Erstellt am: 12. 4. 2011 - 15:32 Uhr
Demonstrieren verboten
Im Herbst 2010 wurde Familie Komani unter fragwürdigen Umständen abgeschoben. Die Fremdenpolizei steckte den Vater und seine zwei kleinen Töchter ins Schubgefängnis, während die Mutter im Spital war. Später wurde der Familie dann doch eine Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen erteilt, Vater und Kinder durften zurück nach Österreich und der Chef der Wiener Fremdenpolizei vom Dienst suspendiert - Grund für den Schwenk war eine breite Protestbewegung, die sich gegen die unmenschliche Abschiebepraxis formierte. Aber für einige der Demonstrierenden hat die Teilnahme am Protest jetzt eine finanzielle Schattenseite: Sie sollen Strafe zahlen.
APA/HERBERT PFARRHOFER
Mehreren von ihnen wurden die Strafbescheide zugestellt. Die Demonstrierenden hätten "durch besonders rücksichtloses Verhalten die öffentliche Ordnung an einem öffentlichen Orte gestört", außerdem "die Fahrbahn zu Gehen benützt (durch absichtliches Blockieren) obwohl ein Gehsteig vorhanden war". Die Demo-TeilnehmerInnen sollen je 200 Euro bezahlen – viel Geld zum Beispiel für die Studentin Yvonne: "Die Strafe ist überhaupt nicht angemessen. Es ist die Höchststrafe. Und für eine Studentin oder Schülerin ein Problem." Gabriel, ein Schüler, hält es für absurd, dass die Verwaltungsübertretung überhaupt geahndet wird. Vor allem weil er zum Zeitpunkt der Kontrolle bereits auf dem Heimweg war: "Wir waren schon am Weg zur U-Bahnstation. Ums Eck haben dann zwanzig Polizisten auf uns gewartet. Sie haben uns aufgehalten und von allen die Personalien aufgenommen." Ihm gegenüber hätte sich die Polizei zwar nicht aggressiv verhalten, sagt Gabriel, aber andere Teilnehmer waren emotional sichtlich aufgewühlt: "Eine Frau war plötzlich mit einbezogen, die eigentlich erst am Ende dazugekommen ist und keine Ahnung hatte, dass die Demo schon aufgelöst war. Sie hat dann unter Tränen ihre Personalien bekanntgegeben."
Einige der Schüler und Studierenden haben Einspruch gegen die Strafbescheide erhoben. Rechtliche Unterstützung bietet ihnen Nikolaus Kunrath vom Grünen Rathausklub. Kunrath stört, dass die Zahl der Anzeigen gegenüber Demo-TeilnehmerInnen in Österreich steigt: "Bei der Demo gegen den Wiener Korporationsring im Jahr 2010 wurden das erste Mal die Personalien einer riesigen Menge von über 700 Leuten festgehalten. Seitdem werden immer wieder Leute bei Demos eingekesselt und Personalien aufgenommen. Auch am 19. Jänner, an dem sich Jugendliche dafür eingesetzt haben, dass jemand nicht abgeschoben wird, wurde das gemacht. Das ist jetzt leider Methode geworden."
apa/HERBERT NEUBAUER
Eine Studentin, die an der Komani-Demo teilgenommen hat, trägt einen ausländisch klingenden Nachnahmen. Bei ihr soll laut Strafbescheid zusätzlich geprüft werden, "ob die Voraussetzung zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots vorliegt". "Absurd", sagt Nikolaus Kunrath: "Diese Person ist nicht einmal ausländische Staatsbürgerin. Trotzdem wird sie überprüft, weil ihr Name nicht Maier oder sonstwie heißt, sondern ausländisch klingt."
Die Jugendlichen, die Einspruch gegen den Strafbescheid erhoben haben, sind in den nächsten Tagen zu einer Vernehmung geladen. Vielleicht können sie die 200 Euro Strafe dort noch abwenden. Auf jeden Fall findet die nächste Demo gegen Abschiebung bald statt: Am 27. April, einen Tag bevor das umstrittene neue Fremden(un)rechtspaket beschlossen werden soll.