Erstellt am: 7. 2. 2011 - 18:49 Uhr
Transmediale: Biodoll und Hackerspace
Transmediale.11
Die Selbstherrlichkeit, mit der selbsternannte Hacker, Online-Demokraten und Nerd-Bewegte von einer neuen Gesellschaft nach ihrem Muster schwärmen: Offener Zugang, offene Demokratie, Open Alles, bot meinem inneren Aufregungs-Monster lange Zeit genug Futter, um sich wild in alle Richtungen ('schuldigung, aus welcher Richtung weht der Piratenwind: Nerd-Westen) übergeben zu können.
Nein, eine innige Freundschaft mit der sogenannten Nerd-Ideologie hatte ich nie. Zuletzt, wahrscheinlich mit der wieder zunehmenden Unsichtbarkeit von Hacker-Kultur zum einen, dem Stillstand der (und dem neuen ökonomistischen Fokus auf die) Games-Kultur, der Plattheit von Wikileaks und der Naivität des Anonymous-Mobs zum anderen, schwand mein Interesse am Ärger über die Nerds.
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Am Sonntag aber, im teils richtig tollen Access:Denied-Gespräch, packte mich der alte Groll wieder. Verantwortung dafür trägt vor allem die österreichische Hackerin und Hackerspace-Betreiberin Stefanie Wuschitz, die als zweite von dreien ihre Erfahrungen als Geek, Künstlerin und Hackerspace-Besucherin schilderte.
Vielleicht hätte mich ihr Vortrag, zu dem ich gleich komme, nicht so gepackt, wenn vorher nicht Carolyn Guertin (reichlich kryptisch) über Foreign Bodies und Emodied Interfaces gesprochen hätte. Guertin, wie schon am Vortag andere, hob die Körperlichkeit der Medien und den in ihnen eingeschriebenen patriarchalen Code hervor – also die auch in Medien manifeste Herrschaft des Mannes: Technik, wie wir sie vor allem kennen, ist Männertechnik, Frauen sollen, können, wollen nicht mal Zugang zu ihr finden.
Guertin forderte die Entwicklung feministischer Interfaces, die auch ganz praktisch die Machtverhältnisse umdrehen: Displays, die zurückblicken und die zurückberühren. Medien, die einen intimen Raum öffnen (Intimität, also geteilte Erfahrung, im Gegensatz zu Konsum oder Fremdbestimmung). Als konkrete Beispiele, wie das künstlerisch bereits umgesetzt wurde, führte Guertin die Österreicherin Valie Export und ihr radikales Tapp und Tastkino an, das nur einem Zuschauer Raum lässt, der Export auch noch 30 Sekunden in die Augen blicken muss, während er an ihren im Kino ausgestellten Brüsten herumfummelt.
Das andere war eine Projektion einer nackt im Wasser treibenden Frau, die durch Eingriffe des Zuschauers stöhnte, sich wälzte und damit eben auch dem Eben-nicht-nur-Beobachter seinen Anteil an der Performance vor Augen führte. Nach diesen Beispielen fand ich keinen Zweifel mehr: Medien und Interfaces sind eben auch Politik.
Stefanie Wuschitz: Theorie und Praxis im Hackerspace
Und während ich grübelte, brachte Stefanie Wuschitz in ihrer Keynote das alles rasant in die Praxis. Stefanie erzählte von ihren Erfahrungen als Veranstalterin internationaler Hacker-Workshops für Frauen, deren transformative Kraft und die seltsamen Hindernisse, auf die sie immer wieder stieß.
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Was Stefanie da alles erzählte, muss ein eigener Beitrag hier auf FM4 werden. Nur kurz: Die Männer-Hackerspaces sind Frauen auf mehreren Weisen verschlossen. Rein darf jeder, ankommen nur Männer. Dahinter steckt keine böse Absicht, erklärt Stefanie. Die Männer meinen es gut – aber geben Frauen wie Stefanie trotzdem das Gefühl, Gast in einem fremden Land mit seltsamen Sitten und Gebräuchen zu sein. Hacker sind in gleich mehreren Formen eine inklusive Gruppe. Stefanie: "Open-Source-Software-Entwickler sind nette Leute, sie glauben, sehr offen, demokratisch und so weiter zu sein." Aber sie sind es letztlich nicht.
Dahinter einen plumpen Frauenhass zu vermuten, und darin zeigt sich für mich die Schönheit eines Feminismus, ist gerade nicht Feministinnen-Sache, sondern eine Strohpuppe der von feministischer Kritik Betroffenen (und diese Kritik, nur am Rande, ist ja nicht sexistisch, sondern trifft unaufgeklärte Praxis bei Mann, Frau, wasauchimmer).
Weil aber die Männer der Hackerspaces dieses Problem nicht einsehen wollen, weil sie immer noch denken, Technik stehe für Maskulinität (und Maskulinität ist ja ein Attribut, das Frauen, Männer, wasauchimmer gleichermaßen angeheftet werden kann), müssen eben Schutzzonen eingerichtet werden, in denen Frauen, ohne Angst haben zu müssen, doofe Fragen zu stellen, dazu ermuntert werden, Dinge auseinander– und wieder zusammenzubasteln zu können.
Nur so könne eine Technik-Entfremdung in ein "Oh, ich kann das ja und es macht Spaß", und eine Angst vor dem inneren Schraubenzieher in ein "Oh, ich könnte alles tun, nichts hält mich mehr auf" verwandelt werden. Emanzipation, Ermächtigung im Hackerspace.
Stefanies Aufruf deshalb an Männer in Hackerspaces: Gebt uns das Gefühl, willkommen zu sein, lasst uns aber in Ruhe und hijackt auf keinen Fall unsere Projekte!
Weil das aber noch immer nicht so einfach ist, zieht Stefanie mit ihrem Mz. Baltazar's Laboratory demnächst aus dem Metalab aus und in einen neuen Raum um. Aber wie gesagt: Dazu gibt es mehr zu erzählen, und die beste, die das kann, ist natürlich Stefanie persönlich. Sicherlich bald im Radio!
Den Abschluss des vierten Transmediale-Tags machte Franca Formenti dann mit einer Performance, die mir wenig gab. Ihr Datenbaby Angel_F wurde mit Emotionen des Publikums gefüttert, während sich dieses in Kindheitserinnerungen (ausgelöst durch von Tänzerinnen, den sogenannten Biodolls, verteilten Brötchen und Schokostückchen) flätzte.
Hängen blieb mir zur Diskussion nur das endgültige Statement zum Zugang zu Medien über Interfaces: Cannibalism is the ultimate access. Möge sich jeder dazu denken, wie's ihm oder ihr passt.