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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

31. 5. 2011 - 18:49

Schauplatz Rossauer Lände

Drinnen: Schubhaft. Draußen: Abschiebedemos

Das Polizeianhaltezentrum an der Wiener Rossauer Lände ist in letzter Zeit wegen verschiedener Abschiebefälle bzw. wegen der Demos dagegen in die Schlagzeilen gekommen. Am prominentesten ist der Fall der Familie Komani, die hier untergebracht war, bevor sie abgeschoben wurden. Bei der Demo dagegen wurden an SchülerInnen und StudentInnen empfindliche Geldstrafen von bis zu 200 Euro verhängt, wegen Störung der öffentlichen Ordnung.

innenhof Rossauer Lände

Irmi Wutscher

Innenhof des Polizeianhaltezentrums Rossauer Lände

Drinnen: Schubhaft

Alev Korun, Menschenrechtssprecherin der Grünen, hat Journalistinnen und Journalisten letzte Woche dazu eingeladen, das Schubhaftzentrum Rossauer Lände zu besuchen und sich ein Bild zu machen. Leiter Oberst Josef Zinsberger führt uns durchs Haus.

Derzeit sind hier 17 Schubhäftlinge untergebracht, 16 Frauen und ein Mann. Das ist vor allem deshalb so, erklärt Zinsberger, weil gerade Plätze wegen der anstehenden Großveranstaltungen Fußball-Länderspiel und WEF in Wien freigemacht wurden. Grundsätzlich sind in der Rossauer Lände sind nicht nur Schubhäftlinge untergebracht sondern auch Menschen, die beispielsweise eine Verwaltungsstrafe nicht bezahlen konntenund absitzen müssen. Auch frisch aufgegriffene AsylwerberInnen verbringen hier eine Nacht, bevor sie von der Fremdenpolizei befragt und dann nach Traiskirchen überstellt werden.

Wandgekritzel

Irmi Wutscher

An den Wänden verewigte Insassinnen

Die meisten anderen Schubhäftlinge in Wien, letzte Woche waren das 135, sind im Gefängnis am Hernalser Gürtel untergebracht. Dort gibt es auch für Männer den offenen Strafvollzug, das heißt, dass die Zellentüren während des Tages geöffnet sind und man sich, zumindest in kleinem Rahmen, frei bewegen kann. Hier in der Rossauer Lände gibt es das nur für die Frauen.

Offener Vollzug

Wir fahren hinauf in den Frauenstock und finden uns auf breiten, beige gestrichenen Korridoren wieder. Die Türen der Zellen sind offen. Jeweils sechs Frauen sind gemeinsam in einer Zelle untergebracht. Die sind jeweils mit drei Stockbetten, einem Tisch mit zwei Bänken und einem Fernseher ausgestattet.

korridor im paolizeianhaltezentrum

Irmi Wutscher

Der Gang auf der offenen Station

Die Freizeitmöglichkeiten sind karg, vor allem weil keine Arbeit angeboten werden kann, wie zum Beispiel in einer Justizstrafanstalt. Die InsassInnen sind dazu zu kurz hier. Während des offenen Vollzugs können die Frauen die Telefone am Gang benutzen, in den Gemeinschaftsraum gehen – ebenfalls zum Fernsehen – oder sich gegenseitig besuchen. Derzeit werden angeblich neue Möglichkeiten der sportlichen Betätigung ausgetüftelt, sagt Josef Zinsberger: "Wahrscheinlich wird es etwas in der Art wie Aerobic."

Ansonsten ist der Tagesablauf streng reglementiert. Josef Zinsberger erklärt, wie ein Tag hier ungefähr abläuft: "Ab acht Uhr beginnt die offene Station, dann sind die Zellentüren geöffnet. Es gibt die Möglichkeit einen Arzt zu sehen. Eine Stunde Bewegung im Freien, auf der Dachterrasse ist auch vorgesehen. Um 11.30 ist Mittagessen und Mittagsruhe, da sind die Türen geschlossen. Am Nachmittag gibt es wieder die Möglichkeit, eine Stunde ins Freie zu gehen. Und am 15.30 beginnen bei uns die Besuchszeiten. Einerseits Angehörige, andererseits die betreuenden Einrichtungen.“

inschrift nett sein

Irmi Wutscher

Jasmin, eine der wenigen ÖsterreicherInnen, die hier eine Verwaltungsstrafe absitzt, ist die einzige, die uns über den Alltag im Gefängnis Auskunft geben will. Sie ist freiwillig in einer 6er-Zelle. "Zuerst war ich in der Einzelzelle, da hab ich aber zu viel nachgedacht", sagt sie. Auf Wunsch, sagt Leiter Josef Zinsberger, kann jede Frau hier eine Einzelzelle haben, sofern genügend Platz ist. "Wunscheinzel" heißt das dann. Es gibt auch Zwangseinzel, für Personen die gewalttätig sind und eine Gefahr für die anderen darstellen. Die sind dann aber auch im geschlossenen Vollzug.

Hungerstreik

Jasmin jedenfalls kommt in der 6-er-Zelle gut zurecht, Probleme mit den Mitinsassinnen hat sie keine: "Machmal grabscheln sie auf meinen Sachen herum, aber das gwöhn ich ihnen schnell ab", sagt sie. Zu den Schubhäftlingen hat sie wenig Kontakt, auch weil sie sich mit ihnen nicht verständigen kann. Sechs Schubhäftlinge sind derzeit in Hungerstreik, das merke man natürlich: "Die essen nichts, schauen dass der Blutzuckerspiegel schön unten bleibt, damit sie nach Hause kommen. Sie werden aber trotzdem gut behandelt", sagt Jasmin.

Dachterrasse

Irmi Wutscher

Dachterrasse, Ort für den "Freigang" der Frauen

Hungerstreik kommt in der Schubhaft oft vor, sagt Josef Zinsberger, die sechs Frauen derzeit seien aber eine sehr hohe Zahl. Sie erhoffen sich, durch den Hungerstreik haftunfähig und somit entlassen zu werden. Josef Zinsberger hat für diese Form des Protests wenig Verständnis: "Für den Moment klingt das vielleicht gut, nur: An der Situation und am illegalen Status hat das dann genau Null geändert, außer dass er mit dem Hungerstreik seine Gesundheit schädigt.“

Draußen: Abschiebedemos

Aber nicht nur drinnen, auch vor dem Polizeigebäude auf der Rossauer Lände spielt es sich ab. Immer wieder wird hier gegen Abschiebungen demonstriert. Und manchmal werden die Demos dann auch von der Polizei aufgelöst und die TeilnehmerInnen mit empfindlichen Geldstrafen belegt.

Zum Beispiel am 19. Jänner diesen Jahres: An diesem Tag sollte eine von Frauenhandel Betroffene abgeschoben werden. Sie hatte ihren Schlepper angezeigt und war daraufhin selbst in Schubhaft genommen worden. "Mich regen Abschiebungen sowieso auf", sagt Demoteilnehmerin Alexandra. "Aber diese Abschiebung war für mich und einige andere noch einmal unverständlicher."

Darum hatten sich an diesem kalten Tag etwa 60 Menschen spontan auf der Rossauer Lände eingefunden, um zu demonstrieren. "Wir sind da eigentlich so auf dem Gehsteig herumgestanden. Nur ganz wenige Leute hatten Transparente mit, Megaphon gab es gar keines, das war offensichtlich nicht so schnell aufzutreiben", sagt Alexandra. Als sich die Demo auf die Straße verlagert, wird sie von der Polizei aufgelöst. Später werden die DemonstrantInnen eingekesselt und ihre Personalien aufgenommen.

Verhältnismäßigkeit

Grundsätzlich, sagt der Verfassungsrechtler Bernd Christian Funk, müssen Versammlungen angemeldet werden. Aber auch ungeplante, spontane Versammlungen können von der Polizei nicht einfach so aufgelöst werden: "Eine spontane Versammlung, die nicht angemeldet ist aber friedlich verläuft, dürfte nicht aufgelöst werden es sei denn es gebe spezielle Gründe. Gefährdung der Öffentlichen Sicherheit ooder ähnliches. Im Allgemeinen wäre es unverhältnismäßig, eine friedliche Versammlung aufzulösen, nur weil sie nicht angemeldet wurde."

Wenn die Polizei die Versammlung aber für aufgelöst erklärt hat, sei das nun gerechtfertigt oder nicht, muss der Auflösung nachgekommen werden, sagt Funk. Trotzdem ist eine anschließende Einkesselung eine sehr drastische Maßnahme. "Dieser Eingriff in die persönlich Freiheit müsste eine besondere Rechtfertigung haben, damit er zulässig ist. Da müsste es zu Ausschreitungen gekommen sein."

Die DemoteilnehmerInnen haben ihre Anzeigen jedenfalls beeinsprucht. Bezüglich der Verhältnismäßigkeit hat Alexandra noch anzumerken: "Wegen der Demonstration ist der Verkehr vielleicht eine Viertelstunde, zwanzig Minuten gestanden. Wegen der Einkesselung stand er danach eine Stunde."

Eine unangemeldete Kundgebung gegen die österreichische Abschiebe- und Asylpraxis am Dienstag, 04. Mai 2010, auf dem Franz-Josefs-Kai in Wien.

APA/HERBERT NEUBAUER

Eine der größeren unangemeldeten Kundgebung gegen die österreichische Abschiebe- und Asylpraxis im Mai 2010.

Fazit:

Wie sich beim Lokalaugenschein zeigt: Die Bedingungen der Schubhaft selbst sind die gleichen wie in jedem Gefängnis. Aber die Haftbedingungen selbst sind es auch in den seltensten Fällen die drinnen zum Hungerstreik und draußen zur Demonstration führen. Das Unmenschliche an der Situation der Schubhäftlinge ist der lange Asylprozess, die Ungewissheit über die eigene Situation und die Tatsache, dass es für sie keine Rechtsberatung mehr gibt, sondern nur mehr Rückkehrberatung.