Erstellt am: 9. 1. 2011 - 22:52 Uhr
Fußball-Journal '11-2.
Meisterschaft und Cup, das europäische Geschäft, das Nationalteam, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet nach dem Jahr 2010 auch das neue Jahr wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf die schwachmatischen Skandalisierungen und die vielen Stillhalte-Abkommen, die den hiesigen Fußball-Journalismus so verhabert und zahnlos machen.
Aktuell mit dem letzten Teil einer kleinen Reihe rund um den Jahreswechsel, die - trotz weitgehend ruhenden Spielbetriebs - wichtige oder windige Geschichten nachklingen lässt.
Teil 1: Die Fußballer-des-Jahres-Liste und ihr Sittenbild.
Teil 2: Stranzls Standfestigkeit.
Teil 3: Scharner in the Sky with Diamonds.
Teil 4: Der begrabene Wettskandal.
Teil 5: Die Bildungs-Krise im Spiegel des ÖFB-Projekt 12
Dass die FIFA zeitgleich intern selber massive ethische Probleme bekommt ist eine (berechtigte) Ironie des Schicksals.
Seit 1. Jänner ist es wieder geöffnet - bis zum 31.1.: Das Fußball-Transfer-Fenster, die Zeit im Jahr, in der die diversen Geschäftsanbahnungen von davor dann auch in die Praxis umgesetzt und zu Geld gemacht werden können. Es wird gedealt, es werden Verträge ausgearbeitet, gebrochen, es wird taktiert, probetrainiert, abgeschätzt und gewechselt oder zu besseren Konditionen verlängert.
Die Ergebnisse lassen sich dann in Form von Vollzugsmeldungen oder auch als Gerüchtebörse in den Fachmedien verfolgen.
Das worum es dahinter geht, wird selten thematisiert: das große Abcashen der Berater, Vermittler, Manager, Konsulenten, Sportdirektoren, Trainer oder Vereins-Honoratioren - die allesamt mitverdienen. Meist auch an ganz simpel abzuwickelnden Deals, die keinerlei Vermittlungs-Hilfe brauchen würden. Genau dort in der kleine und große Reibach zu machen, genau an dieser Nahtstelle setzte der große Konflikt zwischen dem Branchen-Neuling Red Bull und der Hamma-imma-schon-so-gmacht-Garde der Mitverdiener (damals, fast zufällig, durch Kurt Jara repräsentiert) an.
Denn die Sinnhaftigkeit eines in seiner Praxis nahe an Korruption gebauten Systems erschloss sich Mateschitz nicht.
Da solcherlei Machinationen selbstverständlich international erfolgen (halt je nach regionaler Handhabe anders geartet) bemüht sich die andersweitig zuletzt heftig kritisierte Fußball-Dachorganisation FIFA da immer wieder Regulative zu entwickeln, die den Geld-Fluss im Weltfußball ein wenig mehr in Richtung sinnhaftere Investitionen drängt anstatt zuzusehen, wie da eine Menge Kies in wenig nachvollziehbare persönlichen Bereicherungs-Bauten sickert.
Transferabgleichung, ausschließlich online
Für das aktuelle Transferfenster gilt erstmals ein neues Transfersystem. Die FIFA will, ein bissl wie Wikileaks, alles offenlegen, alle Infos online stellen und so Geldwäsche und Korruption zumindest erschweren.
Jeder Verein (und alle Nationalverbände mit Profi-Ligen sind da erfasst, andernfalls sind internationale Transfers untersagt) muss alle Details zu Spielern, beteiligten Agenten und Zahlungen angeben, und alle Dokumente auch vorlegen.
Wenn dann illegal abgeschlossene Nebenverträge oder Papiere über nicht angegeben Summen für Konsulenten oder andere Vermittler auftauchen, dann ist das nicht wie bisher ein kaum einklagbares Kavaliersdelikt - dann greifen heftige FIFA-Sanktionen.
Die Korruption wird also aus einem vagen, halblegalen Grauzonen-Status, in dem sie sich seit ewig gut eingespeichelt hat, in die Illegalität gesetzt.
Hier ist das neue FIFA-Transferabgleichungs-System als pdf im Wortlaut nachzulesen.
Vieles an der Installierung des TMS, des Transfer Matching Systems, ist naiv und blauäugig, entspricht ganz dem "Ich-hab-doch-nichts-gemacht!"-Duktus seines Chefs Joseph Blatter. So die Ansage, dass man in einem Online-System nur sehr schwer betrügen könne. Oder die geringe Zahl der Kontrolleure.
Wichtig ist aber, wie bei allen neuen Regulativen, die gegen über Jahre hin korrupt agierende Systeme arbeiten, dass die Erstarrung gelöst wird. Das TMS wird etwa definitiv den bislang eben halblegalen Transfer-Trail zwischen Afrika und Europa, aber auch die diffusen Transferwege zwischen Südamerika und Europa, diese an Menschenhandel grenzenden Widerlichkeiten, deutlich beeinflussen.
Korruption, Geldwäsche, Menschenhandel
Ob und wie Österreich von den Änderungen betroffen sein wird, hängt von den heimischen Playern ab. Schon in den letzten Jahren war, auch aufgrund der ökonomischen Krise, ein massiver Rückgang der davor zahlreichen dubiosen Transfers von höchst durchschnittlichen oder unbekannten Spielern aus dem Ausland, vor allem aus dem Südosten Europa, gekommen. Merke: So gut wie jeder nicht nachvollziehbare Transfer dieser minderen Güteklasse steht vor allem für ein gelungenes Geschäft, bei dem viele Beteiligte ordentlich Geld verdienen - der sportliche Wert ist, oder besser: war da zweitranging.
Zuletzt waren Vorfälle wie diese an einer Hand abzuzählen - die "alles-läuft-wie-geschmiert"-Geschäfte der österreichischen Spieler-Vermittler, Konsulenten und Abzocker haben sich anderswohin verlagert.
Trotzdem: Die Geschehnisse im Transfer-Fenster der österreichischen Bundesliga sind in diesem Monat auch unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten: Genauso interessant, was alles passiert und wer aller neu dazukommt, wird es sein, welche Transfers nicht passieren. Wenn die Vereine plötzlich etwa nur mehr Spieler kaufen, die sie wirklich brauchen, was würde uns das sagen?