Erstellt am: 18. 11. 2012 - 17:27 Uhr
Erdbeerland forever
YOUKI - Youth International Media Festival,
20.-24. Novemver 2012, Wels
Man will ja so einiges, aber bloß nicht sich wiederholen. Geht aber manchmal nicht anders. Wenn man über die Youki, das Jugend Medien Festival in Wels spricht, zum Beispiel, kann man nicht anders, als Lobeshymnen aus vergangenen Jahren zu entmotten. Dass Film mehr ist als bloß ein Film ansich, hat die Youki verinnerlicht und taucht Jahr für Jahr wie ein fantastisch-cineastisches Atlantis auf, um in Wels eine Brücke zwischen Disco und Diskurs zu schlagen. Diskussionen, Workshops, Ausstellungen gehören ebenso dazu wie die Tendenz, sich die Nächte um die Ohren zu tanzen. (Dieses Jahr mit Mile Me Deaf, Plaided, Dust Covered Carpet und einem famosen DJ Team bestehend aus Drehli Robnik und Elchaos, zum Beispiel)
Richard Wilhelmer
To Tellerrand and beyond
Die Youki selbst wiederholt sich nie, sondern baut sich beständig aus, ist eine Plattform für FilmemacherInnen zwischen 10 und 26 genauso wie ein Erkundungslabor der Jugend- und Popkultur und denkt und agiert dabei stets über den Tellerrand hinaus.
waystonefilm
Abgesehen vom internationalen Filmwettbewerb, in dem dieses Jahr 80 Kurzfilme von jungen FilmemacherInnen zu sehen sind, widmet man sich in einer unter anderem von FM4's very own Petra Erdmann kuratierten Reihe dem Herzklopfen, dem Herzschmerz und der Herzscheisse. Versammelt unter dem Titel "Teenager in Love" finden sich hier Richard Wilhelmers "Adams Ende", "Les Amours Imaginaires" von Xavier Dolan oder Spike Jonze' "I'm here". Österreich-Premiere feiert "Joven y Alocada/Young & Wild" von Maria Rivas, die Geschichte einer 17jährigen zwischen sexuellen Ausschweifungen und ihrer streng gläubigen, evangelischen Familie.
Blick zurück
Eine andere Art von Premiere findet bei "Teenager in Love" ebenso statt, die Youki hebt ihren schlauen und aufmerksamen Blick von der Gegenwart und wirft einen in die filmische Vergangenheit. Blaue Tränen tropfen bereits in der von Saul Bass gestalteten Titelsequenz über die Leinwand und bald wird Juliette Greco "Bonjour Tristesse" zu singen beginnen: Otto Premingers Verfilmung von Francoise Sagans gleichnamigen Romans ist ein Stück bittersüßes und melancholisches Kino aus dem Jahr 1958.
Sony Pictures Home Entertainment
Noch Jahrzehnte bevor "coming of age" ein eigenes Genre wurde, wird darin die Geschichte der Cecile erzählt, die mit ihrem Vater Raymond den Sommer an der Cote d'Azur genießt. Schon alleine wegen dem Jeanshemd-Partnerlook von David Niven und Jean Seberg sollte man "Bonjour Tristesse" gesehen haben. Die sind nicht nur stylingtechnisch eine Einheit: Vater und Tochter führen ein Leben zwischen morgendlichem Milchkaffee, Sonnenbad, Cocktailstunde im Casino und unverbindlichen Affären mit den Schönheiten der Umgebung. Savoir vivre voll süßer Versprechungen und ohne Gedanken an den nächsten Tag.
Über filmische "Teenager in Love" kann man auch im am 23.11 mit Claus Pirschner diskutieren, der lädt live auf der Youki ins FM4 Jugendzimmer (19-20:15 uhr)
Die hedonistische Leichtigkeit und das Gefühl jeglicher Verantwortungslosigkeit unter der gleißenden Sonne wird durch die Ankunft von Anne (Deborah Kerr), einer Freundin Raymonds, aus dem Gleichgewicht gebracht. Von Szenen in schwarz/weiss, in denen Cecile lustlos in einem Pariser Lokal tanzt, kehrt der Film immer wieder zu diesem Sommer zurück und ergründet, was zwischen dem Überschwand in Technicolor und der Tristesse und dem weltschmerzigen Enniu in Schwarz/Weiss passiert ist.
Sony Pictures Home Entertainment
Von der mondänen Riviera nimmt einen die Youki dann weiter mit ins weit weniger dekadente, steirische "Erdbeerland". Ennui findet sich da aber auch. Der halbstündige Film war bereits auf der Viennale zu sehen, der Kurztext zu Regisseur Florian Pochlaktko im Viennale-Katalog ist jetzt aber nicht unbedingt ein Ausbund an Information. Mitarbeit bei diversen Gemeinschaftsprojekten steht da unter anderem. Dabei geizt der Filmemacher nicht mit weitaus interessanteren und aussagekräftigeren Selbstbeschreibungen. Erste Filmerfahrungen mit 12. Von da an war dies die Geheimwaffe., steht etwa hier zu lesen.
sixpackfilm
Zwischen Wut und Langeweile
"Erdbeerland" ist ein Setzkasten des adolseszenten Alltags. Zwischen Turnunterricht und Verkleidungsparty beobachtet der Film die Gruppendynamiken von Mädchen- und Bubencliquen, die unendliche Fadesse des Schulunterrichts aber auch die lähmende Ödnis der Nachmittage im Kinderzimmer. Die Erwachsenen sind größtenteils unsichtbar oder reglos. Stumme Lehrer, die eine "Listening Comprehension" den Unterricht übernehmen lassen, eingeschlafene Mütter vorm Fernseher, einmal sind sogar nur Mutters hausbepatschten Füße im Bild zu sehen. In "Erdbeerland" regiert Aggression, Langeweile, Frust und das Gefühl der Welt grad nicht mehr als ein Schulterzucken entgegenstellen zu können. Ein "Rise Against"-Sticker im Zimmer der Hauptfigur ist schon das höchste Ausmaß an stattfindender Rebellion. Und irgendwann taucht Waterloo auf.
Mit großem Gespür für Rhythmus, Timing und vor allem die Sprache seiner Figuren erzählt Florian Pochlatko. Hier sitzt jedes Schimpfwort, jeder ins Leere starrende Blick und jeder Schnitt. Irgendwo zwischen genauen Beobachtungen dieses oft so peinsamen Zustand des Erwachsenwerdens und einer kleinen visuellen Liebäugelei mit quirky ohne aber jemals in indie-Lieblichkeit abzudriften, throhnt "Erdbeerland". Wer dorthin will, muss nur zunächst nach Wels, zur Youki.