines Werkes. Im Grunde ist aber doch gerade das Fan-Seins, die fiebrige Vorfreude, die vernunftlosgelöste Euphorie, die Filme, Regisseure, Darsteller auslösen können, die oft kaum erklärbare Begeisterung für etwas, ein wichtiger Teil davon, was Film (und dem Umgang damit) für mich ausmacht.
Die Filme, deren Stills auf tumblr hysterisch geteilt werden, deren Trailer man auf Facebook wegen aufgeregter Atem- und Sprachlosgkeit bloß mit Herzsymbolen und Rufzeichen versehen postet, diese Filme finde ich im diesjährigen Viennale-Programm nicht. Aber dann beschließe ich, (it's not a bug, it's a feature) das nicht weiter schlimm zu finden. (Schließlich gibt es ohnehin so zahlreiche, kleinere Filmfestivals in Österreich, deren Herzblut für Popkultur in Strömen fließt, die mit einem völlig anderen Ansatz sich an ihr Publikum wenden und das Kino als Ort mit neuen Bedeutungen aufladen und Auslassungen der österreichischen Filmverleiher wieder gut machen. Das befreit zwar nicht die Viennale davon, die Popkultur ein wenig mehr ins Herz zu schließen, macht es aber einfacher, sich damit abzufinden.)
Weltkino
Die Viennale präsentiert sich 2013 als Weltkino-Landkarte mit vielen Möglichkeiten, die blinden Flecken im eigenen Filmuniversum zu korrigieren. Das Kino, das mein Herz zum Rasen bringt, das einen aufgeregt durch de Nacht stolpern lässt, finde ich (bis jetzt) im Programm nicht. Ich kann noch nicht mal (oder nur vage) den Film ausmachen, der sich zum Festivalliebling mausern wird, noch bevor die erste Viennale-Tasche verlost, das erste Mal "Gute Projektion" gewünscht wurde.
Wo sind die Biester?
Was ist das "Drive", wo sind die "Beasts of the Southern Wild" des Herbsts 2013? Ich weiß es nicht. Vielleicht gibts das auch nicht. Ich hab aber - in meinem ewigen Hippie-Optimismus - beschlossen, dies als Herausforderung, nicht als Enttäuschung zu sehen. Ich finde es wichtig, die gewisse Ignoranz der Viennale der Popkultur gegenüber zu bemerken, aber es wäre öde, dies als roten Faden für das Tagebuch zu sehen. Ich freue mich auf euch und eure Geschichten aus den Kinosälen, aus den langen Schlangen vor den Sälen, aus dem Foyer und den Rauchertrauben vor den Kinos. Hier finden sich weniger Film-Empfehlungen, da ich von den aktuellen Filmen kaum etwas bereits gesehen habe, sondern eine Auswahl aus meinem Vorhaben für die Viennale 2013.
Mein Viennale-Plan 2013
Story of my Death
Treffen sich Graf Dracula und Casanova. Ein "Showdown der Zeiten und Kulturen" von Regisseur Albert Serra verspricht der Viennale-Katalog, an Pasolini, Garrell und Straub soll das Ganze erinnern. Verbales Lockmittel aus dem Viennale-Katalog (von nun an als VLADVK abgekürzt): Horrorelegie
Stadtkino
Ich fühl mich Disco
Schöner Filmtitel eines deutschen Films (überhaupt finden sich mehr deutsche Produktionen als sonst im Programm) von Axel Ranisch, Schüler von Rosa von Praunheim. Ein dicklicher Junge namens Flori wünscht sich, entführt zu werden, in seinem Zimmer hängt der Spruch "Dicke Kinder kann man weniger leicht entführen". VLADVK: peinlich.
viennale
Jimmy P.
Die Plakate, auf denen Benicio del Toro und Mathieu Amalric so herrlich kurze Krawatten tragen, haben mich bereits im September in Paris verfolgt und begeistert. Das muss eine Sinfonie der Augenringe sein, hab ich mir gedacht. Arnaud Desplechin hat uns unter anderem bereits den herrlichen "Un Conte de Noel" beschert. "Jimmy P" dreht sich um den Kriegsveteran James Picard, der im Jahr 1948 die Ärzte in einem Militärspital in Kansas ratlos zurücklässt. Leidet er etwa gar am "Indianer-spezifischen" Syndrom? VLADVK: Mathieu Amalric
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Grand Central
Love, nudity und nuclear power plant sind nicht die schlechtesten imdb-Keywords, die es gibt. Regisseurin Rebecca Zlotowski entwickelt ein Liebesdreieck in Atommeiler-Umgebung. Mit dabei: Die von mir sehr verehrte Léa Seydoux. VLADVK: Kernschmelze der Gefühle
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La Vie d'Adele - Chapitres 1 et 2
Und gleich nochmal Léa Seydoux: Manche Filme kündigen sich ja von weitem an, "La vie d'Adele" ist so einer. Der Filmfestival-Liebling der Saison von Regisseur Abdellatif Kechiche erzählt die dramatische Liebesgeschichte zwischen der Schülerin Adele und der blauhaarigen Kunststudentin Emma (Lea Seydoux). Zunächst galten die Liebesszenen als skandalös, dann aber wurden Gehässigkeiten, die die Schauspielerinnen und der Regisseur via Medien austauschten, zum eigentlichen Skandal. VLADK: Bei Publikationstermin gab es noch keinen Programmtext
viennale
The Bay
Zunächst geh ich davon aus, dass es noch einen Regisseur namens Barry Levinson geben muss, aber nein, "The Bay" ist tatsächlich von dem Levinson, der uns so unterschiedliche (und unterschiedlich berauschende) Filme wie "Rain Man", "Sphere" und "Sleepers" beschert hat. In "The Bay" wird eine malerische Hafenstadt höchst ungemütlich, wenn mutierte Parasiten ihre menschlichen Wirte in zombie-artige Wesen verwandeln. Mit dabei Kristen Connolly aus "Cabin in the Woods" und "House of Cards". Ein "Found Footage"-Horrorfilm mit einer Botschaft in Sachen Umweltschutz und dem deutschen Verleihtitel "Nach Angst kommt Panik". VLADVK: angemessen furchteinflößend
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Computer Chess
Apropops "nach Angst kommt Panik" Regisseur Andrew Bujalski nennt man den "Godfather of Mumblecore". Aber gleich folgt Entwarnung, Bujalski selbst hört das gar nicht so gerne. Der Regisseur von "Funny Ha Ha" und "Mutual Appreciation" widmet sich mit "Computer Chess" einem Turnier für Schach-Software-Programmierer um 1980. Und das auch noch in schwarz-weiß! VLADVK: Comedie humaine des Digitalen
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Le Passé
Asghar Farhadis "A Separation" wurde 2012 mit dem Oscar für den besten nicht-englischsprachigen Film ausgezeichnet. In "Le Passé" widmet sich der iranische Regisseur komplizierten Familienstrukturen. Berenice Bejo wurde in Cannes als beste Schauspielerin ausgezeichnet. VLADVK: Bei Publikationstermin gab es noch keinen Programmtext
viennale
Joe
David Gordon Green, der wunderbare Regisseur von "All the Real Girls" und "Pineapple Express" ist gleich zweimal bei der Viennale vertreten. Neben "Prince Avalanche", der so offensichtlich auf meine Liste gehört, dass ich ihn hier gar nicht aufführen muss, findet man auch noch "Joe". Filme über "ungewöhnliche Freundschaften" gibt es ja ohne Ende, hier aber agiert Meister Nicolas Cage! "Joe" ist mein Trostpflaster dafür, dass sich "Mud" nicht im Programm findet, dankenswerter Weise spielt Tye Sheridan sowohl in "Mud" als auch in "Joe" einen Jungen, der sich mit einem waldschratigen Mann anfreundet. VLADVK: düsterer southener
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Locke
Eine Ein-Mann-Show mit Tom Hardy, der durch die Nacht fährt. Ein Job, ein geregeltes Familienleben und ein Anruf, der alles durcheinanderbringt. Vielleicht ist das unser "Drive". VLADVK: Bei Publikationstermin gab es noch keinen Programmtext, aber sind wir mal ehrlich: Tom! Hardy!
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Das merkwürdige Kätzchen
Ein Debütfilm mit einem bezaubernden Titel. Ramon Zürcher zerlegt gewöhnliche und unaufregende Dinge eines Familienbesuchs in all seine Einzelheiten. Die Berlinale nannte dies eine "aufregende Choreografie des Alltags". VLADVK: Und was macht das merkwürdige Kätzchen, das gar nicht merkwürdig ist?
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Nebraska
Bruce Dern (Vater von Laura) dreht seit 1960 für Film und Fernsehen, doch überall liest man nun, dies sei nun der große Triumph eines Mannes, der meistens Nebendarsteller war. Mit dabei bei einem Vater-Sohn-Road Trip unter der Regie von Alexander Payne ("The Descendants") sind Will Forte (of "Macgruber"-Fame) und mein Kindheitsheld Stacy Keach (Ich war der größte siebenjährige "Mike Hammer"-Fan, den man sich vorstellen kann). VLADVK: Schwarzweiß
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Night Moves
Kelly Reichhardts Filme ("Wendy & Lucy", "Meek's Cutoff") haben glücklicherweise noch immer den Weg zur Viennale gefunden. In "Night Moves" spielen Dakota Fanning und Jesse Eisenberg radikale Umweltaktivisten, die zum ganz großen Schlag ansetzen. Ebenfalls mit dabei: Die supere Alia Shakwat (Maeby "Marry me" Fünke aus "Arrested Development"). VLADVK: versponnen
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Dokumentationen
Ich hab einen kleinen Film-Doku-Schwerpunk zusammengebastelt: "A Fuller Life" ist eine Filmbiografie über den fantastischen und eigensinnigen Regisseur Samuel Fuller, gedreht von seiner Tochter Samantha Fuller. "A Masque of Madness" ist ein Mashup aus Horrorfilmen mit Boris Karloff, "Rosso Cenere" begibt sich auf die Spuren von Rosselinis "Stromboli" und Marcel Ophüls (Sohn von Max) hat mit 85 Jahren seine eigene "kinematische" Autobiografie gedreht, sie trägt den schönen Titel "Un Voyageur". Außerdem auf meiner Liste: "Our Nixon", "Die Zeit vergeht wie ein brüllender Löwe" und "This ain't no mouse music".
Und jetzt ihr so: Was schaut ihr an, was lasst ihr aus, gibt es fanatische Jerry Lewis-Enthusiasten unter euch, sind alle so von Léa Seydoux hingerissen wie ich und war es völlig wahnsinnig von mir auf "Drinking Buddies" zu hoffen? Die Viennale wird am 24. Oktober mit "Inside Llewyn Davis" eröffnet, ab 25. Oktober gibt es hier täglich das Viennale-Tagebuch.