Erstellt am: 2. 7. 2012 - 14:27 Uhr
Parker im Parka
- Nochmal von vorn: Der regelmäßige Neustart erhält langlaufende Comicserien am Leben. Hulk, Batman und jetzt „The Amazing Spider-Man“ führen das Reboot-Prinzip auf der Leinwand fort (Christian Fuchs)
Das erste, was dieser Peter Parker sagt, ist "Ready or not, here I come" beim Versteckenspielen als Kind, doch scheint dies irgendwie auch eine Botschaft ans Publikum zu sein. Hört mir doch auf mit dem Gemaunze, dass es gerade Mal zehn Jahre her ist, dass erzählt wurde, wie aus Peter Parker Spider-Man wird, ready or not, here I come. Mit dem Peter Parker, den Tobey Maguire unter der Regie von Sam Raimi spielte, hat dieser Peter Parker hier nichts mehr zu tun. An Tobey Maguire erinnert nur mehr der in Gwen Stacys Zimmer rumliegende "Seabiscuit"-Roman, in dessen Verfilmung Maguire mitspielte. Der Maguire'sche Peter müsste zumindest von einem "Urban Oufitters"-Filialleiter gebissen werden, um mit dem Garfield'schen Peter styletechnisch auf Augenhöhe zu sein. Schluss mit geseitenscheiteltem Nerdtum, dieser junge Mann trägt Parka, Kapuzenpulli, "Ramones"-Shirt und fährt Skateboard.
Sony
Ein High School-Außenseiter ist er natürlich immer noch, nur wabert hier rebellisches Potenzial und das noch bevor der junge Mann mit der fantastischen Haarpracht in den Spider-Man Anzug schlüpft. Der Blick von Regisseur Marc Webb ist nicht der des Comicfanboys Sam Raimi, Webb sucht vielmehr teenage angst und teenage kicks in der Geschichte um den Schüler und Superhelden. Wo Raimi als ausgewiesener Spider-Man-Liebhaber die Nähe zur Comicvorlage suchte, nicht nur in der Geschichte, sondern auch in der visuellen Umsetzung, da wandelt "The Amazing Spider-Man" auf dunkleren Drama-Wegen. Und die Dunkelheit sovieler Superhelden, sie hat ihren Ursprung in der Kindheit. Peter Parkers Eltern packen eines Nachts hastig ein paar Unterlagen zusammen, liefern petit Peter bei Onkel Ben und Tante May ab und verschwinden. Der Verlust der Eltern und die zahlreichen offenen Fragen um ihr mysteriöses Verschwinden sind der Motor der Unrast des Teenagers. Er ist bereits vor der lebensverändernden Begegnung mit der Laborspinne mutiger und weniger zögerlich, als man das von Tobey Maguire kannte. Als er nach dem Spinnenbiss, noch unwissend über seine Veränderung und seine neuen Kräfte, einen U-Bahnwagen fast zerlegt, kann man im Hintergrund auf einers Werbeanzeige "This year 1000 of men will die from stubborness" lesen. Ein naseweiser Kommentar, stur ist dieser junge Herr nämlich auch ein bissl.
Sony
The Spider-Man who loved me
Ein bisschen stur war es vielleicht, dass Sony unbedingt einen Reboot des Spider-Man Franchise wollte und nicht einfach ein Spider-Man Abenteuer auf die Leinwand brachte, ohne die Superhelden-Initiationsgeschichte nochmal zu erzählen. Andererseits steckt in der Wandlung von Peter Parker zu Spider-Man soviel Identifikationspotential, man muss an dieser Stelle anfangen, das Franchise-Netz zu spinnen, sonst bleiben vielleicht nicht alle potentiellen Zuseher drin hängen und sonst reißt vielleicht der Erzählfaden. So aber knüpft Webb ein engmaschiges Netz der Identifikation und zumindest ich klebe dankbar fest. Und dankenswerterweise macht "The Amazing Spider-Man" doch kleine Abweichungen von der Geschichte im Vergleich zu "Spider-Man". Neue Frauen gibt es, zum Beispiel. Tante May ist nicht mehr die - sehr nah am Comic gehaltene - Kuscheloma mit der Strickjacke, sondern eine deutlich verjüngte und deutlich geerdetere Frau, gespielt von Sally Field, die aus den wenigen Szenen das beste rausholt. Und statt Kirsten Dunst als Mary-Jane, steht hier Emma Stone als Gwen Stacy am High School Spind und lässt Peter Parkers Herz rasen. Auch hier gibt es eine Erdung der Liebesgeschichte, wo mir das Geturtle zwischen Parker und Mary Jane immer ein bisschen die Nervenstränge angesägt hat, geben Stone und Andrew Garfield dieser komplizierten jungen Liebe ein pochendes Herz.
Sony
Garfield of Dreams
Dass Marc Webb ein Händchen für die passende Dosierung von quirky und awkward in einer Liebesgeschichte hat, hat er mit "500 Days of Summer" bewiesen und setzt dies auch in "The Amazing Spider-Man" ein. Die Nervosität, Unbeholfenheit aber auch der Herzklopfen dieser Liebe ist sicht- und spürbar. Und nicht nur den kopfverdrehten Schüler spielt Garfield mit Leichtigkeit und einer coming of age-Glaubwürdigkeit, sondern auch den tieftraurigen, wütenden, verletzten Peter Parker. Als er am Gehsteig seinen toten Onkel Ben entdeckt, muss ich an "Never let me go" denken, und die Szene, wo Garfield schreiend und weinend nachts auf einer Straße auf die Knie geht. Als Peter Parker hat er das Drama aber auch die Komik geschultert und jongliert beide mit Leichtigkeit. Der großartige Andrew Garfield ist das Herz dieses Films und es ist aus Gold.
Sony
Sein Gegenspieler, Rhys Ifans als Wissenchafter Curt Conners, der zu einer riesigen Eidechse mutiert, ist weniger Gold, aber zumindest Kupfer. Mir fehlt hier ein bisschen die Eleganz des grünen Kobolds auf seinem Hooverboard, der Maguires Gegenpart war. The Lizard schaut aus wie ein Teenage Mutant Hero Turtle mit ein bisschen Genmaterial von The Thing von den Fantastic Four. Mein Missfallen liegt aber auch an meiner generellen Fadesse bei Gegenspielern mit fehlender Feinmotorik. Doch ein die High School kurz und klein schlagender Kampf zwischen Spider-Man und The Lizard sorgt für den schönsten Cameo Auftritt von Stan Lee, ever.
Dieser Spider-Man, der seine neuen Superkräfte nicht zu pompösem Soundtrack über den Dächern New Yorks ausprobiert, sondern beinahe "Footlose"-artig in einer leeren Lagerhalle zu Indie-Gitarren, vielleicht ist er nicht amazing, dazu ist die Gegenspieler-Geschichte zu mau, aber pretty pretty pretty awesome ist er allemal. Aber davon war ich schon überzeugt, als ich das "Rear Window"-Plakat in Peter Parkers Zimmer erspäht habe.