Erstellt am: 21. 1. 2011 - 14:07 Uhr
Abschiebung in den Tod
Die Abschiebungsdebatte erreicht eine neue Dimension. Wie News berichtet, befand sich in dem gestern durch die Agentur Frontex organisierten Abschiebeflug nach Nigeria auch eine 27-jährige Nigerianerin, die in Wien jahrelang zur Prostitution gezwungen worden war. Laut Einem Bericht der NGO "Adesuwa Initiatives" der Flüchtlichsbetreuern Joana Adesuwa-Reiterer, die seit Jahren gegen den internationalen Menschenhandel ankämpft, war die junge Frau "Opfer von Menschenhandel (...)" und (wurde) "hier in Wien über Jahre in der Zwangsprostitution brutal ausgebeutet" (Siehe hier).
Auf Zuraten von Adesuwa und der NGO "Exit" hatte sich die Nigerianerin zu einer Zusammenarbeit mit den Behörden entschlossen und ihre Geschichte der Polizei erzählt. Dabei nannte sie die Namen ihrer Schlepper und Zuhälter und gab der österreichischen Exekutive das wohl einzige Mittel in die Hand, dem organisierten Verbrechen Herr zu werden. Sie durchbrach den Kreislauf des Duldens und Schweigens, der illegale Prostitiution, Menschenhandel und organisiertes Verbrechen so schwer bekämpfbar macht.
Gestern wurde sie, trotz eines offenen Antrags auf humanitäres Bleiberecht, in das Land abgeschoben, in dem ihre Peiniger nun auf sie warten. Man darf annehmen dass die Kunde über ihren "Verrat" schneller in Nigeria ankommt als der Frontex Flug und dass Menschen, die die Mafia-Regel der "Omerta" brechen, nicht eben zimperlich behandelt werden, was die "Unbedenklichkeit des Aufenthalts im Heimatland" - wohl eine Grundregel einer anständigen Abschiebepraxis - gelinde gesagt unwahrscheinlich macht.
Was diesen Fall - abgesehen vom offensichtlichen Todesurteil für die mutige Betroffene - nun so besonders macht ist, die hochbrisante polizeistrategische Dimension.
Die Debatte verlässt die "moralische" Dimension
Asyl und Abschiebungsfragen sind nicht selten ideologische Orte einer allgemeinen, moralischen Diskussion: Der allerorts oft als "Gutmenschen" und "weltfremd" punzierte Teil der österreichischen Bevölkerung, die humanitäres Bleiberecht für "gut integrierte" für die Basis für ein anständiges Miteinander halten, muss sich täglich einer Diskussion stellen, die entlang politischer und moralischer Grenzlinien verläuft und potenziell auch kein Ende nimmt. So schmutzig diese Debatten auch für Menschen wie mich aussehen: Das ist ihnen zuzumuten, es ist die Grundübung einer politischen Öffentlichkeit und einer offenen Debatte und nicht selten ist die Informationslage dürftig, die Beurteilung was "gut integriert" bedeutet Ansichtssache. Manchmal ist es schwierig die Haltung und die Verfahrensweise der Exekutive objektiv zu beurteilen. Genau dies ist hier nicht der Fall.
In diesem Fall ist aber Schluss mit "Moral" oder "Meinung". Es geht hier auch um die Art der Verbrechensbekämpfung und um eine eindeutige Positionierung des Rechtsstaats gegenüber dem organisierten Verbrechen und dessen Opfern.
Zeugenschutz?
Jeder vollsinnige Krimikonsument kennt das "Zeugenschutzprogramm", das in Österreich zwar keine Tradition - wie etwa in den USA - darstellt, in Zusammenhang mit Menschen- und Drogenhandel aber stets als Königsweg gepriesen wird, um die schwer zu durchbrechenden Strukturen der international agierenden Banden auf lokaler Ebene aufzubrechen. Wann, wenn nicht in diesem Fall, sollten diese angewendet werden und der Zeugin ein gefahrloses Weiterleben - außerhalb ihres unsicheren Heimatlandes - ermöglichen? Selbst ohne Anwendung dieser Polizeimaßnahme sieht das Gesetz bereits aus Gründen der Gefahr der Zeugin eindeutige Schutzmaßnahmen vor.
Mit einem wirksamen Zeugenschutzprogramm würde nicht nur der Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostituton ein mächtiges Mittel in die Hände gelegt, es würde auch ein Zeichen gesetzt: Ihr seid nicht allein, die Polizei in Österreich ist auf eurer Seite und braucht euch, um der unwürdigen Behandlung von (beileibe nicht nur) migrantischen Sexarbeiterinnen den Kampf anzusagen. Was bei illegalen Preisabsprachen von Frächtern recht ist, die ähnlich gelagerte Kronzeugenregel nämlich, sollte bei Schwerverbrechen nur billig sein.
Die Innenministern, die sich im ORF Bürgerforum erneut als Anwältin der Sache der Frauen aufgespielt hat (und dabei wohl nur an das Kopftuchverbot dachte), könnte in diesem Fall schon bald am Grab einer Frau stehen, die ihren Beitrag für ebendiese Sache geleistet hat und als Lohn dafür in den sicheren Tod geschickt wurde.