Erstellt am: 28. 8. 2011 - 10:00 Uhr

In The Cold Of The Night

Die Hitzewelle der letzten Tage hat auch flirrende Musikvisionen der Zukunft gebracht. In der kühlen FM4 Soundparknacht: Neue Alben von Maur Due & Lichter und The Proud.

In der letzten Woche habe ich sie zu schätzen gelernt, die kühlen Nachtstunden, in denen eine frische Prise die heiße und stehende Luft im Zimmer zirkulieren lässt, den Schweiß auf der Stirn trocknet und auch die Musik wieder klarer hörbar zu machen scheint. Denn bei knapp 40 Grad im Schatten kann es schon vorkommen, dass sich Realität mit Fata Morgana-ähnlichen Wahrnehmungen vermischen, was besonders interessant wird, wenn man sich neue, noch nicht erschienene Alben durchhört. Hat bei diesem Song wirklich der Beat komplett gefehlt oder war das nur eine akustische Wunschvorstellung?

Diesen Sommer ist die Nacht sicher die beste Zeit sich zurückzulehnen, um in Soundwelten abzutauchen und vor allem den Klängen der Zukunft zu lauschen.

Wenn die Melancholie lichterloh brennt

Vor einigen Wochen hat mir LasVegas Labelchef Andreas Jantsch ein Album des österreichischen Duos Maur Due & Lichter mit - soweit ich mich erinnern kann - den Worten zugesteckt: "Das könnte dir gefallen. Ich finde es ganz groß!" Und er hatte recht.

Maur Due & Lichter

Allein der instrumentale Eröffnungstrack "Zauberberg", inspiriert von dem gleichnamigen Thomas Mann Roman, hat mich wirklich getroffen. Eine getragene Klavierlinie, rückwärts abgespielte Samples, dazu akustische Gitarrenakkorde, die sich glitzernd über den zart aufgebauten Harmoniebogen legen, bis nach zwei Minuten nur mehr eine kleine, berührende Melodie übrig bleibt. Damit entführen uns die Produzenten Mauricio Duda und Daniel Lichter in ihre ganz eigene Welt, in ihren wie Daniel es nennt "musikalischen Elfenbeinturm". Es ist ein Gefühl von Abgeschiedenheit, die die Musik von Maur Due & Lichter evoziert. Fern von regelmentierten Popformaten, Indie-polizeilichen Vorschriften und stereotypen Tanzbodenbeats verschmelzen organisches Songwriting und elektronische Frikeleien zu einem federleichten und gleichzeitig tief melancholischen Soundtrack für die innere Einkehr.

Maur Due & Lichter

Die erste Single "Another Day", Namensgeber für das ganze Werk, ist ein absolutes Highlight, dass nur mit den Stimmen und den Gitarren von Mauricio und Daniel auskommt. Komplett ohne Beat oder Percussions erzeugt dieser Song durch die effektierten Gesangslinien und die ruhig geschlagenen Akkorde eine Dringlichkeit, der es keinen Rhythmus bedarf, um zu bewegen. Das erst vor kurzer Zeit gegründete Duo kann aber auch anders. Die ambientlastigen Sphären werden bei dem brachialeren Stück "Pause For The Cause" von einem trockenen Drummachineloop und angezerrten Gitarren begleitet. Der Großteil von Maur Due & Lichters Debüt verbreitet jedoch zarte, zerbrechliche, detailverliebte Klanglandschaften (wie das erhebende "You Remember" oder das hypnotische "Whisper"), auf denen man unendlich lang wandeln kann, ohne auch nur einen Moment der Orientierungslosigkeit oder Langeweile zu spüren.

Maur Due & Lichter

Zwar wurde "Another Day" schon digital veröffentlicht, jedoch haben sich die beiden Produzenten dazu entschlossen, den Track noch einmal zu überarbeiten, soundtechnisch aufzufetten und eine zweite Single aufzunehmen, um das Ganze dann auch physisch über LasVeags Records zu veröffentlichen. Eine gute Entscheidung, die hoffentlich mehr Aufmerksamkeit für dieses junge Duo generiert, dem mit diesem Konzeptwerk ein beachtlich guter Start gelungen ist. Überbrückt wird die Zeit zum Albumrelease mit der "Another Day" Singleveröffentlichung, Konzerten und einem ausführlichen Gespräch mit Mauricio und Daniel. Dazwischen gibts die ursprünglichen Versionen ihrer Tracks und zwei großartige Remixe zu hören.

Stolz ohne Vorurteil

Mit Hitze zu jeder Jahreszeit kann Clara Blume sicherlich umgehen. Schließlich ist sie mit siebzehn Jahren nach Madrid gezogen. Im Nachhinein betrachtet war der dadurch gewonnene Freiraum für Clara auch der initial spark, Musik zu machen.

©piaclodi

Viele Projekte sind seitdem entstanden, viele Musiker und Produzenten hat die österreichische Sängerin kennen gelernt. Aber mit dem Spanier Pablo Cebrian ist die musikalische Arbeit auf besonders fruchtbaren Boden gestoßen. Zusammen bilden sie den Kern der Band The Proud, die sich stilistisch nicht so recht einordnen lassen. Der poppige Song "The Mess" hantiert mit Streicher- und Klaviersounds zu rollenden Trommeln, über die Clara einmal mit druckvoller Stimme, einmal mit zartem Hauchen ihr dunkles Timbre entfaltet. Das langsamere "Lovebirds" entwickelt sich zu einer jazzig angehauchten Ballade, die chanson-eske Elemente mit Moloko-artigen Drive verbindet. "Altas" ist die wildere, rockigere Seite von The Proud, wobei das atmosphärisch ruhige, etwas reduziertere, sich schön zu reiner breiten Popballade steigernde "All You Ever New" der Band wohl am besten zu Gesicht steht.

Während Clara alle Texte schreibt und Pablo Cebrian sich um Arrangement und Produktion künmmert, hat sich der Spanier Julio Tejera für The Proud auf der Bühne hinters Klavier gesetzt, den Bass bedient der Argentinier Matias Eisen, Aaron Johnston aus New Yorker spielt Schlagzeug und der Italiener Savino Di Vietro spielt neben Pablo Gitarre. Ein recht großes Projekt, das Clara, die wieder in Österreich Fuß gefasst hat, nun mit Pendelbewegungen nach Spanien am Leben erhalten will. Die selbstbetitelte EP wird am ersten Oktober veröffentlicht, ein ganzes Album soll im Herbst folgen. Genug Gründe, um Clara in die FM4 Soundparknacht zu laden, mit ihr über spanischen und österreichischen Stolz zu sprechen und sich durch die EP zu hören.

Auszeichnung und Aufzeichnung

Des weiteren in dieser Ausgabe der österreichischen Nacht auf FM4 nimmt Alexandra Augustin unsere Soundparkband des Monats August 2011 unter die Lupe. Die Auszeichnung fiel dieses Mal auf die Wiener/Berliner Formation Giantree, der "aktuell besten Bands aus heimischen Gefilden" (© Alexandra Augustin). Wer sich die Nummer "Time Loops" schon angehört hat, wird wahrscheinlich nicht anders können, als meiner werten Kollegin beizupflichten.

Niko Ostermann

Auch der sich "vom HipHop zum Singer/Songwriter-Pop mit Laptop-Bonus und Literatur-Vorsprung" (© Robert Glashüttner) hin entwickelte Grazer Musiker Effi wurde gewissermaßen ausgezeichnet, auf der großen Race Stage beim diesjährigen FM4 Frequency zu spielen. Bei brütender Hitze, blauem Himmel und gleißender Sonne tanzte der charmante Pop-Barde mit seinem kleinen Astronauten auf der Bühne. Selbst ohne dieses Bild ist das Live-Set von Effi schön anzuhören. Einen Teil bekommt ihr heute Nacht ins Wohnzimmer geliefert.

Fahrplan durch die Sendung:

• 01:00 bis ca. 02:10 Uhr: Listening Session mit Maur Due & Lichter
• 02:10 bis ca. 02:45 Uhr: Alexandra Augustin im Interview mit Giantree
• 02:45 bis ca. 03:25 Uhr: Effi live @ FM4 Frequency 2011
• 03:25 bis ca. 04:25 Uhr: Neue Elektronik aus dem Soundpark in the mix
• 04:25 bis ca. 05:20 Uhr: How I Became An Alien von Tracker in the mix
• 05:20 bis 06:00 Uhr: Interview mit The Proud