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Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

1. 12. 2011 - 13:10

Neuer Gitarrenpop aus Großbritannien

Das Quartett Veronica Falls setzt einen archetypisch britischen Sound fort, der als C86 - als Class Of 86 - bekannt wurde.

Strum Your Guitar Gently

Retromania

Ach, so gently muss es gar nicht sein, es kann auch ganz schön scheppern. Hauptsache es klingt "shambling", wie der legendäre britische Radio-DJ John Peel den C-86-Sound zusammengefasst hat. Und das hat er, eh klar, wertschätzend gemeint und nicht abwertend, immerhin steht "shamble" für "watscheln, "schlendern" oder "torkeln".

Dass die vier Bandmitglieder von Veronica Falls keine Virtuosen auf ihren Musikinstrumenten waren als sie die Band gründeten, war also fast anzunehmen. Der DIY-Aspekt der Class Of 86 war schließlich auch von Bedeutung, das Selbermachen, das Lernen, das Probieren.

Veronica Falls, britische Band

Veronica Falls

A Brief History

Es war einmal ein kleines Plattenlabel in Bristol, England, das Sarah Records hieß. Die Bands auf Sarah trugen Namen wie The Field Mice, Even As We Speak, Heavenly, Shelley, Blueboy oder Another Sunny Day. Das war Ende der 1980er bis Mitte der 1990er Jahre. Dann stellte Sarah seine Geschäfte ein, mit dem Compilation-Album "We Don´t Do Encores". Nein, Zugaben sollte es dann auch wirklich keine geben.

Wegen Sarah Records wollte jemand wie ich damals auch nach Bristol fahren. Ja, nicht etwa wegen Massive Attack, sondern wegen Sarah. Auf einem Sarah-Sampler war etwa die Clifton Bridge zu sehen, wunderschön nebelverhangen war sie am Cover der Platte auszumachen, und so war gewissermaßen auch die Musik auf Sarah Records.

Ich bin damals natürlich nicht in die Stadt gekommen, erst später einmal, und hab tatsächlich im Stadtteil Clifton genächtigt, aber das ist wieder eine andere Geschichte. Jedenfalls hab ich es nie übers Herz gebracht, meine Sarah-Platten wegzugeben, im Zuge von einem Weg-mit-den-vielen-Platten-und-CDs, das mich spätestens bei jedem nächsten Umzug überfiel. Und jetzt soll da eine neue Band sein, die an den Sarah Sound anschließt? Veronica Falls heißt das Quartett. Let´s check them out.

Starry Eyes, What Can I Do For Your Attention?

Albumcover britische Band Veronica Falls

Veronica Falls

"Veronica Falls" von Veronica Falls ist bei Coop/Universal erschienen.

"Starry Eyes" ist ein Song vom US-Psychedelic-Pionier Rocky Erikson, den Veronica Falls covern, aber dann nicht auf das Album packten, sondern "nur" als B-Seite zur Single "Found Love In A Graveyard". Veronica Falls kommen aus London, bestehen aus zwei Musikerinnen - Roxanne Clifford und Marion Herbain - und zwei Musikern: James Hoare und Patrick Doyle. Drei von Veronica Falls stammen aber aus dem schottischen Glasgow, jenem Ort, der den C86 Sound mitbegründet hat.

Die britische Musikzeitung New Musical Express gab damals, im Jahr 1986, eine Gratis-Kassette zur Zeitung, auf der junge Bands waren, die einen ähnlichen Sound hatten. Auf der A-Seite der Kassette waren etwa die Pastels aus Glasgow oder auch die frühen Primal Scream. Drehte man die Kassette um, hörte man Bands wie The Shop Assistants oder The Wedding Present. Ein gewisses „jangly“ Gitarrenspiel würde allen Bands auf der Kassette gemeinsam sein, hieß es. Auch wenn das nicht 100%ig so war, darauf lag jedenfalls das Augenmerk, als die Kassette heraußen war. John Peel nannte den Sound, wie gesagt, "shambling", und bis heute ist er nicht vergessen und findet immer neue AnhängerInnen. Es ging auch um jugendliche Unschuld und ein reines Herz. Das hört sich auf Englisch besser an: "innocence" und "purity of heart". Boy/Girl-Harmoniegesänge drückten das nicht selten aus.

The Pains Of Being Pure

Veronica Falls Live

Außenseiter mögen zwar regelmäßig über die kleine, aber höchst loyale Fanbase des C86 Sound verwundert sein, der scheinbar tatsächlich von Generation zu Generation weitergegeben wird. "Anorak"-Bands wurden die C86 VertreterInnen auch gern genannt, weil sie sich meist in solchen zeigten, den Kragen hochgezogen und die Arme verschränkt.

Auch wenn sich Roxanne, Marion, Patrick und James bei einem Konzert von Comet Gain trafen, einer klassischen britischen Band der Post-C86-Ära der frühen 90er Jahre, insgesamt finden sich heute die sich auf C86 beziehenden Szenen weniger in Großbritannien als in den USA. Erst waren sie an Orten wie Olympia, Washington, samt einem Plattenlabel wie K-Records, und nun schlicht und einfach in Brooklyn, New York, wo etwa die Vivian Girls ebenso bekennende C86-Fans sind wie The Pains Of Being Pure At Heart. Ein US-Plattenlabel war es dann auch, das die Songs von Veronica Falls als erstes veröffentlichen wollte. Bei Slumberland Records in Kalifornien erscheint das Debütalbum von Veronica Falls in den Staaten.

Sängerin Roxanne von Band Veronica Falls

Veronica Falls

Veronica Falls hatten bei der Entstehung ihres Albums, das ebenfalls „Veronica Falls“ heißt, etwas Hilfe im Aufnahmestudio - von keinem Geringeren als Guy Fixsen. Der bescheidene Brite war immerhin neben Margaret Fiedler eine Hälfte vom so herrlich hibbeligen Londoner Experimentalpop-Duo Laika. Außerdem war Guy Fixsen auch einmal mit den Breeders im Studio, und auch mit My Bloody Valentine, oder in der jüngeren Vergangenheit mit Lonelady aus Manchester.

All Eyes On You

If you like this, try these:
Amelia Fletcher (Talulah Gosh, Heavenly, Marine Research, Tender Trap)
Young Marble Giants
Shop Assistants

Veronica Falls verlieben sich auf ihrem Longplayer jedenfalls in einen Geist: "Falling In Love In A Graveyard", was eine gewisse Romantik hat, die zu C86 passt. Man könnte das aber eventuell auch Kindergarten-Siouxsie-And-The-Banshees nennen, aber das tun wir natürlich nicht, das überlassen wir ruhig den Popkritikern der Insel. Veronica Falls erweisen sich außerdem als Fans der Pixies - auf "Stephen".

Die Songs, die am stärksten einen C86-Bezug haben, sind nicht die bereits bekannt(er)en "Bad Feeling" oder "Beachy Head", sondern "All Eyes On You", "Right Side Of My Brain", "The Box", "Misery", "Wedding Day", "Veronica Falls" oder "The Fountain". Letzteres Stück geht aber auch in den Girlgroup-Sound der Sixties hinein, der zur Zeit allgegenwärtig ist. In "Beachy Head" geht es um eine der beeindruckendsten Klippen, die die englische Südküste zu bieten hat. Der Beachy Head hat aber leider auch traurige Berühmtheit - als Ort, von dem sich Lebensmüde ins Meer stürzen, ein Aspekt, der ihn aber wohl erst zum Songthema macht. Darkness Falls, pardon, Veronica Falls spielen eben auch mit "light" und "dark". Well done.