Erstellt am: 2. 10. 2012 - 20:03 Uhr
"Wie eine Manie im Hinterkopf"
Die Sonne scheint zwar, aber Didis Lederjacke kündigt es bereits an. Die warmen Tage sind vorbei. Auf einer morschen Holzbank am Donauufer in der Nähe vom Wiener Handelskai sitzt die 24-Jährige, ihre Augen hinter einer Sonnenbrille versteckt, und genießt die frische Brise. Hier am Wasser ist sie häufig, mit Freunden oder allein. Sie beobachtet Schiffe und Kanufahrer und erlebt - nichts. Inspirierendes Nichts.
Denn für ihre Texte muss sie weder recherchieren, noch reale Vorbilder suchen. Sie passieren ihr einfach. "Diese Texte schlummern wie irgendeine Manie in meinem Hinterkopf und wenn sie ausbrechen, ist nur noch die Frage, ob ich schnell genug mitschreiben kann. Ich könnte dir auch nicht sagen, woher die kommen.", sagt Didi und lächelt.
Während andere Autor_innen wieder und wieder ihre Texte überarbeiten, aber eigentlich nie ganz damit zufrieden sind, schreibt Didi Drobna in einem durch und editiert ihre Geschichten selten. Allerdings wartet sie auf die Momente, bis sie glaubt, bereit und in der richtigen Stimmung zu sein, die der Text benötigt. Diese Zeitabstände können oft sehr lang sein. Aber nach dieser Warterei sprudelt es nur so aus ihr heraus und ihre Texte überzeugen.
FM4 / Alex Wagner
Als Autorin will sich Didi Drobna nicht bezeichnen. Viel zu viel Ehrfurcht hat sie vor dem Beruf. Sie müsse erst mit den anderen gleichziehen und ihren ersten Roman veröffentlichen. Erst wenn dieser im regulären Buchhandel erhältlich ist, könne sie sich Autorin nennen.
Didi Drobna ist workaholic. Als Kind ist sie mit ihren Eltern aus Bratislava nach Wien gezogen, hat hier Kommunikationswissenschaften studiert und abgeschlossen. Das Studium hat sie sich mit diversen Jobs im Marketing und in der PR finanziert, auch in einer Anwaltskanzlei hat sie gearbeitet. Derzeit schreibt sie an ihrer Diplomarbeit in der Germanistik. Vor kurzem hat sie das Studium der Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst begonnen. Neben bisherigen Veröffentlichungen hat Didi 2010 den zweiten Platz des Exil-Literaturpreises gewonnen. Und nebenbei schreibt sie an ihrem Roman mit dem Arbeitstitel "Ich mag es nicht, wie du lachst".
"Solche Biographien sind natürlich immer auch eine Form der Selbstschmeichelung und Selbstverherrlichung. Das ist eine chronologische Aufzählung der persönlichen Siege und der Dinge, die man erreicht hat. Eigentlich ist das total irrelevant, das sind nur Wegmarker, wie ich so durchs Leben schreite.", meint Didi bescheiden.
Luftschacht Verlag
Alles, was Didi Drobna bisher gemacht hat, hat mit Literatur zu tun. Sie hat sich immer schon mit dem Schreiben beschäftigt, wusste aber nie, welche Seite sie am meisten interessiert. Sie hat alle Stationen in ihrer Laufbahn ausprobiert: Verlagswesen, Marketing, Wissenschaft. Am liebsten aber würde sie ihr Geld als Schriftstellerin verdienen. Der dritte Platz bei Wortlaut ist hier nur eine weitere Etappe in ihrem Lebenslauf.
Platz 3 für Didi Drobna
Didis Kurzgeschichte "Zwischen Schaumstoff" handelt von den Eindrücken und Erfahrungen eines kleinen Mädchens, dessen Großmutter gestorben ist. Naiv aber durchaus interessiert und aufgeweckt versucht die kleine Daisy, sich des Verlusts bewusst zu werden. Mit dem abstrakten Konzept von Leben und Tod kann sie wenig anfangen. Die Protagonistin ist unsicher, welche Rolle sie einnehmen soll. Einerseits will sie ihre Mutter stützen, andererseits sucht sie Schutz bei ihrer großen Schwester Lisa. Sie soll bei der Beerdigung ja nicht von ihrer Seite weichen, schließlich weiß Daisy ja nicht, wie Beerdigungen funktionieren. Sie müsse den kulturellen Code und die Trauerrituale erst von den Erwachsenen lernen, die scheinbar auf alles eine Antwort haben.
Didi Drobna gelingt es, authentisch und einfühlsam das Innenleben eines kleinen Mädchens zu schildern, das zum ersten Mal mit dem Tod konfrontiert ist. Die Autorin hat mit dieser Kurzgeschichte einen eigenen Verlust in ihrer Familie aufgearbeitet: Anfang des Jahres sind beide Großmütter von Didi innerhalb kürzester Zeit verstorben.
Zwischen Schaumstoff
Der Soundtrack zur Kurzgeschichte
- Kawinsky - "Nightcall"
- Woven Hand - "Whistling Girl"
- Metronomy - "The Look"
- Fiva MC & Radrum - "Frühling"
Ein paar Tage darauf starb Großmutter. Lisa wusste nichts Näheres, aber sie war sofort unruhig. Ich hätte sie gern an der Hand genommen, aber das machten wir nur, wenn wir gemeinsam Einkaufen oder über die Straße gingen und hier war keine Straße, also ließ ich es besser bleiben.
Als Mama es uns beiden sagte, sagte sie, die Oma ist vorhin gestorben, und brach in Tränen aus. Sie legte ihr Gesicht in die Hände und weinte laut, so hatte ich sie noch nie gesehen, ihr ganzer Körper wurde vom Weinen durchgeschüttelt. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich sah zu Lisa, doch die saß einfach nur am Tisch und schaute ins Leere. Gehört es sich, dass man tröstet wenn jemand gestorben ist, oder weint man einfach bis alles draußen ist. Ist das wie Schnupfen der raus muss, also die ganzen Viren die rausgespült werden vom Körper, oder ist das wie Blut das zwar sofort rausfließt, aber wenn es weg ist, ist das nicht gut. Ich war nicht sicher, also machte ich einmal gar nichts.
(Anfang von "Zwischen Schaumstoff")
Die Bewertung der Jury
Autorin Julya Rabinowich: "Für mich der makelloseste Text - gerade weil man keine Sprachschule dahinter scheinen hört. Er klingt für mich sehr authentisch ohne Bilder zu bemühen, die erzwungen lustig, schräg oder auffällig sein wollen. Das ist ein sehr ehrlicher, sehr tiefgehender und auch überzeugender Text."
Musiker Frank Spilker: "Ich fand den sehr schön. Das Besondere versuchen zu beschreiben, dass bei Kindern auch ganz andere Schutzmechanismen funktionieren, als bei Erwachsenen, dass emotionales Begreifen nach dem rationalen Begreifen kommt. Und ich glaube, dass das bei Kindern nochmal ausgeprägter ist."
Autor Linus Volkmann: "Zum Schluss hab ich eventuell sogar tatsächlich ein wenig weinen wollen (lacht) oder müssen."
Didi Drobna live
- Wortlaut 2012 - der FM4 Kurzgeschichten-wettbewerb: Alle Geschichten zum Thema.
Die Gewinner/innen 2012
- Platz 1: Tim R. Zazzara für "Mit Milch"
- Platz 2: Tilman Grottian für "Heimaturlaub"
- Platz 3: Didi Drobna für "Zwischen Schaumstoff"
- Platz 4-10: Die großen 10 von Wortlaut 2012
Die Drittplatzierte Didi Drobna liest ihre Kurzgeschichte "Zwischen Schaumstoff" im Rahmen der Buchpräsentation im phil (Gumpendorferstraße 10-12, 1060 Wien) am Freitag, den 5. Oktober ab 20 Uhr. Dort werden auch der oder die Zweit- und Erstplatzierte ihre Geschichten lesen. John Megill legt feine Tunes auf, Claudia Czesch moderiert. Hinkommen lohnt sich - der Eintritt ist frei!
Bei der Lesung wird auch das offizielle Wortlaut-Buch 2012 vorgestellt mit den besten zehn Texten.
Luftschacht Verlag
The Winner is...
Wer den zweiten und ersten Platz von FM4 Wortlaut gewonnen hat, erfahrt ihr am Mittwoch und Donnerstag in der FM4 Homebase zwischen 20 und 21 Uhr.
Die oder der Erstplatzierte wird vor der Lesung am Freitag, den 5. Oktober live in FM4 Connected zu Gast sein.