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Marc Carnal

Wer sich weit aus dem Fenster lehnt, hat die bessere Luft. Lach- und Sachgeschichten in Schönschrift.

25. 3. 2013 - 16:32

Tagebuch zum Jahr der Pflicht (12)

März: Eine Kombination aus Blas-, Saiten- und Perkussioninstrument mit mindestens einer Oktave Tonumfang bauen und darauf ein Lied spielen.

marc carnal

Nach dem "Jahr des Verzichts" im Jahr 2011 gilt es heuer, monatliche Pflichten zu bestehen. Mitstreiter sind in der Neigungsgruppe Pflicht jederzeit willkommen.

Jeden Monat stehen drei Aufgaben in Kategorien wie Handwerk, Wissen oder Selbstüberwindung zur Auswahl. Die Leserschaft stimmt darüber ab, welche Pflicht erfüllt werden muss.

Voting Jänner - Kategorie Handwerk

Voting Februar - Kategorie Wissen

Voting März - Kategorie Musik

Montag, 18. März

● Wie genau wurde nun eigentlich dieser Papst gewählt? Jedes noch so überflüssige Detail der Papstwahl scheint die Gesamtbevölkerung ungeachtet der Konfession leidenschaftlich zu interessieren, doch kaum jemand scheint sich zu fragen, wie die Wahl konkret vonstatten geht.

Die Kardinäle hocken also tagelang in der Sixtinischen Kapelle und wählen fleißig vor sich hin, bis sich plötzlich eine Zweidrittelmehrheit ergibt? Erfahren sie Zwischenergebnisse? Werden flammende Reden geschwungen, fließt Bestechungsgeld, debattiert man ausgelassen? Wird etwa gar gemunkelt!? Was also machen die frommen Greise zwischen den täglichen vier Wahlgängen? Irgendetwas muss den einen oder anderen ja dazu bewegen, den Favoriten zu wechseln - bloß was?

Wiglaf Droste hat einmal gemutmaßt, der Pontifex in spe würde durch eine sehr ausführliche Runde "Reise nach Jerusalem" bestimmt. Noch schöner finde ich die Vorstellung, die Kardinäle würden in einem komplizierten Turniermodus einfach durch Buzzer-Duelle den neuen Chef eruieren. Für diese Theorie spricht das meistens recht biblische Alter eines Neo-Papstes, denn sowohl aus der Brieflosshow mit Peter Rapp als auch von Bingo mit Marie Julie Christiani beziehungsweise Marie Christine Giuliani wissen wir, dass Senioren merkwürdigerweise beim Buzzer-Schlagen oft gegen jüngere Kandidaten gewinnen. Ich sehe beide Sendungen regelmäßig und schwöre, dass meine private Buzzer-Generationenstatistik genau das belegt.

Vielleicht spielen die Kardinäle auch "Ernst auf Ernst". Man kann sich vorstellen, dass es da durchaus wild zugeht. Meine bescheidene Lebenserfahrung besagt, dass jene, die öffentlich besonders schmähstad auftreten müssen, privat meistens die ärgsten Lachwurzen sind. Der gefassteste Aspirant würde dann - der Job-Description durchaus würdig - der neue Papst.

● Ein Satz mit "esoterisch":
Sprich laut, wenn du bei Oma bist,
wo sie doch esoterisch ist.

Dienstag, 19. März

● Gestern hab ich so viel geschrieben, da schreib ich heute lieber nichts.

● Zuschrift von W. aus W.: "Was ist denn eigentlich mit dem Musikinstrument, das du im März bauen solltest?"
"Lieber W., kommt schon, nur Geduld, mach ich noch."

Mittwoch, 20. März

● An der Supermarktkassa drängt sich eine ausgesprochen massive Dame mit einem Einkaufswagen vor mich, in dem sich nur eine Packung Milch befindet. Das muss man sich mal vorstellen! Ein Wagerl für einen einzigen Liter Milch! Sofort versuche ich gleichsam verblüfft und begeistert, dieses Ereignis zu fotografieren. Leider gelingt mir kein brauchbares Bild. Deshalb habe ich versucht, es nachzuzeichnen. Die Zeichnung beweist, dass meine musischen Fähigkeiten sehr ungleich verteilt sind:

marc carnal

Bildlegende:

  1. Die Hauptdarstellerin in der Milch-Groteske. Das gelungenste Detail auf dem Bild ist ihre Frisur, die wirklich ganz genau so aussah.
  2. Ich, mit MacGyver-Gedenkfrisur, nicht zuletzt aufgrund der Körperbreite der Milchkäuferin am Anfertigen eines Handy-Fotos scheiternd.
  3. Mein Einkauf (stark abstrahiert)
  4. Die Verkäuferin, die sehr grimmig war, obwohl auf ihrer Uniform "Ein Lächeln kostet nichts" oder sowas Ähnliches stand.
  5. Das Ding, das die Waren trennt. Heitere "Haha, wir erfinden neue Wörter"-Menschen wollen dafür immer ein Wort erfinden und scheitern daran. Es gibt doch eh schon genug Wörter.
  6. Die Milchpackung
  7. Der Einkaufswagen, das perspektivische Highlight meiner armseligen Skizze

Und, ja: Ich kann wirklich nicht besser zeichnen.

● W. aus W. schreibt erneut: "Aber wann konkret wird es denn nun gebaut?"
"Lieber W., wie gesagt, es wird gebaut, besser gesagt wird es gebaut werden und dann wird es gebaut worden sein. Ich hab keine Zeit. Letzter Drücker, verstanden? LG."

Donnerstag, 21. März

● "Wenn das so weitergeht, dann steig ich auf die Barrikaden!"
"Das wird schwierig..."
"Wieso?"
"Die sind aus, glaub ich."
"Was? Die Barrikaden sind aus? Im Lager sind auch keine mehr?"
"Nein, keine einzige. Schorsch und Anja sind doch im Dezember wegen dem Weihnachtsgeld noch auf die Barrikaden gestiegen und ich weiß noch, dass wir gesagt haben: Blöd, das waren jetzt die letzten."
"Dann rauch ich jetzt aus und geh dann zur Chefin, dass sie neue bestellt."
"Mach das, aber wenn du sie um neue Barrikaden fragst, wird sie wahrscheinlich eins und eins zusammenzählen. Das überreißt die doch sofort, dass du draufsteigen willst."
"Dann sag ich einfach, sie soll Reservebarrikaden bestellen, nur so für den Fall, zur Sicherheit, man weiß ja nie."
"Gut, aber du weißt schon, dass sie die billigsten, minderwertigsten kaufen wird. Ich hab ja letztes Jahr selbst Barrikaden besorgt und einfach Babsi die Rechnung gegeben."
"Eine verdammt ausgeschlafene Idee ist das. Küss mich."

● W. aus W. ist hartnäckig: "Aber heute ist der 21. März. Wollt ich nur gesagt haben. Also besonders viel Zeit ist da nicht mehr."
"Geschätzter W., jetzt mal wieder runter vom Gas!"

Freitag, 22. März

● Gerade in der ORF-"Wir sind Österreich"-Woche werde ich Zeuge einer Szene, die man keinem Drehbuchautor verzeihen würde: Eine Gruppe türkischstämmiger Jugendlicher steht in der Straßenbahn. Man triezt einander und kommt irgendwie darauf, die Textsicherheit bei der österreichischen Hymne gegenseitig abzuprüfen. Das gipfelt darin, dass sie "Land der Berge" schließlich gemeinsam zwar nicht singen, aber in einem recht flotten Sprechgesang deklamieren.
Neben mir sitzt ein Greis mit Kaiser Franz Joseph-Bart und zwinkert mir zu. Das ist dann wirklich zu viel.

● Darf mit Stermann den Ratefuchs in der Salon Helga-Berufsberatung geben. Gebärdensprachen-Dolmetscherin, da hätte man aber auch drauf kommen können. Nach der Sendung bin ich tatsächlich etwas verstimmt, weil wir es nicht erraten haben. Bin halt eher der kompetitive Typ (Euphemismus für "schlechter Verlierer"). Wobei der schlechte Verlierer ja anderen keine Siege vergönnt - Das tue ich sehr wohl, man kann sich ja trotzdem über das eigene Scheitern grämen.
Die sympathische Anna ist übrigens bereits die zweite Gebärdensprachen-Dolmetscherin, die ich kennen lerne. Sie meinte, es gäbe nur 85 in Österreich. Angesichts dieser Zahl ist es wirklich ein sehr großer Zufall, unabhängig voneinander gleich zwei zu treffen.

● W. aus W. geht in die Vollen: "Ich finde es nur etwas irritierend, dass dein Diarium mit dem Zusatz 'zum Jahr der Pflicht' versehen ist, dann möchte man als interessierter Leser doch erfahren, wie es dir bei der Pflichterfüllung geht, liest hier aber nur halbseidene Notizen über die Papstwahl oder Milchpackungen. Seltsam ist das alles."
"Lieber W., dann hast du das Konzept ja kapiert. Etikettenschwindel unter dem Vorwand des Selbstversuchs. Ich habe nie was anderes behauptet."

Samstag, 23. März

● Attraktivität als Bürde: Markus Lanz ist der Christiano Ronaldo der Fernsehunterhaltung.

● Beginne, an einem Gedicht namens "Du hast meinen Apfel gestohlen, du Sau" zu arbeiten. Kann nur entweder grandios oder katastrophal werden. Bin gespannt.

● 100 Liter Bier mit neuem, zeitsparendem Verfahren gebraut, auf das Braukollege Josef und ich zurecht stolz sind. Die folgende Skizze können alljene, die das Nüsse interessiert (also alle), getrost überspringen.

marc carnal

Kleine Interpretationshilfe, falls sich aus Versehen ein ambitionierter Hobbybrauer auf diese Seite verirren sollte: Mithilfe zweier 25-Liter-Glühweinkocher wird während des ersten Einmaischens bereits der Nachguss und die Hälfte des zweiten Suds erhitzt, in weiterer Folge dienen diese zum Würzekochen. Im Grunde werden zwei Sude mit einer Differenz von rund zwei Stunden parallel gebraut, bei geschicktem Timing lassen sich so 100 Liter mit bescheidenem Equipment in zehn Stunden brauen.

● Leslie Nielsen kann gar nicht tot sein, wo er doch irischer Nationaltrainer ist.