Erstellt am: 19. 4. 2011 - 06:04 Uhr
Die langsame Landung der Clara L.
Heute im Radio!
Die Acoustic Session aus dem Studio - Video-Vogeschmack siehe unten!
Live:
04.05. ppc, graz
06.05. spielboden, dornbirn
07.05. röda, steyr
13.05. volxhaus, klagenfurt
14.05. bühne mayer, mödling
19.05. posthof, linz
27.05. café publik / festspielhaus, st. pölten
28.05. arge, salzburg
23.07. acoustic lakeside, sittersdorf
The greatest fear is yet to come...
Es ist einem Schlag in die Magengrube nicht unähnlich, wie Clara Luzia ihr viertes Album startet. Die glitzernde, akustische Gitarre wird lediglich von einem tiefen Cello unterstützt. Wenn Claras markante und zerbrechliche Stimme davon singt, dass die größte Angst eigentlich noch aussteht, tröpfelt eine dramatische Klavierlinie im Hintergrund auf den kargen Soundboden. Auch wenn es im Refrain von "We Can Only Lose" musikalisch etwas beschwingter zur Sache geht und sich ein breites Finale ankündigt, bleibt die Stimmung gedrückt.
Sarah Haas
Dieser Anfang war von der zarten und oft nachdenklich wirkenden Sängerin ganz bewusst gesetzt.
Clara: "Wenn ich einen Teller mit Essen bekomme und da etwas oben liegt, was ich nicht mag, und etwas was ich mag, dann esse ich einmal das, was ich überhaupt nicht leiden kann, damit ich das einmal hinter mir habe. Genau so war es mit dieser Nummer, die ich sehr gerne habe, aber die natürlich auch sehr heftig ist. Hat man die erst einmal hinter sich, dann wird es immer leichter verdaulich."
Trotz des vorweg sehr positiv erscheinenden Titels werden auf "Falling Into Place" eher die düsteren Seiten des Lebens verarbeitet und mit den inneren Anteilen verhandelt, die es scheinbar lieben, eine Krise nach der anderen heraufzubeschwören. Generell ist dieses Album jedoch einer der Gründe dafür, dass Clara Luzia die letzten Jahre gut überstanden hat und gestärkt aus ihnen hervorgehen kann.
Clara Luzia zum Nachlesen auf Fm4:
- Clara Luzia und die Geschichte mit den Überraschungen.
- Maria Motter über das FM4 Überraschungskonzert mit Clara Luzia.
- Michael Fiedler über das Album The Ground Below (2009).
- Clara Luzia gewinnt den FM4 Alternativ Act des Jahres (2008)
- Susi Ondrusova über das Album The Long Memory (2007)
Der Kampf mit den griechischen Göttern im Eismeer
Auch wenn der Erfolg von "The Ground Below" viele ausverkaufte Konzerte zur Folge hatte und den Bekanntheitsgrad von Clara Luzia und ihrer Band auch in Deutschland in die Höhe schnellen ließ, so war 2009 laut Clara ein furchtbares Jahr. Was sich schon während der Tour zum letzten Album angekündigt hatte, erreichte auf einer Insel in der Nordsee seinen absoluten Höhepunkt. Clara litt wieder einmal an einer der vielen Lungenentzündungen, die sie in den letzten Jahren schon öfter dazu gezwungen hatten, Shows abzusagen. Diesmal war sie jedoch komplett von der Außenwelt abgeschnitten. Die zugefrorene See machte einen Schiffsverkehr zum Festland unmöglich und in Clara stiegen existenzielle Ängste auf.
Clara: "Ich wusste damals nicht, warum ich immer Lungenentzündungen bekomme. Außerdem gab es gerade bandintern Umstellungen. Ich habe also auf vielen Ebenen meines Lebens nicht gewusst, geht es weiter und wie geht es weiter. Und dieser marode Körper, bei dem ich mich gefragt habe, ob er überhaupt noch einmal funktionieren wird... das war für mich schon sehr dramatisch."
Sarah Haas
Festgehalten sind diese Stimmungen und Gefühle in dem Song "Release The Sea", der sich mit schwer melancholischen Klavierakkorden und einer sanften Gitarrenlinie heranschleicht. Gleich in der ersten Zeile "the ice breaks silently" schwingt eine Mischung aus Verzweiflung und geerdeter Gewissheit mit. Das wundervoll unprätentiöse Arrangement lässt durchschimmern, dass hier große Mächte am Werk sind.
Clara Luzia war bei uns zu Gast und hat im Studio 2 den Song "The Waving Ones" gespielt
Claras Stimme scheint sich fast zu überschlagen, als sie im Refrain gegen den eiskalt tobenden Wind der Nordseeinsel ansingt. Während am Schluss die Nummer langsam zerfällt und der Wind endlich nachlässt, sieht man vor dem geistigen Auge Clara am einsamen Strand sitzen, wie sie in Demut auf die Reflexionen des Eismeers blickt.
Clara: "Als ich diesen Song geschrieben habe, hatte ich beim Refrain das Bild im Kopf, ich gehe durch diese Eislandschaft - völlig verzweifelt natürlich, wie immer (lacht) - und die Götter singen mit mir. Also so etwas richtig Griechisches, mit fetten Chören im Hintergrund. Und die Götter beugen sich vom Himmel herunter und lassen das Land versinken. Insofern ist diese Nummer von der Anmutung her schon recht bombastisch geworden."
Atmende Skizzen und lebendige Lebenshymnen
Um solch eine dramatische Geschichte auch auf emotionaler Ebene transportieren zu können, braucht es den richtigen Klang, die richtige Abstimmung von Instrumenten und Stimme. Vielleicht ist auch der Inhalt der Grund, der den knöchernen, reduzierten und direkten Sound der Platte heraufbeschworen hat. Claras Stimme steht mehr denn je im Vordergrund und die klar abgegrenzten Harmoniebögen werden mit viel Gefühl gespannt. Kein Ton ist zuviel, kein leises Kratzen an den Streichinstrumenten, kein leises Scheppern im Hintergrund zu wenig. Diese Platte lebt. Ihre Nummern atmen die klare Luft der Nordsee.
Clara Luzia
Verantwortlich dafür ist auch das neue Produzententeam Hubert Mauracher und Soundingenieur Philipp Staufer. Ohne Huberts sicheres Händchen für poppige Songs, ohne seine persönlichen Erfahrungen bei Produktionsprozessen, die sich nicht zuletzt auch auf der seelischen Ebene abspielen, wären die bezaubernden Songskizzen "Colors" und vor allem das federleichte "Frame" (bei dem Clara streckenweise an die großartige Suzanne Vega erinnert) wohl nicht auf die Platte gekommen. Für die selbstkritische Sängerin und Songschreiberin waren diese beiden Stücke zu schemenhaft, zu unausgegoren, zu wenig in der klassischen Songstruktur verankert. Doch gerade das hat Hubert Mauracher fasziniert, wobei er mit seinem Geschick für elektronische Spielereien "Frame" eine weitere Dimension hinzugefügt hat. So wie er auch Claras musikalischer Abrechnung mit einer ungesunden Freundschaft, "How The Mighty Fall", durch die digitale Ebene eine weitere spannende Klangschicht verliehen hat.
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Einer der Highlights ist eindeutig die quirlige Nummer "Sink Like A Stone", die sich wie ein kleines Rinnsal an den großen, schweren Steinen des Lebensfluss anschmiegt. Es ist Claras Lebensnummer, wobei auch hier das durch die berührenden Gesangsmelodien ausgelöste Glücksgefühl mit einer sehnsüchtigen Stimmung konterkariert wird. Doch der Hoffnungsschimmer wird - wie auch über die gesamte Platte - immer stärker, wenn sich Clara am Ende dazu entschließt, nicht mehr wie ein Stein alleine sinken, sondern wie eine Seehündin durchs Wasser schwimmen zu wollen. Denn in den Momenten musikalischer Euphorie kann sie sich durchaus daran erinnern, doch schon einmal eine Seehündin gewesen zu sein.
Insofern hat der Titel "Falling Into Place" doch seinen berechtigt positiven Touch. Denn ist Clara Luzia auf dem Cover von "The Ground Below" noch in der Luft von den Stromleitungen gehangen, so ist sie am Artwork ihres vierten Werks mit beiden Füßen am Boden angelangt. Und auch das Schild "Claras Landing Zone" deutet an, dass Clara ihrer endgültigen Landung einen erheblichen Schritt näher gekommen ist.