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Pia Reiser

Filmflimmern

27. 8. 2012 - 08:33

Bauchgefühle

"Frisch gepresst" und "What to expect when you're expecting": Mit Wehen und Ach versuchen sich momentan zwei Filme an der Kombination von Komödie und Schwangerschaft. Eine schwere Geburt, unterhaltungstechnisch.

Es beginnt alles beinahe idyllisch. Super-8-Aufnahmen eines Familienurlaubs in den 1970er Jahren surren in "Frisch gepresst" über die Leinwand, während mit einem Noel-Gallagher-Zitat der bestformulierte Satz des ganzen Films fällt: "Kinder sind Arschlöcher. Ich weiß das, ich war früher eines". Hätte bloß Noel mehr zum Drehbuch beisteuern können, denn sobald die Super-8-Bilder zu Ende geruckelt sind, schaltet "Frisch gepresst" auf deutschen Fernsehfilm-Autopilot. Und da hat man sich unter anderem irgendwann auf zwei Eigenschaften der weiblichen Hauptfigur geeinigt: arbeitstechnisch selbstständig und bewegungstechnisch patschert.

Diana amft in "frisch gepresst"

walt disney

Hier folgt gleich der Blick unter die Bettdecke, um zu schauen, ob man nackt ist

* Die Namen hier sind die häufigsten Rollennamen von Sophie Schütt und wurden deswegen ausgewählt.

Diese TV-Julias, Katjas, Lisas* sind wahre Künstlerinnen mit den Händen und nähen, stricken, entwerfen für ihr Leben gern und ihr täglich Brot. Sie besitzen einen kleinen Laden mit lustigem Namen, setzen auf persönliche Beratung, Nachbarschaftshilfe und Kundenkontakt und trotz ihrer Top-Produkte hängt da stets ein Damoklesbuttermesser namens "Steuernachzahlung" über den selbstständigen Kreativen. So geschickt sie mit den Händen sind, so patschert sind sie allerdings im Fußbereich. Die Julias, Katjas, Lisas stolpern, fallen, rutschen, verschütten Rotwein und schlittern mehr durchs Leben als sie gehen. Meistens auch, weil sie eben eher so Kumpelfrauen in Sneakers sind, dann zur Mannbeeindruckung aber doch zu High Heels greifen und das hohe Risiko, das mit hohem Absatz einhergeht, immer unterschätzen.

Das kumpelfrauige Dasein halten die Drehbuchautoren hier schon für einen feministischen Ansatz, ebenso wie den Geschichtenbaustein, dass diese Frauen meistens nicht kochen können. Da muss dann fürs Date im Eigenheim - weil so emanzipiert, dass man einfach sagt, dass man nicht kochen kann, ist man dann doch wieder nicht, Essen heimlich bestellt werden oder es wird ein Kochfiasko inszeniert. Nicht kochen können und patschert sein ist ja ein match made in heaven für den deutschen Fernsehfilm.

Genau so eine Julia, Katja und Lisa ist auch Andrea (Diana Amft) in Christine Hartmanns "Frisch gepresst", der auf dem gleichnamigen Bestseller beruht. Andrea ist Besitzerin eines Dessousladens, in dem sie selbstdesignte und -angefertigte Unterwäsche verkauft. Eine rotbackige quietschfidele Singlefrau, wie sie der deutsche Film so liebt, die in ihrer Wohnung Kerzen, Polster und große Rotweingläser hortet und von Kindern nichts wissen will.

Diana Amft in "Frisch gepresst"

walt disney

Kotzen und pinkeln

Zumindest nicht, bis die Rom-Com-Körperflüssigkeitenregel Einhaltung fordert: Wenn eine Frau kotzt, dann pinkelt sie garantiert in der nächsten Szene. Auf einen Schwangerschaftstest. Rom-Com-Regel Nummer Zwei: Als Vater des Kindes kommen zwei Männer in Frage, die - so will es Rom-Com-Regel Nummer Drei- grundverschieden sind. Das Konzept dieser Verschiedenheit stammt aus dem deutschen Beziehungskomödien-Kanon der 1980er Jahre, bedeutet also grob gesagt immer noch: Macho versus Softie. Der Macho hier ist ein bisschen Narziss, der Softie ein bisschen Idealist.

Es gibt sie schon auch, die wirklich guten Filme mit schwangeren Hauptfiguren:

  • Juno
  • Away we go
  • Fargo
  • Knocked Up
  • Rosemany's Baby
  • und die wunderbare "Community"-Folge mit dem Titel "Applied Anthropology and Culinary Arts"

Und obwohl einem im Kinosaal eh klar ist, wie das Ganze ausgeht, muss man noch eine Stunde dabei zusehen, wie Andrea hinfällt und zuhause zwischen Polstern und Kerzen traurig ihr Rotweinglas hält. Ohne ihn gesehen zu haben, hat man "Frisch gepresst" schon gesehen, ich glaube auch, dass jede Dialogzeile schon in irgendeiner anderen deutschen Komödie vorgekommen ist und auch da nicht lustig war. Es gibt nichts an "Frisch gepresst", was nicht schon mal da war, es gibt nichts an "Frisch gepresst", an dem man auch nur ansatzweise den Versuch ablesen kann, einen eigenen Gedanken über Geschlechterrollen, Arbeitswelten oder Beziehungen zu formulieren. Nicht mal Sunnyi Melles darf hier die übliche schrullige Chi-Chi-Exzentrik versprühen, die sie sonst aus dem Seidenärmel schütteln kann.

szenenbild aus "frisch gepresst"

walt disney

For whom the belly tolls

Ebenfalls auf einem Bestseller beruht "What to expect when you're expecting", der sich in den Kanon der amerikanischen rom coms einreiht, die neben amouröser Verwicklungen immer noch einen Anlass als Klammer haben. Nach Verliebtsein zur Weihnachtszeit ("Love Actually") und Verliebtsein Mitte Februar ("Valentines Day") kam Verliebtsein Ende Dezember ("New Year's Eve"). Dann waren die halbwegs weitreichend funktionierenden Feiertage auch schon aufgebraucht und man griff zur Schwangerschaft als verbindenden Faktor.

Regisseur Kirk Jones verstrickt fünf Paare in einen Reigen um bevorstehende Elternschaft. Das ist nicht so ganz so schlimm, wie es zunächst klingt, aber auch nicht so unterhaltsam, wie es sein könnte, wenn man bedenkt, dass Anna Kendrick, Chris Rock dabei sind. Und leider trotz Elizabeth Banks und Ben Falcone nicht apatowian genug.

universal

Fitnesstrainerin, Kinderbuchautorin, Imbisswagenbesitzerin, Fotografin: Diversität war den Drehbuchautoren bei den Berufen der Figuren wichtig, ansonsten aber nicht wirklich. Wir erleben neun Monate im Leben von weißen, wohlhabenden und heterosexuellen Paaren. Die Stimmungsschwankungen des Films sind ähnlich denen, die man Schwangeren zuschreibt. Zwischen tränendrüsendrückendem Adoptionsritual in Äthiopien und Ausrutschen auf Fruchtwasser kann man gerademal Epiduralanästhesie sagen. Einerseits möchte man es dem Film hoch anrechnen, dass er auf der Suche nach Themenvielfalt auch Bereiche abseits von rosaroter und himmelblauer Nachwuchs-Vorfreude betritt, andererseits würde es dann doch höhere Drehbuchkunst benötigen, um Unfruchtbarkeit, Adoptionsverfahren und Fehlgeburt in eine Komödie so unterzuheben, so dass der dramaturgische Kuchen aufgeht.

Matthew Morrison und Cameron Diaz in "What to expect when you're expecting"

universal

Ein ziemlicher Topfen ist die Episode um Cameron Diaz und Matthew Morrison. Sie TV-Fitnessguru, er, angehimmelter Tänzer einer TV-Show. Das Kind: ungeplant - ebenso wie die Dialoge, die die beiden führen müssen. Weitaus weniger glattpoliert sind Figuren und Dialoge in dem Segment mit Elizabeth Banks. Sie führt ein Geschäft für Kinderspielzeug und hat ihr erstes Kinderbuch geschrieben. Von Frauenzeitschriften fühlt sie sich betrogen, der glow der mit der Schwangerschaft einhergehen sollte, bleibt aus. Stattdessen hat sie Kreuzweh, Blähungen und ihre Blase nicht ganz unter Kontrolle. Die herrlich geerdete Banks, die das Liebenswerte mit dem Brachialen verbinden kann und deswegen so schön ins Universum des Judd Apatow passt, ist das Glanzstück von "What to expect when you're expecting". Sie leidet und furzt. Beides mit großem Herz.

Elizabeth Banks und Ben Falcone in "What to expect when you're expecting"

universal

Schön ist auch die Vätergang, die angeführt von Chris Rock mit Buggys und Flascherl bewaffnet in einem Park ihre Runden zieht. Beinah wie ein griechischer Chor kommentiert die befreizeithoste Runde aus Sicht derer, die schon Kinder haben. Dem kurz vor der Adoption stehenden Neuling in der Gruppe wird geraten, auf der kinderlosen Seite zu bleiben. Stay on that side Alex. This is the side where happiness goes to die.".

universal

"Frisch gepresst" und "What to expect when you're expecting" laufen bereits in den österreichischen Kinos

Als tatsächlich wortwörtlich zu nehmender running gag tritt hier regelmäßig der joggende Joe Manganiello auf, den die Männer mit frenetischen Rufen und High-5 begrüßen, er ist der angebetete Single, er ist die Verkörperung ihrer sorglosen Vergangenheit. Wenn's dann aus dem Park wieder raus in die Kapitel von Jennifer Lopez und Cameron Diaz geht, fällt einem das obige Zitat wieder ein, denn allzu oft ist man leider auch in "What to expect when you're expecting" dann genau dort. An diesem Ort, where happiness goes to die.