Standort: fm4.ORF.at / Meldung: ""Nicht nur für die Community""

1. 6. 2011 - 15:47

"Nicht nur für die Community"

Identities Festivalleiterin Barbara Reumüller über queeres Filmschaffen und den Mainstream und die Vorbildwirkung des Kinos.

Am 2. Juni 2011 wird das Queer Film Festival identities, das alle zwei Jahre in Wien stattfindet, eröffnet und bietet eine Bestandsaufnahme des aktuellen queeren Filmschaffens und spiegelt gesellschaftspolitische Diskussionen wider. In Österreich etwa sind für gleichgeschlechtliche Paare trotz der seit 2010 möglichen Eingetragenen Partnerschaft Adoption, Kinderwunsch und einheitlicher Familienname gesetzlich nicht vorgesehen. Der Schwerpunkt „Familie und Kinder“ zeigt wie andere Länder mit diesen Lebensrealitäten umgehen. Welche anderen Entwicklungen identities 2011 geprägt haben, das verrät Festivalleiterin Barbara Reumüller im Interview mit Erika Koriska.

Mit Filmen wie „The Kids are all right“ oder der TV-Serie “Glee” ist jetzt eigentlich das queere Filmschaffen im Mainstream angekommen ; ist das eine begrüßenswerte Entwicklung?

Ja, total. The more the merrier. Je mehr wir die Bandbreite an Identitätsentwürfen im Fernsehen, im Kino, auf DVD, im Mainstream, auf der Bühne sehen, desto besser ist das für eine sich entwickelnde, moderne, hoffentlich vielfältige, tolerante Gesellschaft.

The Kids Are All Right

UIP

The Kids Are All Right

Es hat sich also einiges getan in den letzten zwei Jahren, aber wie schaut es in Österreich aus? Beim Durschauen des Programms entdeckt man kaum aktuelle, österreichische Produktionen. Was ist da los?

Österreich hat leider so ein Beharrungsmoment, in Österreich ist queeres Filmschaffen von der Produktionsseite und der Darstellungsseite leider immer noch eine Leerstelle – und das ist kein Zufall. Die Gesetzeslage, haben wir erst im Jänner 2010 auf ein halbwegs verträgliches europäisches Niveau gebracht, aber Standesamt ist immer noch ausgeschlossen, Adoptionen sind immer noch ausgeschlossen, das Namensrecht ist immer noch eine Baustelle. Und diese rechtlichen Baustellen spiegeln sich auch in den visuellen Entwürfen in Österreich wieder: Das eine bedingt das andere. Darum ist es ein wesentliches Anliegen von Identities immer gewesen, diese international existenten und sehr vielfältigen visuellen Entwürfe nach Österreich zu holen und Vorbilder zu schaffen.

Es gibt dieses Jahr auffallend viele Filme, die sich dem Thema „Familie“ und „Kinder“ widmen, war das eine bewusste Entscheidung, das mehr in den Vordergrund zu holen?

Natürlich; einfach um zu zeigen, dass es andere Modelle und Vorbilder im weltweiten Kino gibt und diese Vorbilder aus dem Kino die Gesellschaft, so hoff ich doch, verändern. Kino hat dieses Moment. Das Festival ist nicht nur für die Community, sondern für alle da. Gesellschaftsveränderung ist ein gesamter, gemeinschaftlicher Prozess; Liebesgeschichten wie unser Eröffnungsfilm „Edie and Thea“, der betrifft und berührt alle und zeigt, dass Familien nicht nur per Gesetz definiert sind.

Szenenbild aus "Edie and Thea"

identities

Edie and Thea

Queer Cinema hat eine Vorreiterrolle gehabt – formal als auch inhaltlich – mit Themen wie „Familie“, „Coming Out“ oder auch „Fashion“ wirken viele der Produktionen jetzt schon fast brav und hauptabendprogrammtauglich . Ist es schwierig, kontroverse Filme zu finden?

Glaub ich nicht. Ich bemühe mich, in der Auswahl eine Bandbreite von Großproduktionen und kleinen Avantgardefilmen möglichst gleichberechtigt beim Festival zu programmieren und präsentieren. Ich glaube nicht, dass es brav ist. Bei Lisa Chodolenkos „The Kids are all right“, da haben viele gesagt, das hätten sie alles schon gesehen. Darauf hab ich entgegnet, pardon,das ist die erste queere Familienkomödie, die es gibt. Die family comedy war bisher immer straight. In dem Film gibt es zwei lesbische Moms und Teenager, die noch dazu durch künstliche Befruchtung entstanden sind. Es ist immer sehr interessant, was die Leute damit verbinden und was sie alles nicht schon gesehen haben, aber queeres Potential kommt dann oft erst durch die „backdoor“, wie man sagt. Das schaut so aus wie großes Mainstream-Kino und dann wird eine eine andere Message reingemogelt.

junge Frau tanzt in einer Disco, Szenenbild aus "the runaways"

identities

The Runaways

Wo sorgt der queere Film jetzt noch für Aufregung?

„The Runaways“, zum Beispiel, das ist ein Rock’n’Roll Biopic, big time-beautiful-independent-Arthaus, wie ich das nennen würde, aber Joan Jett und Cherie Curry, die geben sich’s und die sind ziemlich into each other. Man muss also immer ein bisschen genauer hinschauen, weil wir uns manchmal bewusst machen müssen, wo passieren so ganz selbstverständliche Annahmen – wie im Modebusiness, da denkt man gar nicht drüber nach - das ist gesamtgesellschaftlich gegessen und schon kein Thema mehr und umgekehrt im Rock’n’Roll out and gay zu sein – not so good. Und so ist es im gesamten Festival : Familienkomödien, Avantgardefilme, queer Aneignungen von Stummfilmen – es gibt viel zu entdecken.