Erstellt am: 4. 2. 2011 - 17:29 Uhr
Die ägyptische Revolution via Satellit
Während die Kamerateams des ägyptischen Staatsfernsehens noch immer in ihren Gebäuden festsitzen, ist die Konkurrenz auch am Freitag unter den Demonstranten unterwegs. Neben den Teams von al-Jazeera, deren "Rausschmiss" aus Ägypten offenbar nur einen Exodus aus den Büros darstellte, weil die Berichterstattung ungebrochen weiterging, sind al-Arabija (Arabisch) und zahlreiche westliche Teams an Ort und Stelle. Am auffälligsten aber ist die Berichterstattung der iranischen Kanäle Press TV (Englisch) und al-Alam.
Mittlerweile unterstützen die Iraner, die den Aufstand von Beginn an immer als "Revolution" bezeichnet hatten, die Demonstrierenden ganz offen. Am Freitagnachmittag zogen sich eingeblendete Durchhalteparolen aus aller Welt an die "muslimischen Brüder" in Ägypten durch die Nachrichten von Press TV und "al-Alam".
press tv
- Ein Gefühl von Sieg, Bedeutung und Relevanz in uns allen (Sammy Khamis, 4.2.2011)
- The revolution will be live (Martin Blumenau, 28.1.2011)
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Desinformationswelle
Warum sich die Teams des Mubarak-Staatsfernsehens nicht unter die Leute trauen, liegt auf der Hand. Sie haben definitiv zu befürchten, dass sie von den aufgebrachten Demonstranten verprügelt werden, denn was der Egypt Satellite Channel und die beiden Nile TV-Stationen da verbreiten, ist großteils direkte Desinformation.
Auch am Freitag zeigten die Staatssender statt den unüberschaubar großen Menschenmengen in Kairo und Alexandria stets ein- und dieselbe, wenig frequentierte Zufahrtsstraße entlang der Nilufstraße ("Corniche"). Begonnen hatte die massive Desinformationswelle am Mittwoch, ziemlich genau zum Zeitpunkt, als sich am Tahrir-Platz unwirkliche Szenen mit angreifenden Berittenen abspielten.
Angriffe auf TV-Teams
Nile News verkündete derweilen, dass sich die Lage mit der Rede Mubarakas gänzlich verändert habe und forderte die Demonstranten in Inserts ultimativ auf, den Tahrir-Platz sofort zu verlassen.
nile tv
Propagandamatch
Als Hauptgrund, warum al-Jazeera die Lizenz entzogen wurde, nannten die Behörden "einseitige Berichterstattung": Al-Jazeera habe nur über die Demonstrationen, nicht aber über die Plünderungen berichtet, hieß es. Letzteres besorgten dann die staatlich gelenkten Medien ausführlich - und noch ein Sender, der auch in Europa zu sehen ist, tat sich dabei hervor.
Die Schlägertrupps Mubaraks fingen da gerade an, Fernsehteams systematisch anzugreifen, Anderson Cooper von CNN musste einen Spießrutenlauf entlang der Prügeltruppe absolvieren. Am Donnerstag musste die Armee 20 italienische Journalisten mit einem Panzer evakuieren.
"Obama würdigt Mubarak"
Einer der Höhepunkte der Desinformation war das Insert "Obama würdigt Mubaraks Rede an die Nation", dazwischen spielte man patriotische Schnulzen. Es war der letzte Auftritt einer sichtlich gequält wirkenden, unbekannten Moderatorin von Nile TV, deren Namen die Welt dann am Donnerstag durch CNN erfuhr.
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Dort berichtete Shahira Amin, dass sie getan habe, was sie schon längst hätte tun sollen, nämlich den Job hinschmeißen und auf den Tahrir-Platz demonstrieren gehen.
Die Frequenzen
Den Egypt Satellite Channel findet man auf Eutelsat Hotbird (13 Grad Ost) im ARABsat-Bouquet (12,5646 GHz horizontal). Die beiden Nile TV-Sender sind im ERTU-Paket (12,539 GHz horizontal). Al-Hurra-TV versteckt sich in den Sendertabellen als "MTN-E TV 190" bzw "MTN-E 284" (Eutelsat 12,226 GHz vertikal). Weiters: al-Arabiya 11,747 924 GHz H, al-Alam 12,437 749 GHZ H sowie Press TV 12,460 H, alle Eutelsat/Hotbird.
Verschwundene Kanäle
Ebenfalls vom Schirm verschwunden - zumindest via Eutelsat - ist das US-gesponserte al-Hurra-TV. Der Sender gehört der Middle East Broadcasting Networks Inc. und die wird von der US-Regierung direkt finanziert. Der Direktor heißt Enders Wimbush, der davor für drei Paradeunternehmen des militärisch-geheimdienstlichen Komplexes der USA, tätig war.
Auf zwei als "MTN-E TV 190" "MTN-E 284" ausgewiesenen Eutelsat-Kanälen (Frequenzen siehe rechts) wurde al-Hurra übertragen, das vom Bildmaterial sowie von der Tendenz als einzige Station der Berichterstattung des ägyptischen Staatsfernsehen gefolgt war. Alle anderen zeigten Demonstranten, al-Hurra und das Staatsfernsehen Bilder von Plünderern.
Seit den Szenen vom Mittwochabend sind beide Kanäle, die erst vor wenigen Monaten via Eutelsat on Air gingen, wieder dunkel. Die Szenen im ägyptischen Staatsfernsehen wiederum erinnern mittlerweile auffällig an die letzten Tage von Iraqi TV unter Saddam Hussein.