Erstellt am: 25. 1. 2011 - 19:12 Uhr
Freaks and Geeks
"Glee" startet am 19.03 2011 auf ORF eins
Bis vor ungefähr zwei Jahren hat sich das hübsche englische Wort „Glee“ noch einfach mit „Fröhlichkeit“ übersetzen lassen. Mittlerweile muss man „sehr erfolgreiche Fernsehserie“ und „Pop-Phänomen“ anfügen. Im Mai 2009 läuft die erste Glee-Episode im amerikanischen Fernsehen: innerhalb kurzer Zeit schauen Millionen dabei zu, wie eine Außenseiter-Clique an einer High School gegen ihre Probleme antanzt und ansingt. Drei Golden Globes hat „Glee“ bei der Preisverleihung vor gut einer Woche abgeräumt, seit kurzer Zeit ist die Serie im deutschen Fernsehen zu sehen und startet am 19. März 2011 auf ORF eins.
FOX
Fast 10 Millionen Zuschauer verfolgen im Durchschnitt die erste Staffel der Musical-Dramedy im US-Fernsehen; ein Jackpot für den Sender FOX, der dem bereits seit Jahren durch die Fernsehanstalten geisternden Konzept irgendwann dann doch grünes Licht gegeben hat. Mittlerweile wirft das Network fast wöchentlich neue CDs, DVDs und Internet-Goodies auf den boomenden Markt, um die harten Fans, die sich Gleeks getauft haben, bei der Stange zu halten. Dieser durchschlagende Erfolg dürfte nicht zuletzt den geistigen Vater von „Glee“, Ian Brennan, erstaunen: das ehemalige Showchor-Mitglied schreibt mit Hilfe eines „Screenwriting for Dummies“-Ratgebers sein erstes Drehbuch; eigentlich für einen Kinofilm. Aber der Erfolg des Castingshow-Formats in den USA und das Interesse von zwei Produzenten der Hit-Serie Nip/Tuck, nämlich Ryan Murphy und Brad Falchuk,tt führen schließlich zur Kreation von „Glee“. Die drei Väter der Serie schreiben wechselweise die Drehbücher: so gewähren sie nicht nur gleichbleibende Qualität, sondern auch, dass die Essenz ihrer Geschichte sich nicht verflüchtigt.
Im Broadway-Bootcamp
Don’t Stop Believin', singen die amerikanischen Haar-Rocker von Journey – und liefern den Protagonisten von “Glee” gleich ein Mantra mit. Denn die sind homosexuell, übergewichtig, schwanger oder sitzen im Rollstuhl; und sind deshalb in der Hackordnung der McKinley High School ganz weit unten angesiedelt. In einem Showchor oder „Glee Club“ auf Amerikanisch, singen und tanzen sie sich ihre Probleme aus der Welt und ihre Identitäten herbei; und ganz nebenbei noch in die Herzen der Zuschauer. Showchoirs wie "New Directions" (so nennt sich derjenige in "Glee") sind in den USA schon seit langer Zeit eine beliebe Aktivität außerhalb des Stundenplans. Und wer jetzt glaubt, die Darstellung der Chöre als highly competitive und ihr gegenseitiges Antreten in den so genannten Sectionals und Regionals sei übertrieben, der irrt sich. Tatsächlich kämpfen alljährlich hunderte Glee Clubs gegeneinander, investieren tausende Dollars in Kostüme und Ausbildung jedes einzelnen Mitglieds (das dann wiederum hohe Jahresbeiträge bezahlen muss) und gelten nicht umsonst sogar am Broadway als taugliches Bootcamp für mögliche Zukunftstalente.
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Theatricality
In der Serie selbst spielt das Gegeneinander der verschiedenen Chöre zwar auch eine Rolle (vor allem zur Halbzeit und im Finale der jeweiligen Staffel), der Fokus liegt aber auf einer romantisierten Darstellung von Gemeinschaftlichkeit. Die McKinley High School ist bevölkert von extremen Charakteren, von der kulleräugigen Keimphobikerin und Vertrauenslehrerin Emma Pillsbury-Howell (Jayma Mays) über den indischstämmigen, schrulligen Schuldirektor Figgins (Iqbal Theba) und den verständnisvoll-ehrgeizigen Chorleiter Will Shuester (Matthew Morrison) hin zu diversen Mitschülern der Clubber, die die oftmals pompös inszenierten Musiknummern ihrer Kollegen nicht selten mit Erniedrigungen oder sogar Gewalt quittieren. In die Enge getrieben, verbünden sich die Hauptfiguren und meistern so viele der Konflikte.
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"Glee" ist aber weniger aufgerüscht und wirklichkeitsfremd, als man auf den ersten Blick meinen könnte. Denn in jeder einzelnen Episode werden eben nicht nur über fünf Sing- und Tanznummern geboten, es werden auch die Figuren selbst und ihre Probleme ernst genommen. Nicht selten pendelt die Serie dabei zwischen Überspitzung und Zuspitzung umher, verhandelt Reizthemen wie Homophobie, Teenagerschwangerschaften und Ghettoisierung mit einer Mischung aus Augenzwinkern und Herzflattern. Darin ist Glee quintessenzieller Pop: ein eklektisches Spiel mit Oberflächen, Outfits und Mitsing-Liedern, in dessen Kern allerdings ein anarchisches Moment steckt. Wenn der Star-Quarterback Finn (Cory Monteith) sich dann für den homosexuellen Kurt (gerade mit dem Golden Globe ausgezeichnet: Chris Colfer) schlägert, sich alle hinter die schwangere Chef-Cheerleaderin Quinn (Dianna Agron) stellen, dann hat das mit „Empowerment“ zu tun, dann glaubt da jemand daran, dass Pop Leben verändern kann.
How Sue C's it
So unbedingt und hingebungsvoll in „Glee“ Camp, Glitter & Gold zelebriert werden, so bunt, wild und intelligent sind dann auch die Figuren geschrieben. Über allen thront Sue Sylvester; die spitzzüngige Cheerleader-Trainerin trägt nicht nur in jeder Sequenz einen anderen Jogginganzug; sie ist auch eine geniale Parodie auf die amerikanische Leistungsgesellschaft – und als solche will sie natürlich nichts mehr, als den „Glee Club“, dem es um künstlerischen Ausdruck und damit um Freiheit geht, zu zerstören.
In den USA läuft gerade die zweite Staffel von „Glee“: mittlerweile ist die Mixtur aus „Breakfast Club“ und „Highschool Musical“ im Herzen der Unterhaltungskultur angekommen. Highschool-Showchöre melden in allen Teilen des Landes einen Mitgliederansturm, Prominente reißen sich um einen Gastauftritt in der It-Serie des neuen Jahrzehnts: Britney Spears hat ihren bereits hinter sich, Anne Hathaway und Javier Bardem sollen folgen. Und da eine dritte Staffel bereits in Vorplanung ist, wird auch nicht so bald Schluss sein mit dem Singen und Tanzen im amerikanischen Fernsehen.